Ausgabe 04/2025

Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 04/2025:

Arbeitsrecht

Baurecht

Familien- und Erbrecht

Mietrecht und WEG

Verbraucherrecht

Verkehrsrecht

Steuerrecht

Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht

Abschließende Hinweise

Zum Anfang



Arbeitsrecht

Störung des Betriebsfriedens: Kündigung wegen Bedrohung von gewerkschaftlich engagierten Kollegen

| Das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin hat die ordentliche Kündigung eines Straßenbahnfahrers, der in einer privaten Facebook-Gruppe einen von ihm verfassten Beitrag mit einer Fotomontage versehen hatte, für wirksam angesehen. Hierin liege eine Bedrohung von Kollegen, die sich bei der Gewerkschaft Verdi engagieren. Zugleich werde der Betriebsfrieden konkret und nachhaltig gestört. Bei der öffentlich-rechtlichen Arbeitgeberin handelt es sich um den bundesweit größten Betreiber öffentlichen Personennahverkehrs. |

Das war geschehen

Der Straßenbahnfahrer ist Administrator einer privaten Facebook-Gruppe, die sich nach ihrer Bezeichnung an Fahrpersonal der Arbeitgeberin richtet und rund 1.000 Mitglieder umfasst. Im Mai 2024 verfasste er dort einen an die Mitglieder der ver.di-Tarifkommission gerichteten Kommentar zum Ergebnis einer ver.di-Mitgliederbefragung und schloss diesen mit einer Fotomontage ab. Auf dieser ist ein auf dem Boden kniender Mann abgebildet, auf dessen Kopf der Lauf einer Pistole gerichtet ist. Neben ihm befindet sich der Schriftzug von Verdi. Die Fotomontage trägt den Titel „VER.DI HÖRT DEN WARNSCHUSS NICHT!“ Sie weist auch das Logo der Arbeitgeberin aus. Über diesen Beitrag beschwerten sich sieben Beschäftigte der Arbeitgeberin, die zugleich Gewerkschaftsfunktionäre sind und sich durch den Beitrag bedroht fühlten.

Arbeitgeberin kündigte

Nach Anhörung des Fahrers und des Personalrats sprach die Arbeitgeberin eine fristlose und eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus.

Arbeitsgericht: Kündigung wirksam

Das Arbeitsgericht hat die hilfsweise fristgemäße Kündigung für wirksam erachtet. Der Straßenbahnfahrer habe mit der Fotomontage Beschäftigte konkret bedroht. Darin liege zugleich eine erhebliche Störung des Betriebsfriedens.

Die Chatgruppe sei zwar privat, richte sich jedoch ausdrücklich an Fahrpersonal der Arbeitgeberin und verfüge mit rund 1.000 Mitgliedern nicht mehr über einen überschaubaren Adressatenkreis. Der Beitrag sei auch auf eine Außenwirkung angelegt gewesen. Die Fotomontage sei als Drohung an Beschäftigte, die sich für Verdi aktiv einsetzten, zu verstehen und, wie sich an den Beschwerden zeige, auch verstanden worden. Dies ergebe sich vor allem aus der Zielrichtung des Pistolenlaufs auf den Kopf des abgebildeten Mannes. Eine solche konkrete Bedrohung sei von der Meinungsfreiheit nicht gedeckt. Auch liege hierin eine arbeitsvertragliche Nebenpflichtverletzung, von der klar erkennbar sei, dass sie von der Arbeitgeberin nicht hingenommen werde. Daher sei eine Abmahnung nicht erforderlich gewesen.

Zu berücksichtigende Umstände des Einzelfalls

Im Rahmen der Interessenabwägung hat das ArbG angenommen, eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist sei der Arbeitgeberin noch zuzumuten. Der gekündigte Arbeitnehmer hingegen benötige als alleinerziehender Vater dreier Kinder einen größeren zeitlichen Vorlauf, um eine neue hiermit vereinbare Stelle zu finden. Dieser Umstand wie auch die 15jährige Betriebszugehörigkeit überwögen bezogen auf die ordentliche Kündigung hingegen nicht die Interessen der Arbeitgeberin. Diese müsse für den Schutz ihrer Beschäftigten sowohl bei der Ausübung deren arbeitsvertraglich geschuldeter Tätigkeiten wie auch bei der Wahrnehmung ihrer Rechte aus Artikel 9 Grundgesetz (GG) sorgen.

Quelle | ArbG Berlin, Urteil vom 7.10.2024, 59 Ca 8733/24 und 59 Ca 11420/24

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Keine Zustimmungserfordernis: Vergütungsanpassung bei freigestelltem Betriebsratsmitglied

| Die Erhöhung des Arbeitsentgelts eines von seiner beruflichen Tätigkeit freigestellten Betriebsratsmitglieds unterliegt nicht der Mitbeurteilung des Betriebsrats. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) festgestellt. |

Betriebsrat wollte mitsprechen

Die Arbeitgeberin, die regelmäßig mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt, unterhält in Leipzig zwei Autohäuser, für die der antragstellende Betriebsrat errichtet ist. Nachdem der freigestellte Vorsitzende des Betriebsrats im Jahr 2021 erfolgreich das Assessment Center „Führungskräftepotenzial“ durchlaufen hatte, vergütete ihn die Arbeitgeberin entsprechend einer höheren Entgeltgruppe des einschlägigen Tarifvertrags. Der Betriebsrat hat gemeint, ihm stehe hierbei ein Mitbeurteilungsrecht zu, und hat im Rahmen dieses Beschlussverfahrens entsprechend seine Beteiligung gerichtlich geltend gemacht.

Die Vorinstanzen haben der Arbeitgeberin aufgegeben, beim Betriebsrat ein Zustimmungsverfahren einzuleiten. Die gegen die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) gerichtete Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hatte vor dem BAG Erfolg.

Beteiligung nur bei Ein- und Umgruppierungen

Dem Betriebsrat steht bei der Erhöhung des Arbeitsentgelts eines freigestellten Betriebsratsmitglieds kein Mitbeurteilungsrecht zu. Die Norm sieht eine Beteiligung des Betriebsrats bei Ein- und Umgruppierungen vor. Diese bestehen in der Zuordnung der zu verrichtenden Tätigkeit eines Arbeitnehmers zu einer bestimmten Gruppe der maßgeblichen Vergütungsordnung.

Bei der Erhöhung des Arbeitsentgelts eines freigestellten Betriebsratsmitglieds erfolgt demgegenüber keine solche Einordnung, sondern eine Anpassung der Vergütung des Betriebsratsmitglieds nach Maßgabe der in diesen Normen geregelten gesetzlichen Vorgaben. Danach ist die Vergütung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds entweder entsprechend der betriebsüblichen Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer oder zur Vermeidung einer Benachteiligung anzupassen, weil das Betriebsratsmitglied nur infolge der Amtsübernahme nicht in eine höher vergütete Position aufsteigen konnte.

Quelle | BAG, Beschluss vom 26.11.2024, 1 ABR 12/23, PM 31/24

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Gesetzliche Unfallversicherung: Verletzung eines 15-jährigen Fußballers kann Arbeitsunfall sein

| Gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sind u.a. Beschäftigte im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Ein solches Beschäftigungsverhältnis kann auch bei einem 15-jährigen Spieler einer Juniorenmannschaft eines Fußball-Bundesliga-Vereins mit einem „Fördervertrag“ vorliegen. So entschied es das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg. |

Komplexe Verletzung beim Ligaspiel

Ein damals 15-jähriger Fußballer erlitt in einem Spiel der früheren B-Junioren-Bundesliga im Herbst 2020 eine komplexe Läsion des Außenmeniskus und musste sich einer Operation und einer langwierigen Nachbehandlung unterziehen. Der 15-Jährige hatte, vertreten durch seine Eltern, einen „Fördervertrag“ als Vertragsspieler im Sinne der „Spielordnung“ des DFB unterschrieben und war in das Leistungszentrum des Vereins aufgenommen worden. Er unterwarf sich darin umfangreichen Verpflichtungen, insbesondere zur Teilnahme an allen Trainings und allen Spielen, ohne einen Anspruch auf Spieleinsatz zu haben. Auch hatte er etwa am dritten Tag einer Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche AU-Bescheinigung einzureichen. Es waren ein Urlaubsanspruch von 30 Tagen im Jahr und ein „monatliches Grundgehalt“ von 251 Euro vereinbart.

Berufsgenossenschaft: kein Arbeitsunfall

Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, denn der Spieler sei nicht unfallversichert gewesen. Auch Verträge wie hier könnten jedenfalls vor dem 16. Geburtstag des Spielers kein Beschäftigungsverhältnis begründen. Außerdem sei das vereinbarte Gehalt so niedrig, dass es keine adäquate Gegenleistung, sondern allenfalls eine Aufwandsentschädigung darstelle.

Landessozialgericht gab Spieler Recht

Nachdem in erster Instanz vor dem Sozialgericht (SG) die Berufsgenossenschaft obsiegt hatte, hat nun im Berufungsverfahren das LSG dem Spieler Recht gegeben und ein Beschäftigungsverhältnis und damit einen Arbeitsunfall bejaht. Der „Fördervertrag“ gehe weit über die Pflichten eines bloßen Vereinsmitglieds hinaus und entspreche eher einem Arbeitsvertrag. Ausschlaggebend für diese Einordnung waren die umfassenden Verpflichtungen des jungen Mannes, die Regelungen zu Arbeitsunfähigkeit und Urlaub sowie das vereinbarte „Grundgehalt“, das ausdrücklich als einkommensteuerpflichtig bezeichnet wurde und auch über der steuerfreien „Übungsleiterpauschale“ nach dem Einkommensteuerrecht lag.

Verbotene Kinderarbeit nicht gegeben

Dass der Spieler bei dem Unfall noch keine 16 Jahre alt war, stand der Einstufung als „Beschäftigter“ nicht entgegen. Insbesondere lag keine verbotene Kinderarbeit vor, weil er die Vollzeitschulpflicht nach baden-württembergischem Landesrecht erfüllt hatte. Ebenso schließen die Regelungen des DFB nicht aus, dass bereits ein 15-jähriger Fußballspieler ein Beschäftigter ist. Zwar kann er frühestens ab dem 16. Geburtstag eine Spielerlaubnis für eine Lizenzmannschaft oder erste Herrenmannschaft erhalten. Diese bloße Möglichkeit ändert aber nicht die tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere, wenn der Spieler mitten in einer laufenden Saison 16 wird. Sie schließt nicht aus, dass schon zuvor eine Beschäftigung vorlag. Für die Entscheidung war danach nicht die Grenze zu den Lizenzmannschaften maßgeblich, sondern die Grenze zwischen Vereinsamateuren und Vertragsspielern.

Die Entscheidung des LSG, wenn sie rechtskräftig wird, bedeutet, dass die zuständige Berufsgenossenschaft den Unfall entschädigen muss. Denn es handelt sich um einen Unfall infolge einer versicherten Tätigkeit und damit um einen Arbeitsunfall.

Quelle | LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.1.2025, L 9 U 3318/23, PM des LSG

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Baurecht

(Kein) Formerfordernis: Tücken bei der Kündigung eines Architektenvertrags

| Die Kündigung eines nach dem 31.12.2017 geschlossenen Architektenvertrags bedarf der Schriftform. Das regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (hier: §§ 650q, 650h BGB). Eine formwidrige Kündigung ist allerdings folgenlos, wenn die andere Partei die Kündigung hinnimmt. Es ist dann in der Regel eine stillschweigende Vertragsaufhebung anzunehmen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt klargestellt. |

Das OLG sagt aber auch: Ruft der Auftraggeber über einen längeren Zeitraum keine weiteren Planungs- und Beratungsleistungen beim Auftragnehmer ab, kann darin keine Kündigung gesehen werden.

Quelle | OLG Frankfurt, Urteil vom 11.5.2023, 22 U 19/22, Abruf-Nr. 244905 unter www.iww.de; rechtskräftig durch Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde, BGH, Beschluss vom 15.5.2024, VII ZR 118/23

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Grundsteuer B: Kein Grundsteuererlass bei Sanierung eines baufälligen Denkmals

| Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat einem Mann den Erlass der Grundsteuer verwehrt, obwohl er herangezogen worden war, ein Baudenkmal zu erhalten. |

Für den Erhalt eines Fachwerkhauses begehrte der Kläger Grundsteuererlass

Der Kläger erwarb im Jahr 2012 ein Grundstück, das mit einem barocken Fachwerkhaus aus dem 18. Jahrhundert bebaut ist. Für dieses zog ihn die beklagte Ortsgemeinde für das Kalenderjahr 2022 zur Zahlung von Grundsteuer B in Höhe von 110,60 Euro heran. Der Kläger beantragte daraufhin den Erlass der Grundsteuer, weil die Erhaltung des Gebäudes wegen seiner Denkmaleigenschaft im öffentlichen Interesse liege und für ihn unrentabel sei.

Den Antrag des Klägers auf Erlass der Grundsteuer lehnte die Beklagte ab. Insbesondere habe der Kläger die Unrentabilität des Gebäudes nicht hinreichend belegt.

Erfolgloser Widerspruch

Hiergegen wandte sich der Kläger zunächst erfolglos mittels Widerspruch und dann mit seiner Klage. Er habe denkmalschutzbedinge Sanierungsmaßnahmen vorgenommen, unter anderem das Fachwerk freigelegt. Ohne die Denkmaleigenschaft hätte er das Gebäude abgerissen und das Grundstück anderweitig verwertet. Es seien zudem Rückstellungen für weitere Sanierungsmaßnahmen zu berücksichtigen. Aus Rentabilitätsgründen habe er überwiegend Eigenleistungen erbracht. Er erziele inzwischen Mieteinnahmen in angemessener Höhe, dennoch sei ihm ein Verlust entstanden.

Verwaltungsgericht sah Voraussetzungen für Erlass nicht gegeben

Die Klage hatte keinen Erfolg. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Grundsteuererlass für das Jahr 2022, so das VG. Das Grundsteuergesetz (hier: § 32 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 GrStG) sehe dies nur für Grundbesitz vor, dessen Erhaltung wegen seiner Bedeutung für Kunst, Geschichte, Wissenschaft oder Naturschutz im öffentlichen Interesse liege, wenn die erzielten Einnahmen und die sonstigen Vorteile (Rohertrag) in der Regel unter den jährlichen Kosten lägen. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Zwar bestehe ein öffentliches Interesse am Erhalt des Fachwerkhauses des Klägers. Der Grundbesitz sei jedoch nicht unrentabel. Der Kläger habe in erster Linie im weitaus überwiegenden Umfang Kosten aufgewendet, um das Gebäude im Sinne seiner eigentlichen Bestimmung zu Wohnzwecken zu ertüchtigen. Es sei deshalb prognostisch nicht davon auszugehen, dass der Grundbesitz was für einen Grundsteuererlass vorausgesetzt wird dauerhaft unrentabel sei. Eine valide Bewertung der Unrentabilität sei zudem nicht möglich, weil der Kläger nicht alle dazu benötigten Unterlagen vorgelegt habe.

Schließlich fehle es jedenfalls an der erforderlichen Kausalität zwischen (unterstellter) Unrentabilität und öffentlichem Erhaltungsinteresse. Denn der Kläger habe das Gebäude in Kenntnis des Sanierungsbedarfs zum Marktwert erworben. Das Gebäude sei wegen seines mehr oder weniger veralteten und teilweise maroden Zustands sanierungsbedürftig gewesen, nicht aufgrund der Denkmaleigenschaft.

Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 25.6.2024, 5 K 172/24.KO, PM 16/24

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Honorarordnung für Architekten und Ingenieure: Ist ein Ententeich ein Ingenieurbauwerk?

| Kann das Honorar für Planungsaufträge für Baumaßnahmen und Anlagen, die in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) nicht beschrieben sind, frei vereinbart werden? Gilt die HOAI dann nicht? Antworten hierzu lieferte jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg. |

Das war geschehen

Ein Ententeich sollte von einem stehenden Gewässer zu einer wasserwirtschaftlichen Anlage umgewidmet werden. Der bereits im Verlauf eines Trennsystems genutzte Teich sollte als künftiger Retentionsraum genutzt werden. Die Parteien stritten über die Berücksichtigung eines Umbauzuschlags. Der Auftraggeber meinte, dass ein Objekt i. S. d. HOAI 2013 vorhanden sein müsse, andernfalls sei ein Umbau nicht möglich. Hier läge jedoch kein solches „Objekt“ vor. Daher sei ein Umbauzuschlag ausgeschlossen. Daran ändere auch nichts, dass der Teich durch Menschenhand geschaffen worden sei.

So sah es das Oberlandesgericht

„Objekt“ oder nicht „Objekt“ das war hier die Frage. Das OLG stützte sich zur Beantwortung auf ein Gerichtsgutachten. Der Sachverständige hatte festgestellt, dass der Ententeich von der Beklagten schon über einen längeren Zeittraum zur Ableitung von Mischwässern genutzt würde und überschüssige Wässer über ein Mönchsbauwerk in ein nahe gelegenes Gewässer abgeleitet werden. Es handele sich deshalb um eine ungenehmigte Anlage des Wasserbaus. Das Gericht bewilligte daher den Umbauzuschlag. Es handele sich um ein Ingenieurbauwerk (Anlage des Wasserbaus). Zwar würde durch die Planung nicht in die Konstruktion des Teichs eingegriffen, wohl aber in den Bestand. Dieser sei wesentlich, weil aus einer Anlage des Wasserbaus eine Anlage der Abwasserentsorgung entstehen sollte (Nutzungsänderung). Denn der Teich sollte bei dem umzustellenden Mischsystem in ein Trennsystem künftig nur noch den kontrollierten Abfluss von Regenwasser sicherstellen.

Das OLG: Durch die geplante Vertiefung des Teichs werde zwar auch in die Konstruktion eingegriffen. Die Wesentlichkeit dieses Eingriffs sei aber nicht vorgetragen worden, sodass sich das Wesentlichkeitskriterium nicht prüfen ließ. Wesentlich sei ein Eingriff, wenn er gegenüber dem Bestand einen Anteil von 10 bis 20 Prozent der Substanz ausmacht.

Quelle | OLG Naumburg, Urteil vom 16.5.2024, 2 U 96/23, Abruf-Nr. 244851 unter www.iww.de

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Familien- und Erbrecht

Rückzahlungsanspruch: Darlehen der Schwiegereltern ist keine Schenkung

| Ein Schwiegersohn ist zur Rückzahlung eines sechsstelligen Darlehens an seine Schwiegereltern verpflichtet. So entschied es das Landgericht (LG) Frankfurt am Main. Es hat dabei klargestellt, dass ein im familiären Umfeld überlassener größerer Geldbetrag im konkreten Fall keine reine Gefälligkeit darstellt und ein Rechtsanspruch auf Rückzahlung besteht. |

Schwiegersohn benötigte Geld und bekam es von den Schwiegereltern

Der später beklagte Schwiegersohn benötigte Geld, um ein geerbtes Wohnhaus erhalten zu können. Seine Bank hatte ihm bereits einen Kredit gekündigt. Um ihn zu unterstützen, nahmen seine Schwiegereltern ihrerseits ein Darlehen in Höhe von 250.000 Euro auf und lösten damit die Restschuld des Schwiegersohns aus dessen Kredit ab. Man war sich darüber einig, dass der Schwiegersohn Zinsen und Tilgung tragen sollte. So geschah es auch über mehrere Jahre hinweg.

Ehe wurde geschieden

Zwischenzeitlich wurde die Ehe des Schwiegersohns mit der Tochter der Schwiegereltern jedoch geschieden. Der Schwiegersohn stellte einige Zeit später seine Zahlungen mit der Begründung ein, er könne die finanzielle Belastung wegen der Unterhaltszahlungen an seine Exfrau nicht mehr tragen. Die ehemaligen Schwiegereltern verlangten von ihm jedoch die Zahlung des noch offenen Darlehensbetrags von rund 190.000 Euro.

Landgericht: kein freiwilliges Vermögensopfer der Schwiegereltern

Das LG gab der Klage der Schwiegermutter statt. Es folgte nicht der Argumentation des Schwiegersohns, die finanzielle Unterstützung durch seine ehemaligen Schwiegereltern sei ein freiwilliges Vermögensopfer, denn sie sei im familiären Raum wegen der schwierigen Lage der jungen Eheleute erfolgt.

Das LG stellte in seinem Urteil vielmehr fest, dass die Schwiegereltern und der Schwiegersohn ihrerseits mündlich einen Darlehensvertrag geschlossen hatten. Das Gericht führte aus: „Ob ein Vertrag geschlossen wurde, hängt maßgeblich vom Rechtsbindungswillen der Parteien ab. Bei einem sog. reinen Gefälligkeitsverhältnis fehlt der Rechtsbindungswille.“ Und weiter: „Die Parteien handeln bei einem Gefälligkeitsverhältnis (…) ausschließlich aus gesellschaftlicher Gefälligkeit, also aus Freundschaft, Kollegialität, Nachbarschaft oder sonstigem Altruismus.“

Zwar seien die Abreden hier im engen Familienkreis erfolgt, was für eine reine Gefälligkeit sprechen könne. Allerdings handelte es sich nach Ansicht des LG bei der Gewährung eines derart hohen Betrags keinesfalls um eine Gefälligkeit des täglichen Lebens. Auch die Interessenlage spreche für einen Rechtsbindungswillen. Denn das Risiko der Klägerin und ihres Ehemanns sei ganz erheblich gewesen.

Für den Schwiegersohn habe zudem die Gefahr bestanden, ohne die Gewährung des Geldbetrags sein Haus und damit sein Heim zu verlieren. Hinzu komme, dass der Beklagte selbst eingeräumt habe, dass die Parteien eine Schenkung des Geldes nicht gewollt hätten. Nachdem die Schwiegereltern den mündlich mit ihrem ehemaligen Schwiegersohn geschlossenen rechtsverbindlichen Darlehensvertrag gekündigt hatten, stünde ihnen ein Rückzahlungsanspruch zu.

Quelle | LG Frankfurt, Urteil vom 28.11.2024, 2-23 O 701/23, PM vom 19.12.2024

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Eheähnliche Gemeinschaft: Offene Ganztagsschule: Partner ohne Elternstatus müssen keine Beiträge zahlen

| Das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW erklärte eine Regelung einer Elternbeitragssatzung einer Gemeinde für unwirksam. Diese verpflichtete Partner in einer eheähnlichen Gemeinschaft ohne Eltern- oder Erziehungsstatus, Elternbeiträge für die Offene Ganztagsschule (OGS) zu zahlen. |

Das verlangte die Gemeinde

Eine Gemeinde hatte von der Klägerin und ihrem Lebensgefährten gemeinsam OGS-Beiträge für den Sohn der Klägerin auf Basis ihres kombinierten Einkommens erhoben. Das Verwaltungsgericht (VG) hob den Beitragsbescheid teilweise auf, da die Regelung gegen das Sozialgesetzbuch (SGB VIII) verstoße. Das OVG bestätigte dies, sah den Verstoß jedoch primär im Kinderbildungsgesetz NRW (KiBiz).

Das sagt das Kinderbildungsgesetz

Nach dem KiBiz dürfen nur Eltern oder gleichgestellte Personen zu Beiträgen herangezogen werden. Eine Gleichstellung von Partnern in eheähnlichen Gemeinschaften ohne Elternstatus sei unzulässig. Diese überschreite die gesetzlich vorgesehenen Befugnisse der Kommunen und verletze höherrangiges Landesrecht.

Das Urteil unterstreicht, dass Kommunen keine Beitragspflichten für Personen begründen dürfen, die weder Eltern noch erziehungsberechtigt sind.

Quelle | OVG NRW, Beschluss vom 27.11.2024, 12 A 566/22, Abruf-Nr. 245209 unter www.iww.de

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Embryonenschutzgesetz: Witwe kann Herausgabe von Sperma ihres verstorbenen Mannes für künstliche Befruchtung verlangen

| In einem Eilverfahren vor dem Landgericht (LG) Frankfurt am Main hat die antragstellende Ehefrau verlangt, dass eine Klinik ihr das kryokonservierte Keimmaterial ihres bereits verstorbenen Ehemanns zur Verfügung stellt. Sie möchte damit eine In-Vitro-Fertilisation in Spanien durchführen lassen. Das LG hat ihrem Eilantrag stattgegeben. |

Das war geschehen

Das Krankenhaus hatte die Herausgabe verweigert, weil der mit dem Ehemann zu dessen Lebzeiten geschlossene Vertrag vorsah, dass das Sperma nach seinem Tod zu vernichten sei. Das Embryonenschutzgesetz untersage es, eine künstliche Befruchtung mit dem Samen eines verstorbenen Mannes durchzuführen. Nach Ansicht der Klinik drohe ihren Mitarbeitern im Fall einer Herausgabe des kryokonservierten Spermas außerdem strafrechtliche Verfolgung.

So argumentierte das Landgericht

Das LG hat festgestellt, dass der seinerzeit mit dem Ehemann geschlossene Vertrag die Klinik nicht verpflichte, das kryokonservierte Keimmaterial zu vernichten. Diese „Vernichtungsklausel“ fuße nach dem Wortlaut des Vertrags allein auf § 4 Embryonenschutzgesetz. Darin werde zwar strafrechtlich verboten, eine Eizelle mit dem Samen eines Mannes nach dessen Tod zu befruchten. Der Schutzzweck der Vorschrift sei im vorliegenden Fall jedoch nicht berührt. Insbesondere das Grundrecht des verstorbenen Ehemanns auf reproduktive Autonomie werde nicht beeinträchtigt, denn er habe vor seinem Tod in die postmortale Verwendung seines Spermas eingewilligt. Dies habe seine Ehefrau hinreichend dargelegt.

Entgegen der Befürchtung der Klinik bestünden vorliegend bei einer Herausgabe des kryokonservierten Spermas keine Strafbarkeitsrisiken für die Mitarbeiter. Da der Schutzzweck des § 4 Embryonenschutzgesetz im konkreten Fall schon nicht verletzt sei, fehle es bei einer künstlichen Befruchtung mit dem Sperma des verstorbenen Ehemanns an einer rechtswidrigen Haupttat. Eine Beihilfehandlung dazu scheide aus.

Das LG betonte, dass es verfassungsrechtlich zwingend geboten erscheine, dass zur Ausübung einer Handlung, die Ausdruck einer nach dem Grundgesetz verfassungsrechtlich besonders geschützten Selbstbestimmung ist, derjenige auch Hilfe in Anspruch nehmen kann, der diese Handlung realisieren will. Die künstliche Befruchtung in einer spanischen Klinik sei vorliegend unabhängig von konkreten medizinischen Erfolgsaussichten und ethischen oder moralischen Bewertungen nach spanischem Recht möglich. Eine In-Vitro-Fertilisation sei dort im konkreten Fall nicht mit Strafe bedroht.

Quelle | LG Frankfurt a. M., Beschluss vom 4.2.2025, 2-04 O 29/25, PM vom 14.2.2025

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Schriftformerfordernis: Wenn das Testament Zeichen und einen Adressaufkleber enthält …

| Das Oberlandesgericht (OLG) München hat jetzt entschieden: Ein handschriftliches Testament ist formunwirksam, wenn der Bedachte durch einen maschinenschriftlichen Adressaufkleber benannt werden soll. |

Ungewöhnliche Gestaltung einer vermeintlichen letztwilligen Verfügung

Neben den letzten beiden Zeilen in der rechten unteren Ecke eines Briefumschlags, auf dem eine letztwillige Verfügung stehen soll, befindet sich ein Adressaufkleber des Beschwerdeführers, der einen Alleinerbschein beantragt hat. Zwischen den Wörtern „Rest dir“ und dem Adressaufkleber befindet sich ein Pfeil, der auf den Namen des Beschwerdeführers weist. Die (vermeintliche) Unterschrift der Erblasserin befindet sich oberhalb dieses Adressaufklebers neben dem Wort „Schultertuch“.

Oberlandesgericht erkennt das Schriftstück mangels Schriftform nicht an

Das Schriftstück stelle schon keine wirksame Verfügung von Todes wegen dar, weil es nicht durchgängig handschriftlich verfasst wurde. Bei dem auf dem Schriftstück angebrachten Pfeil handele es sich um ein Symbol und damit nicht um Schrift. Hinsichtlich des Pfeils ist eine Überprüfung der Urheberschaft von vornherein ausgeschlossen.

Auch der Adressaufkleber, auf dem sich Name und Anschrift des Beschwerdeführers befinden, wahre nicht die vom Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehene Form (hier: § 2247 Abs. 1 BGB).

Quelle | OLG München, Urteil vom 23.7.2024, 33 Wx 329/23, Abruf-Nr. 246111 unter www.iww.de

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Mietrecht und WEG

Mietvertragskündigung: Anforderungen an eine Vollmacht

| Das Recht zur Zurückweisung einer Kündigung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 174 BGB) schützt das Interesse des Mieters an sicherer Kenntnis darüber, ob dem Vertreter die in Anspruch genommene Befugnis für das konkrete Rechtsverhältnis tatsächlich eingeräumt worden ist. Alle nach der beigefügten Vollmachtsurkunde verbleibenden Zweifel und Undeutlichkeiten gehen zulasten des Erklärenden. So hat es nun das Landgericht (LG) Berlin entschieden. |

Das hält daher die Zurückweisung auch bei Verwenden des Vordrucks für eine Rechtsanwaltsvollmacht für begründet, wenn diese ausschließlich den Namen des Vermieters enthält, aber jeder Hinweis auf die Person des Mieters oder auf ein konkret in Bezug genommenes Rechtsverhältnis fehlt.

Quelle | LG Berlin, Urteil vom 1.2.2024, 66 S 103/23, Abruf-Nr. 244147 unter www.iww.de

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Mietschaden: „Fenster auf“: Essensreste in Dachrinne

| Ein Mieter einer Dachgeschosswohnung entsorgte über sein Fenster Essensreste in eine Dachrinne. Das Amtsgericht (AG) Hannover hat entschieden: Der Mieter muss seine Wohnung räumen. |

Dachrinne durch Müll verstopft

Über sein Wohnungsfenster entsorgte der Mieter u. a. Nudeln, Fleisch, Gewürzgurken und Knochen. Die entsorgten Essensreste landeten in der Dachrinne und verstopften diese. Der Säuregehalt der Essenreste beschädigte die Dachrinne.

Vermieter kündigte zweimal

Die Vermieterin mahnte zunächst ab. Danach kündigte sie gegenüber dem rechtlichen Betreuer des Mieters fristlos und ordentlich.

Zudem installierte der Mieter durch einen mit einem Gitter geschützten Schacht im Bordstein eine Stromleitung für sein Mofa. Die Vermieterin kündigte daraufhin erneut.

Mietvertragliche Pflichten erheblich verletzt

Das AG überzeugte sich vor Ort, dass die Essensreste nur vom Mieter stammen können. Das Dachfenster befindet sich nur einen Meter von der Dachrinne entfernt. Andere Fenster oder Zugänge sind nicht in erreichbarer Nähe. Die Dachrinne war nur an der Stelle der gelagerten Essensreste beschädigt. Insoweit hat der Mieter durch die wiederholte Entsorgung von Essensresten über sein Wohnungsfenster die Mietsache beschädigt und damit seine mietvertraglichen Pflichten erheblich schuldhaft verletzt, sodass der Kündigungsausspruch nach gerichtlicher Überzeugung auch von einem Kündigungsgrund getragen war. Das AG gewährte dem Mieter über die noch andauernde Kündigungsfrist zum Auszug von sechs Wochen eine darüber hinausgehende Räumungsfrist von dreieinhalb Monaten.

Ein Antrag auf Räumungsschutz wurde mittlerweile zurückgewiesen.

Quelle | AG Hannover, Urteil vom 11.1.2024, 510 C 5216/23, PM vom 29.10.2024

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Vertragsklausel: Mieterhöhung: Das ist bei Indexklauseln zu beachten

| Eine im Wohnraummietvertrag vereinbarte Indexklausel, die ausschließlich eine Erhöhungsmöglichkeit vorsieht, kann nach Ansicht des Landgerichts (LG) Berlin II weder individual- noch formularvertraglich vereinbart werden. |

Nachteilsverbot beachten

Den Mietvertragsparteien sei nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 557b Abs. 1 BGB) die Vereinbarung einer näher definierten Indexmiete gestattet, allerdings nicht in Gestalt einer „upwards only“-Klausel. Das Verbot einer den Vermieter begünstigenden Einseitigkeitsklausel (sog. Nachteilsverbot) ergebe sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut. Der Gesetzgeber habe sich aber von einem entsprechenden Motiv leiten lassen, also bei fallendem Index müsse eine entsprechende Mietabsenkungsmöglichkeit eröffnet sein.

Vermieterseitige Allgemeine Geschäftsbedingung

Im Streitfall ergab sich bereits aus der Erscheinungsform des Textes und seinem Regelungsinhalt, dass es sich um von der Vermieterseite gestellte AGB handelte. In Anwendung der Unklarheitenregelung in § 305c Abs. 2 BGB war die Vertragsbedingung als eine den Mieter unangemessen benachteiligende Einseitigkeitsklausel zu werten. Aber auch eine „im Einzelnen ausgehandelte“ Individualvereinbarung sei angesichts des o. g. Nachteilsverbots unzulässig, so das LG.

Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 20.6.2024, 67 S 83/24

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Vorschusszahlungen: Wirtschaftsplan: Reichweite der Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer

| Eine im Wohnungseigentumsgesetz oder in einer Vereinbarung vorgesehene Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer umfasst sowohl die erste Beschlussfassung als auch erneute Beschlussfassungen über die bereits geregelte Angelegenheit. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt. |

Folge: Die Frage, ob die Wohnungseigentümer einmal oder mehrfach über dieselbe Angelegenheit entscheiden dürfen, betrifft nicht die Beschlusskompetenz, sondern die ordnungsmäßige Verwaltung. Der BGH weiter: Die Wohnungseigentümer können nach dem seit dem 1.12.2020 geltenden Wohnungseigentumsrecht (WEG) auch nach Ablauf des Wirtschaftsjahrs einen Zweitbeschluss über die Vorschüsse aufgrund des Wirtschaftsplans fassen. Die hierfür erforderliche Beschlusskompetenz folgt aus § 28 Abs. 1 WEG. Ein zwischenzeitlicher Eigentumswechsel lässt die Kompetenz der Wohnungseigentümer für einen Zweitbeschluss über die Vorschüsse aufgrund des Wirtschaftsplans nicht entfallen.

Schließlich werde ein Zweitbeschluss über die Vorschüsse aufgrund des Wirtschaftsplans regelmäßig nur ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen, wenn berechtigte Zweifel an der Wirksamkeit des Erstbeschlusses bestehen und schutzwürdige Belange einzelner Wohnungseigentümer hinreichend berücksichtigt werden.

Quelle | BGH, Urteil vom 20.9.2024, V ZR 235/23, Abruf-Nr. 244050 unter www.iww.de

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Verbraucherrecht

Eilantrag: Angriff auf Schul-IT: Schüler muss Schule verlassen

| Wer als Schüler über Monate den Datenbestand seiner Schule ausspioniert und verändert, darf in eine andere Schule überwiesen werden. Diese Schulordnungsmaßnahme hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in einem Eilverfahren gebilligt. |

Schüler drang widerrechtlich in Schul-IT ein

Der Antragsteller besuchte bislang das 3. Kurshalbjahr der gymnasialen Oberstufe eines Berliner Gymnasiums. Zusammen mit zwei Mitschülern hatte er im letzten Schuljahr zunächst einen schulischen Rechner so präpariert, dass das nächste eingegebene Passwort protokolliert wurde. So erlangte das Trio das Administratorpasswort, um im Anschluss einen sog. „Keylogger“ zu installieren, der das Protokollieren aller eingegebenen Passwörter ermöglichte. Hierdurch konnten sie interne Informationen im geschützten Lehrerkanal mitlesen und organisatorische Daten der Schulleitung abrufen. Daraufhin beschloss die Schulaufsicht nach Anhörung der Schulkonferenz, den Antragsteller in eine andere Schule desselben Bildungsgangs zu überweisen.

Schwerste Ordnungsmaßnahme verhängt

Der hiergegen gerichtete Eilantrag hatte keinen Erfolg. Das VG hat die Entscheidung als für einen schulpflichtigen Schüler schwerste Ordnungsmaßnahme des Berliner Schulgesetzes gebilligt. Nach diesem Gesetz könnten Ordnungsmaßnahmen unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit getroffen werden, wenn ein Schüler die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit beeinträchtigte oder andere am Schulleben Beteiligte gefährde, soweit Erziehungsmaßnahmen nicht zu einer Konfliktlösung geführt haben oder keine Aussicht auf Erfolg versprächen.

Diesen Vorgaben entspreche die getroffene Ordnungsmaßnahme, die sich im Rahmen des der Schule zustehenden pädagogischen Beurteilungsspielraums halte. Nach diesem Maßstab sei die Entscheidung nicht zu beanstanden. Das Vorgehen des Antragstellers stelle sich als schweres Fehlverhalten dar. Ein über Monate dauerndes Ausspionieren des Datenbestands der Schule beeinträchtige die ordnungsgemäße Unterrichts- und Erziehungsarbeit. Der Antragsteller sei mit krimineller Energie vorgegangen, weshalb das schulische Vertrauen in die Integrität des Antragstellers nachhaltig und irreparabel zerstört worden sei. Angesichts der Schwere des Fehlverhaltens des Antragstellers mit einer mehrere Monate währenden Verletzung der Datenschutzbelange und der Privatsphäre von Lehrkräften und der Schülerschaft habe die Schule den Schulwechsel nicht wie das Gesetz dies im Regelfall vorschreibe zuvor schriftlich androhen müssen.

Die Maßnahme, so das VG, sei auch unter Würdigung des Umstands verhältnismäßig, dass der Antragsteller sich in seinem letzten Schuljahr vor dem Abitur befinde und die ersten Abiturprüfungen bereits in wenigen Monaten anstehen, weil er sich gegenüber den Vorwürfen völlig uneinsichtig gezeigt habe.

Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 13.11.2024, VG 3 L 610.24, PM 30/24

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Betrugsmasche: Bundeszentralamt für Steuern warnt vor Betrugsversuch

| Aktuell sind betrügerische E-Mails im Umlauf, die vorgeben, vom Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zu stammen. Die Empfänger werden darüber informiert, dass ihnen angeblich ein Bescheid zugesandt wurde und aufgefordert, eine offene Steuerschuld zu begleichen. Hierfür soll ein Link geöffnet werden, um weitere Informationen zu erhalten. |

Sollten Steuerpflichtige eine solche E-Mail erhalten haben, empfiehlt das BZSt in einer Mitteilung vom 26.2.2025, den Link nicht zu öffnen und die verdächtige E-Mail unverzüglich zu löschen. Weitere Informationen u.a. die maßgeblichen Textbausteine sind unter www.iww.de/s12547 aufgeführt.

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Zustimmungsfiktionsklausel: Rückzahlung von Bankentgelten

| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat über die Rückzahlung von Bankentgelten entschieden, die aufgrund einer unwirksamen Zustimmungsfiktionsklausel vereinbart werden sollten. Sein Urteil ist verbraucherfreundlich. |

Das war geschehen

Der Kläger begehrt Rückzahlung von geleisteten Kontoführungsentgelten und Gebühren für eine Girokarte. Nach einer in den AGB der beklagten Sparkasse enthaltenen unwirksamen Regelung gilt die Zustimmung des Kunden zu angebotenen Änderungen von Vertragsbedingungen oder Entgelten für Bankleistungen als erteilt, wenn der Kunde der Beklagten seine Ablehnung nicht innerhalb einer bestimmten Frist anzeigt (Zustimmungsfiktionsklausel).

Die beklagte Sparkasse informierte den Kläger im Oktober 2017 darüber, dass für dessen zwei Girokonten ab dem 1.1.2018 Kontoführungsentgelte und Gebühren für eine Girokarte zu zahlen seien. Daraufhin kündigte der Kläger eines der Girokonten. Die Beklagte erhob ab dem 1.1.2018 eine Grundgebühr für die Führung des anderen Girokontos in Höhe von monatlich 3,50 Euro und eine Gebühr für eine SparkassenCard in Höhe von jährlich 6 Euro. Der Kläger stimmte diesen Änderungen der Bedingungen nicht aktiv zu. Die Beklagte buchte die Entgelte in der Folgezeit vom Konto des Klägers ab. Im Juli 2021 widersprach dieser der Erhebung der Entgelte. Mit seiner Klage begehrt er die Rückzahlung der in den Jahren 2018 bis 2021 erhobenen Entgelte in Höhe von insgesamt 192 Euro sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet sei, dem Kläger jeden weiteren künftigen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die Einziehung nicht vereinbarter Bankentgelte nach dem Jahr 2021 entstehe.

Das Amtsgericht (AG) und das Landgericht (LG) haben die Klage abgewiesen.

So entschied der Bundesgerichtshof

Der BGH hat die Beklagte verurteilt, an den Kläger 192 Euro zu zahlen. Der Kläger erhält die Kontoführungsentgelte und das Entgelt für die Girokarte zurück.

Der Kläger hat einen Rückzahlungsanspruch, weil die Beklagte die Entgelte ohne Rechtsgrund vereinnahmt hat. Er hat der von der Beklagten beabsichtigten Änderung der Entgeltbedingungen nicht bloß durch die fortgesetzte Nutzung des Girokontos zugestimmt. Die fortlaufende Nutzung eines Girokontos hat keinen objektiven Erklärungswert dahin, dass der Wille des Kontoinhabers neben dem Willen, einen konkreten Kontovorgang auszulösen, auch die Zustimmung zu geänderten Kontobedingungen der Sparkasse oder Bank umfasst. Der Zugang zu einem Girokonto ist in der Regel eine unabdingbare Voraussetzung für die Teilnahme am unbaren Zahlungsverkehr und von essenzieller Bedeutung für die uneingeschränkte Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Leben. Die Nutzung des Girokontos allein ist deshalb kein Ausdruck des Einverständnisses mit der Änderung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch die Sparkasse oder Bank, sondern entspricht lediglich den Erfordernissen und Gewohnheiten des modernen Geschäfts- und Wirtschaftsverkehrs im Alltag.

Die von der Beklagten erhobenen Entgelte sind auch nicht durch eine Fiktion der Zustimmung des Klägers zu den geänderten Kontobedingungen entstanden. Eine Klausel in den Geschäftsbedingungen von Banken und Sparkassen, die eine solche Fiktion vorsieht, ist im Verkehr mit Verbrauchern unwirksam.

Auch der Umstand, dass der Kläger die von der Beklagten erhobenen Entgelte über einen Zeitraum von mehr als drei Jahren widerspruchslos gezahlt hat, führt nicht dazu, dass die Sparkasse die Entgelte behalten darf, so der BGH.

Quelle | BGH, Urteil vom 19.11.2024, XI ZR 139/23, PM 219/24

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Autismus-Assistenzhund: Ein Gefährte ist kein Hilfsmittel

| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) keine Kosten für die Ausbildung eines Haushundes zum Autismus-Assistenzhund übernehmen muss. |

Kostenübernahme für Therapiehund

Geklagt hatte eine 49-jährige Frau, die sich 2016 auf Empfehlung ihrer Therapeutin einen Hund angeschafft hatte. Dies erleichterte es ihr, die Wohnung zu verlassen und soziale Kontakte zu pflegen, was ihr aufgrund ihres Autismus sonst schwerfiel. Zwei Jahre später beantragte sie bei ihrer Krankenkasse die Kostenübernahme für eine Ausbildung des Hundes zum Autismus- Assistenzhund. Das Tier sei für sie ein Gefährte, der ihr emotionalen Rückhalt und Schutz bei sozialen Kontakten biete. Bereits regelmäßige Spaziergänge oder Hundetreffen seien an sich schon gesundheitsfördernde Unterstützungen.

Krankenkasse zahlte nicht

Die Krankenkasse lehnte den Antrag ab, da die Frau auch ohne speziell ausgebildeten Hund Alltagsgeschäfte bewältigen könne und daher keine Notwendigkeit bestehe. Dagegen klagte die Frau und erwiderte, ihre Erkrankung werde nicht richtig verstanden. Sie fühle sich isoliert und traue sich ohne den Hund oft nicht aus der Wohnung. Ohne eine zertifizierte Ausbildung dürfe sie den Hund nicht überallhin mitnehmen, etwa in Supermärkte, Arztpraxen oder an ihren Arbeitsplatz.

Landesozialgericht bestätigt Krankenkasse

Das LSG hat die Rechtsauffassung der Krankenkasse bestätigt. Zur Begründung hat es darauf verwiesen, dass eine spezielle Ausbildung des Hundes schon nicht notwendig sei. Dass der Hund bewirke, dass die Klägerin häufiger das Haus verlässt, mit Menschen kommuniziert und ihr ein Sicherheitsgefühl vermittelt, treffe auf jeden Hund zu, ohne dass dies eine Zahlungspflicht der Kasse begründe. Die Klägerin verkenne den Umfang der Leistungspflicht der GKV, deren Aufgabe es nicht sei, alle Behinderungsfolgen in sämtlichen Lebensbereichen auszugleichen. Im Hilfsmittelrecht bestehe kein Anspruch auf eine Optimalversorgung, zumal die Kassen weder für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft noch zur Teilhabe am Arbeitsleben zuständig seien. Ein Gefährte möge für die Klägerin sinnvoll und nützlich sein dies führe jedoch zu keiner rechtlichen Erforderlichkeit.

Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21.10.2024, L 16 KR 131/23, PM vom 18.11.2024

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Notbehandlung: Katzenhalterin haftet für Tierarztkosten

| Wird ein erkranktes Tier von Dritten zum Tierarzt gebracht, haftet der Tierhalter für die Kosten der Notbehandlung. So sieht es das Amtsgericht (AG) München. |

Halterin nicht über Eingriff informiert

Die Beklagte ist Tierhalterin eines Katers mit den Namen Rocky. Rocky war im Mai 2022 für einige Tage abwesend und kam nicht nach Hause. Am 16.5.2022 fand eine unbekannte Person den Kater in einem bewusstlosen Zustand auf und alarmierte eine Münchener Tierrettung, die den Kater als Notfall in eine Münchener Tierklinik einlieferte. Dort wurde Rocky als Notfall tierärztlich behandelt. Da der Kater in ein Haustierzentralregister eingetragen war, konnte die Halterin des Katers verständigt werden. Diese holte Rocky am nächsten Tag ab. Durch die Behandlung waren Kosten in Höhe von 565,31 Euro entstanden, deren Übernahme die Beklagte jedoch ablehnte, da sie nicht zuvor informiert worden sei und sie Rocky zu seinem üblichen Tierarzt hätte bringen wollen.

Klage auf Zahlung der Rechnung

Die Tierklinik trat ihre Forderung an ein Abrechnungsbüro ab, das die Beklagte vor dem AG auf Zahlung der Rechnung verklagte. Das AG gab der Klage statt und verurteilte die Halterin zur Zahlung. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Forderung wirksam an die Klägerin abgetreten war, dass die Behandlung, wie behauptet, stattfand und die Kosten auch angemessen waren.

„Fremdes Geschäft“ besorgt

Zur Kostentragungspflicht der Beklagten führte es aus, dass die Tierklinik durch die Behandlung des Katers der Beklagten ein sogenanntes „fremdes Geschäft“ besorgt hat. Es handele sich bei der tierärztlichen Versorgung um ein fremdes Geschäft, da das Tier zwar auch aus eigener tierärztlicher Verpflichtung behandelt wurde, die Übernahme der Behandlung ihrer äußeren Erscheinung nach aber auch der Beklagten als Tierhalterin zugutekam. Denn die Behandlung ihres kranken Tieres ist bereits der äußeren Erscheinung nach dem Rechts- und Interessenkreis der Beklagten zuzuordnen.

Auch der Vortrag der Beklagten, sie hätte rechtzeitig über die Einlieferung des Katers informiert werden müssen, verfängt laut AG nicht. Soweit hiermit auf eine sog. „Nebenpflichtverletzung“ abgestellt werden soll, stehe dem entgegen, dass die Behandlungen des Katers nach den Zeugenaussagen, in Übereinstimmung mit der Behandlungsdokumentation, als Notfallmaßnahmen erfolgt seien.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle | AG München, Urteil vom 30.8.2024, 161 C 16714/22, PM 36/24

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Verkehrsrecht

Sorgfaltspflicht: Trotz Sondersignal langsam in die Kreuzung einfahren

| Auch wenn der Fahrer des nicht vorfahrtsberechtigten Einsatzfahrzeugs Sondersignale nutzt, muss er sich in einen Kreuzungsbereich langsam hineintasten. So sieht es das Landgericht (LG) Köln. |

Besonderheiten des Falls

Im konkreten Fall war streitig und blieb nach der Beweisaufnahme offen, ob Blaulicht und Martinshorn des Polizeifahrzeugs schon vor der Kreuzung oder erst nach Einfahrt in die Kreuzung eingeschaltet wurden. Wer das Sonderrecht der Straßenverkehrsordnung (hier: § 38 Abs. 1 StVO) für sich in Anspruch nimmt (hier das beklagte Land), muss jedoch beweisen, dass er neben dem blauen Blinklicht auch das Einsatzhorn verwendet hat. Dennoch war das Land nur bereit, 60% des Schadens zu tragen.

Sorgfaltspflichten beachten

Wer ein Sondersignal nutzt, muss sorgfältig beobachten, ob sein Signal von allen anderen Verkehrsteilnehmern wahrgenommen und beachtet wird. Bei einer Kollisionsgeschwindigkeit des Polizeifahrzeugs von 25 bis 32 km/h beim Zusammenstoß mit dem Querverkehr ist es ausgeschlossen, dass dieser Pflicht Genüge getan wurde, entschied das LG. Dementsprechend musste das Land 100 % des Schadens tragen.

Quelle | LG Köln, Urteil vom 5.12.2024, 5 O 204/23, Abruf-Nr. 245715 unter www.iww.de

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Bundesgerichtshof: Betreiber einer Waschanlage haftet für abgerissene Anbauteile

| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat über die Haftung des Betreibers einer Autowaschanlage für einen Fahrzeugschaden entschieden. |

Das war geschehen

Der Kläger verlangt Schadenersatz wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs in einer von der Beklagten betriebenen Autowaschanlage, einer sogenannten Portalwaschanlage. In der Waschanlage befindet sich ein Hinweisschild, das auszugsweise wie folgt lautet: „Allgemeine Geschäftsbedingungen Autowaschanlagen/Portalwaschanlagen: Die Reinigung der Fahrzeuge in der Waschanlage erfolgt unter Zugrundelegung der nachfolgenden Bedingungen: (…). Die Haftung des Anlagenbetreibers entfällt insbesondere dann, wenn ein Schaden durch nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder durch nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (z.B. Spoiler, Antenne, Zierleisten o.ä.) sowie dadurch verursachte Lackkratzer verursacht worden ist, außer den Waschanlagenbetreiber oder sein Personal trifft grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz.“ Unter diesem Hinweisschild befindet sich ein Zettel mit der Aufschrift: „Achtung Keine Haftung für Anbauteile und Heckspoiler!“

Der Kläger fuhr Ende Juli 2021 mit seinem Pkw in die Waschanlage ein, stellte das Fahrzeug ordnungsgemäß ab, verließ die Waschhalle und startete den Waschvorgang. Während des Waschvorgangs wurde der zur serienmäßigen Fahrzeugausstattung gehörende, an der hinteren Dachkante angebrachte Heckspoiler abgerissen, wodurch das Fahrzeug beschädigt wurde. Deswegen verlangt der Kläger von der Beklagten Schadenersatz in Höhe von insgesamt 3.219,31 Euro, eine Nutzungsausfallentschädigung (119 Euro) für den Tag der Fahrzeugreparatur sowie die Freistellung von Rechtsanwaltskosten.

Das Amtsgericht (AG) hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht (LG) die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers war erfolgreich. Sie führte zur Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

So sah es der Bundesgerichtshof

Der BGH: Dem Kläger steht wegen der Beschädigung seines Fahrzeugs gegen die Beklagte ein vertraglicher Schadenersatzanspruch in der geltend gemachten Höhe zu. Der Vertrag über die Reinigung eines Fahrzeugs umfasst als Nebenpflicht die Schutzpflicht des Waschanlagenbetreibers, das Fahrzeug des Kunden vor Beschädigungen beim Waschvorgang zu bewahren. Geschuldet sind die Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Anlagenbetreiber für notwendig und ausreichend halten darf, um andere vor Schäden zu bewahren. Hierbei trägt grundsätzlich der Gläubiger die Beweislast dafür, dass der Schuldner eine ihm obliegende Pflicht verletzt und diese Pflichtverletzung den Schaden verursacht hat. Abweichend davon muss sich allerdings der Schädiger nicht nur hinsichtlich seines Verschuldens entlasten, sondern auch darlegen und ggf. beweisen, dass ihn keine Pflichtverletzung trifft, wenn die für den Schaden in Betracht kommenden Ursachen allein in seinem Obhuts- und Gefahrenbereich liegen.

Ursache der Beschädigung liegt bei Autowaschanlage

Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die Ursache für die Beschädigung des klägerischen Fahrzeugs liegt allein im Obhuts- und Gefahrenbereich der Beklagten. Es kam zu der Beschädigung, weil die Waschanlage konstruktionsbedingt nicht für das serienmäßig mit einem Heckspoiler ausgestattete Fahrzeug des Klägers geeignet war. Das Risiko, dass eine Autowaschanlage für ein marktgängiges Fahrzeug, wie dasjenige des Klägers, mit einer serienmäßigen Ausstattung, wie dem betroffenen Heckspoiler, konstruktionsbedingt nicht geeignet ist, fällt in den Obhuts- und Gefahrenbereich des Anlagenbetreibers.

Daneben kommt keine aus dem Obhuts- und Gefahrenbereich des Klägers stammende Ursache für den Schaden in Betracht. Das Fahrzeug des Klägers war vor dem Einfahren in die Waschanlage unbeschädigt und der serienmäßige Heckspoiler ordnungsgemäß angebracht sowie fest mit dem Fahrzeug verbunden. Der Kläger, dem mit seinem marktgängigen, serienmäßig ausgestatteten und in ordnungsgemäßem Zustand befindlichen Fahrzeug von der Beklagten als Betreiberin die Nutzung der Waschanlage eröffnet wurde, konnte berechtigt darauf vertrauen, dass sein Fahrzeug so, wie es ist, also mitsamt den serienmäßig außen angebrachten Teilen, unbeschädigt aus dem Waschvorgang hervorgehen werde. Dieses Vertrauen war insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Risikobeherrschung gerechtfertigt, weil nur der Anlagenbetreiber Schadensprävention betreiben kann, wohingegen der Kunde regelmäßig sein Fahrzeug der Obhut des Betreibers überantwortet, ohne die weiteren Vorgänge selbst beeinflussen zu können. Anders als der Betreiber, der es in der Hand hat, bestimmte Fahrzeugmodelle, die er für schadensanfällig hält, von der Benutzung seiner Anlage auszuschließen und dadurch das Risiko einer Beschädigung zu verringern, ist es dem Kunden regelmäßig nicht möglich, solche Waschanlagen von vornherein zu identifizieren und zu meiden, die konstruktionsbedingt nicht geeignet sind, sein Fahrzeug ohne ein erhöhtes Schadensrisiko zu reinigen.

Heckspoiler gehörte zur Serienausstattung

Die Beklagte hat sich ferner nicht durch einen ausreichenden Hinweis auf die mit dem Waschvorgang verbundenen Gefahren entlastet. Das in der Waschanlage angebrachte, mit „Allgemeine Geschäftsbedingungen Autowaschanlagen/Portalwaschanlagen“ überschriebene Schild reicht als Hinweis schon deshalb nicht aus, weil es ausdrücklich nur „nicht ordnungsgemäß befestigte Fahrzeugteile oder (…) nicht zur Serienausstattung des Fahrzeugs gehörende Fahrzeugteile (z.B. Spoiler…)“ erwähnt. Nicht nur fällt der Heckspoiler des klägerischen Fahrzeugs nicht hierunter, weil er zur Serienausstattung gehört und ordnungsgemäß befestigt war, sondern die ausdrückliche Beschränkung auf nicht serienmäßige Fahrzeugteile ist sogar geeignet, bei dem Nutzer das Vertrauen zu begründen, mit einem serienmäßig ausgestatteten Pkw die Anlage gefahrlos benutzen zu können. Ebenso wenig stellt der darunter befindliche Zettel mit der Aufschrift „Keine Haftung für Anbauteile und Heckspoiler!“ einen ausreichenden Hinweis dar. Angesichts des darüber befindlichen Schildes mit der ausdrücklichen Beschränkung auf nicht zur Serienausstattung gehörende Teile wird für den Waschanlagennutzer schon nicht hinreichend klar, dass gegebenenfalls von diesem Hinweis auch die Nutzung der Waschanlage durch Fahrzeuge mit serienmäßigem Heckspoiler erfasst sein soll.

Quelle | BGH, Urteil vom 21.11.2024, VII ZR 39/24, PM vom 21.11.2024

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Beweisaufnahme: Mit 190 Stundenkilometern im Dunkeln auf der Autobahn

| Konnte ein Unfall vermieden werden oder nicht? Diese Frage stellt sich bei vielen Verkehrsunfällen. In einem Fall des Landgerichts (LG) Braunschweig war dies jedoch recht eindeutig. |

Am Ende der Beweisaufnahme stand fest, dass der mit 190 km/h auf der linken Spur der Autobahn im Dunklen herannahende Beklagte den Unfall mit dem Spurwechsler problemlos durch eine Bremsung mit mittlerer Intensität hätte vermeiden können. Das ist jedoch eine Frage des Einzelfalls, die nicht immer so eindeutig zu beantworten ist, wie im Fall des LG.

Das LG weiter: Als die Betriebsgefahr des Beklagtenfahrzeugs erhöhender Umstand war zu berücksichtigen, dass der Zeuge die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h mit der gefahrenen Geschwindigkeit von 190 km/h deutlich überschritten hat. Verstärkt wird diese Gefahrerhöhung dadurch, dass es zum Unfallzeitpunkt bereits dunkel war.

Quelle | LG Braunschweig, Urteil vom 24.10.2024, 4 O 1139/22, Abruf-Nr. 245330 unter www.iww.de

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Schadenersatz: Feststellungsinteresse beim Unfall mit Leasingfahrzeug

| Auch wenn noch unklar ist, ob die Ansprüche wegen der Reparaturkosten dem Leasinggeber oder dem Leasingnehmer zustehen, ergibt sich dessen schützenswertes Interesse an einer Feststellungsklage aus dem zu erwartenden Ausfallschaden während der Reparatur. So entschied es das Landgericht (LG) Halle. Denn das Gutachten weise vier Arbeitstage für die Reparatur aus. |

Haftung dem Grunde nach sollte geklärt werden

Wegen des streitigen Unfallhergangs wollte der Leasingnehmer zunächst die Haftung dem Grunde nach klären. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung reicht es für das Feststellungsinteresse aus, wenn sich in der Zukunft Schäden ergeben können.

Keine Leistungsklage erforderlich

Soweit Nutzungsausfall streitig ist, müsse ein Geschädigter bei einer noch nicht abgeschlossenen Schadensentwicklung die Klage nicht zu einer Leistungsklage wegen der bereits entstandenen Schäden und einer Feststellungsklage wegen zukünftiger Schäden aufteilen.

Quelle | LG Halle, Urteil vom 10.10.2024, 4 O 224/24, Abruf-Nr. 245717 unter www.iww.de

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Steuerrecht

Außergewöhnliche Belastung: Nachweis bei Krankheitskosten: Name muss auf dem Kassenbeleg stehen

| Aufwendungen für Krankheitskosten sind nur als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn gewisse Nachweiserfordernisse erfüllt sind. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat dargelegt, wie der Nachweis ab dem Veranlagungszeitraum 2024 zu führen ist. |

Hintergrund: Krankheitskosten können als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sein.

Ein besonderes Augenmerk muss dabei auf den Nachweis der Zwangsläufigkeit gelegt werden:

  • Bei krankheitsbedingten Aufwendungen für Arznei-, Heil- und Hilfsmittel genügt es, wenn der Steuerpflichtige eine Verordnung eines Arztes oder Heilpraktikers vorlegt. Dies regelt § 64 Abs. 1 Nr. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV).
  • Bei bestimmten Krankheitskosten ist indes ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung erforderlich. Ein solcher qualifizierter Nachweis ist z. B. bei Aufwendungen für wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethoden, z. B. Frisch- und Trockenzellenbehandlungen, erforderlich (§ 64 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStDV).

Sind Krankheitskosten als außergewöhnliche Belastung einzustufen, wartet die Hürde der zumutbaren Belastung, deren Höhe von folgenden Faktoren abhängt:

  • Gesamtbetrag der Einkünfte,
  • Familienstand und
  • Zahl der Kinder.

Erläuterungen des Bundesfinanzministeriums

Der Nachweis der Zwangsläufigkeit nach der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (hier: § 64 Abs. 1 Nr. 1 EStDV) ist bei einem eingelösten E-Rezept durch den Kassenbeleg der Apotheke bzw. durch die Rechnung der Online-Apotheke oder bei Versicherten mit einer privaten Krankenversicherung alternativ durch den Kostenbeleg der Apotheke zu erbringen.

Der Kassenbeleg (alternativ: die Rechnung der Online-Apotheke) muss folgende Angaben enthalten:

  • Name der steuerpflichtigen Person,
  • Art der Leistung (zum Beispiel Name des Arzneimittels),
  • Betrag bzw. Zuzahlungsbetrag,
  • Art des Rezeptes.

Beachten Sie | Zumindest für den Veranlagungszeitraum 2024 wird es vom BMF nicht beanstandet, wenn der Name der steuerpflichtigen Person nicht auf dem Kassenbeleg vermerkt ist.

Quelle | BMF-Schreiben vom 26.11.2024, IV C 3 – S 2284/20/10002 :005, Abruf-Nr. 245210 unter www.iww.de

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Vermieter: Erwerb einer Eigentumswohnung: anschaffungsnahe Herstellungskosten

| Nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 6 Abs. 1 Nr. 1a des EStG) werden Aufwendungen in Herstellungskosten umqualifiziert, wenn innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung des Gebäudes Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt werden, deren Nettoaufwendungen 15 % der Gebäude-Anschaffungskosten übersteigen. Die Aufwendungen sind dann nicht sofort, sondern nur über die Gebäude-Abschreibung abzugsfähig. Bei einer Eigentumswohnung sind zwei Besonderheiten zu beachten, worauf das Finanzgericht (FG) Hessen hingewiesen hat. |

Hintergrund: Maßgebend sind die Anschaffungskosten und Anschaffungsnebenkosten der angeschafften Wohnung und nicht der Wert des Gesamtgebäudes. Bei Teil- und Wohnungseigentum ist danach die einzelne Einheit und nicht das Gesamtgebäude relevant.

Abzustellen ist auf die innerhalb von drei Jahren nach Anschaffung der Wohnung angefallenen Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen des vermietenden Eigentümers einschließlich seiner anteiligen Aufwendungen für Arbeiten an den im Gemeinschaftseigentum stehenden Gebäudeteilen.

Beispiel

A erwirbt mit Wirkung zum 1.11.2023 eine Eigentumswohnung. Die Anschaffungskosten betragen insgesamt 300.000 Euro. Der Grund- und Bodenanteil beträgt 10 % = 30.000 Euro. Die Eigentumswohnung wird nach der Sanierung vermietet.

Anfang 2024 lässt A die sanitären Anlagen (Badezimmer, Gästetoilette) für 29.750 Euro erneuern und neue Türen einbauen (11.900 Euro). Zudem beteiligt er sich an der Dachsanierung (14.280 Euro). Die gesamten Aufwendungen (55.930 Euro) macht er in 2024 als sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen geltend.

Lösung: Die Nettoaufwendungen ohne Umsatzsteuer (25.000 Euro + 10.000 Euro + 12.000 Euro = 47.000 Euro) überschreiten die 15 %-Grenze von 40.500 Euro (15 % von 270.000 Euro). Somit stellen die Aufwendungen insgesamt anschaffungsnahe Aufwendungen dar. Sie sind also nicht sofort im Jahr der Zahlung als Werbungskosten abzugsfähig, sondern erhöhen die Bemessungsgrundlage für die Gebäudeabschreibung von 270.000 Euro um 55.930 Euro auf 325.930 Euro. Dies gilt auch für die Kostenbeteiligung an der Dachsanierung, die als Aufwendungen für das Gemeinschaftseigentum ebenfalls im Rahmen der Ermittlung des insgesamt entstandenen Sanierungsaufwands mit einzubeziehen sind.

Aufwendungen für Sonder- und Gemeinschaftseigentum nicht aufzuteilen

Nach Ansicht des FG Hessen dürfen die auf das im Gemeinschaftseigentum stehenden Bestandteile des Gesamtgebäudes entfallenden Aufwendungen nicht unberücksichtigt bleiben. Dies würde auch dem (mit § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG verfolgten) Vereinfachungszweck widersprechen, weil sich Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen regelmäßig zugleich auf das Sondereigentum als auch auf Bereiche des Gemeinschaftseigentums beziehen. Eine Aufteilung von hierfür einheitlich getragenen Aufwendungen wäre oft nur unter größten Schwierigkeiten möglich.

Beachten Sie | Gegen die nicht zugelassene Revision wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.

Quelle | FG Hessen, Urteil vom 18.6.2024, 4 K 1736/19, NZB BFH, IX B 86/24, Abruf-Nr. 245150 unter www.iww.de

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Keine außergewöhnlichen Belastungen: Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio

| Aufwendungen für die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio sind grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Dies gilt nach Ansicht des Bundesfinanzhofs (BFH) auch, wenn die Teilnahme an einem dort angebotenen, ärztlich verordneten Funktionstraining die Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio voraussetzt. |

Hintergrund: Außergewöhnliche Belastungen wirken sich steuerlich nur aus, soweit die zumutbare Eigenbelastung überschritten wird. Deren Höhe hängt vom Gesamtbetrag der Einkünfte, Familienstand und von der Zahl der Kinder ab.

Das war geschehen

Der Steuerpflichtigen wurde ein Funktionstraining in Form von Wassergymnastik ärztlich verordnet. Sie entschied sich für das Training bei einem Reha-Verein, der die Kurse in einem für sie verkehrsgünstig gelegenen Fitnessstudio abhielt. Voraussetzung für die Kursteilnahme war neben dem Kostenbeitrag für das Funktionstraining und der Mitgliedschaft im Reha-Verein auch die Mitgliedschaft in dem Fitnessstudio. Letztere berechtigte die Steuerpflichtige aber auch zur Nutzung des Schwimmbads und der Sauna sowie zur Teilnahme an weiteren Kursen.

Die Krankenkasse erstattete nur die Kursgebühren für das Funktionstraining. Als Krankheitskosten und damit als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigte das Finanzamt nur die Mitgliedsbeiträge für den Reha-Verein.

Alle Instanzen sind sich einig

Einen Abzug der Mitgliedsbeiträge für das Fitnessstudio als außergewöhnliche Belastung lehnten das Finanzamt, das Finanzgericht (FG) Niedersachsen und auch der BFH ab.

Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio: frei gewähltes Konsumverhalten

Mitgliedsbeiträge für ein Fitnessstudio zählen grundsätzlich nicht zu den als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennenden zwangsläufig entstandenen Krankheitskosten. Denn das mit der Mitgliedschaft einhergehende Leistungsangebot wird auch von gesunden Menschen beansprucht, z. B., um die Gesundheit zu erhalten und die Freizeit sinnvoll zu gestalten.

Die Mitgliedsbeiträge sind der Steuerpflichtigen auch nicht deshalb zwangsläufig erwachsen, weil sie dem Fitnessstudio als Mitglied beitreten musste, um an dem ärztlich verordneten Funktionstraining teilnehmen zu können.

Die Entscheidung, das Funktionstraining in dem Fitnessstudio zu absolvieren, ist in erster Linie Folge eines frei gewählten Konsumverhaltens, das nach Ansicht des BFH eine steuererhebliche Zwangsläufigkeit nicht begründen kann.

Zudem steht dem Abzug der Mitgliedsbeiträge entgegen, dass die Steuerpflichtige hierdurch die Möglichkeit erhielt, auch weitere Leistungsangebote (jenseits des medizinisch indizierten Funktionstrainings) zu nutzen. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerpflichtige (wie von ihr vorgetragen) hiervon keinen Gebrauch gemacht hat.

Quelle | BFH, Urteil vom 21.11.2024, VI R 1/23, Abruf-Nr. 246107 unter www.iww.de, PM 5/25 vom 30.1.2025

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Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht

Umsatzsteuer: Bemessungsgrundlage bei strafrechtlicher Einziehung von „Schmiergeldern“

| Strafrechtlich eingezogene Bestechungsgelder führen umsatzsteuerrechtlich dazu, dass die Bemessungsgrundlage der in strafrechtlicher Hinsicht betroffenen Umsätze auf den um die eingezogenen Bestechungsgelder geminderten Betrag zu reduzieren ist. Das hat der Bundesfinanzhof (BFG) entschieden. |

Das war geschehen

Ein Diplom-Ingenieur hatte nachhaltig und ohne Anweisung seines jeweiligen Vorgesetzten bzw. Arbeitgebers für Auftragserteilungen von beauftragten Unternehmen kostenlose Leistungen, überwiegend für den privaten Hausbau, erhalten.

Dafür wurde er wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr und Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Zusätzlich wurden die Bestechungsgelder auf gerichtliche Anordnung nach dem Strafgesetzbuch (hier: §§ 73 ff. StGB) eingezogen.

Das Finanzamt behandelte die „Schmiergeldzahlungen“ bzw. die Zuwendungen durch die beauftragten Unternehmen als Entgelte für steuerpflichtige Leistungen und unterwarf sie der Umsatzsteuer. Die vom Diplom-Ingenieur geleisteten Zahlungen an die Landesjustizkasse hinsichtlich der eingezogenen Bestechungsgelder minderten nach Ansicht des Finanzamts nicht die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer. Dies sah der BFH anders.

Eingezogene Bestechungsgelder nicht mehr zu versteuern

Zwar sind die Bestechungsgelder obgleich es sich um illegale Zahlungen handelt neben den sonstigen, dem Steuerpflichtigen für seine Dienstleistungen gewährten Entgelten umsatzsteuerrelevant. Jedoch mindern die eingezogenen Beträge die steuerliche Bemessungsgrundlage.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist eine Verminderung in diesen Fällen geboten, da ansonsten der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt wäre. Denn es käme zu einer unzulässigen Doppelbelastung des Täters:

  • Zum einen würde der durch die strafbare Handlung erlangte wirtschaftliche Vorteil durch die strafrechtliche Einziehung der Bestechungsgelder abgeschöpft.
  • Zum anderen würden die Bestechungsgelder im selben Umfang der Umsatzsteuer unterworfen.

Dabei spielt es keine Rolle, dass der strafrechtlich eingezogene Betrag in der Staatskasse verbleibt und nicht an den leistenden Unternehmer zurückgezahlt wird.

Beachten Sie | Auch eines Verweises auf das Billigkeitsverfahren, dessen Zulässigkeit im Umsatzsteuerrecht ohnehin unionsrechtlich zweifelhaft ist, bedarf es nach Ansicht des BFH nicht.

Quelle | BFH, Urteil vom 25.9.2024, XI R 6/23, Abruf-Nr. 246654 unter www.iww.de, PM 8/25 vom 20.2.2025

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Warn- und Hinweispflicht: Bank haftet nicht für einen durch Enkeltrick-Betrug entstandenen Vermögensschaden

| Eine gegen die auszahlende Bank gerichtete Schadenersatzklage eines 84-jährigen Mannes, der infolge eines Trickbetrugs 83.000 Euro an Unbekannte gezahlt hatte, blieb erfolglos. Warn- und Hinweispflichten der Geldinstitute bestehen nur bei einem massiven Verdacht auf eine Vermögensgefährdung des Kunden. Eine solche vorwerfbare Pflichtverletzung konnte das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth in einem bemerkenswerten Fall nicht feststellen. |

Hätte Bank Geld nicht auszahlen dürfen?

Der Kläger hatte am Schalter in einer Bankfiliale in Nürnberg innerhalb von 1 ½ Stunden zweimal Bargeld von seinem Konto abgehoben, insgesamt 83.000 Euro. Er begründete seine Schadenersatzklage gegen die Bank damit, dass diese durch Auszahlung des Geldes trotz offenkundiger Anhaltspunkte für einen Enkeltrick-Betrug gegen ihre vertraglichen Schutz- und Warnpflichten verstoßen habe. Die Bank hatte im Zivilprozess vorgebracht, dass ihre Mitarbeiter bezüglich des sog. Enkeltricks geschult seien und den Kläger entsprechend angesprochen hätten, der ruhig gewirkt und plausible Erklärungen abgegeben habe.

Kein massiver Verdacht

Das LG hat die Klage in erster Instanz abgewiesen. Es führte aus: Eine Aufklärungs- und Warnpflicht der Bank ist nur ausnahmsweise bei Vorliegen objektiver massiver Verdachtsmomente anzunehmen. Einen massiven Verdacht auf einen drohenden Schaden beim Kläger konnte das LG hier aber nicht feststellen.

Es war nach Einvernahme der Bankangestellten als Zeugin davon überzeugt, dass der Kläger sachlich, ruhig und unauffällig in der Bank auftrat. Weder aus dem Alter des Klägers und der Höhe des Bargeldbetrags noch aus dem Umstand, dass erst eine Übertragung von dem Sparkonto auf das Girokonto erfolgte, drängte sich der Verdacht einer Straftat auf. Bei beiden Barabhebungen hatte die Bankangestellte beim Kläger mehrfach nachfragt, ob ihm der sogenannte Enkeltrick bekannt sei, was dieser bejahte und damit entkräftete, dass er direkt mit seiner Enkeltochter gesprochen habe. Eine weitere Nachfragepflicht war von den Mitarbeitern der Bank nicht zu verlangen, so das LG.

Oberlandesgericht bestätigt Landgericht

Gegen das klageabweisende Urteil des LG hatte der Kläger Berufung zum Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg eingelegt. Auch das OLG verneinte eine Verletzung von Warn- und Hinweispflichten der Beklagten, gerade, nachdem die Möglichkeit eines Enkeltricks von der Bankangestellten angesprochen worden war. Die Bank ist vertraglich zur Auszahlung des Kontoguthabens verpflichtet und der Kunde hat über die Verwendung der ihm zustehenden Beträge keine Rechenschaft abzulegen, führte das OLG ergänzend aus.

Auf den Hinweis des OLG zur Erfolgslosigkeit der Berufung hat der Kläger sein Rechtsmittel zurückgenommen. Das Urteil des LG ist damit rechtskräftig.

Die Strafbarkeit der Trickbetrüger und etwaige zivilrechtliche Ansprüche gegen diese Personen waren nicht Gegenstand des Verfahrens.

Quelle | LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 22.7.2022, 10 O 1384/22; OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 18.11.2024, 14 U 2275/22, PM 5/25

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Bundesfinanzhof: Freiberufler und Gewerbetreibende: (kein) Wechsel der Gewinnermittlungsart

| In einem Streitfall ging es um die Zulässigkeit des Wechsels der Gewinnermittlungsart. Dabei entschied der Bundesfinanzhof (BFH), dass der Steuerpflichtige im Streitjahr die Voraussetzungen für eine Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nicht mehr erfüllte, weil er durch die Aufstellung des Jahresabschlusses sein Wahlrecht bereits ausgeübt hatte und daran gebunden war. |

Hintergrund: Die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (= Bilanzierung) ist der gesetzessystematische Regelfall. Die Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung kommt nur bei Erfüllung der im Gesetz bestimmten Voraussetzungen in Betracht.

Tatsächlich ausgeübte Gewinnermittlungsart maßgeblich

Maßgeblich für die Ausübung des Wahlrechts der Gewinnermittlungsart ist die tatsächliche Handhabung der Gewinnermittlung. Ein nicht buchführungspflichtiger Steuerpflichtiger hat sein Wahlrecht auf Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich wirksam ausgeübt, wenn er eine Eröffnungsbilanz aufstellt, eine kaufmännische Buchführung einrichtet und aufgrund von Bestandsaufnahmen einen Abschluss macht.

Die Einnahmen-Überschuss-Rechnung bzw. der Betriebsvermögensvergleich ist in dem Zeitpunkt erstellt, in dem der Steuerpflichtige sie bzw. ihn fertiggestellt hat und objektiv erkennbar als endgültig ansieht. Beweisanzeichen dafür kann sein, dass er die Gewinnermittlung durch Übersendung an das Finanzamt in den Rechtsverkehr begibt. Nach der Erstellung des Jahresabschlusses kommt die Wahl der Einnahmen-Überschuss-Rechnung somit grundsätzlich nicht mehr in Betracht.

Einmal getroffene Wahl nur in Ausnahmefällen änderbar

Die einmal getroffene Wahl der Gewinnermittlungsart ist grundsätzlich nachträglich nicht mehr änderbar. In Ausnahmefällen hat die Rechtsprechung jedoch einen solchen Wechsel zugelassen und dabei an die Grundsätze angeknüpft, die für den Wechsel der Gewinnermittlungsart in aufeinanderfolgenden Jahren gelten.

Beachten Sie | Im Streitfall war dem Steuerpflichtigen die Änderung der Wahlrechtsausübung jedoch nicht mehr möglich. Denn er hatte keinen vernünftigen wirtschaftlichen Grund dargelegt, der es rechtfertigen könnte, die gewählte Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich für dasselbe Jahr wieder zu ändern.

Allein der Umstand, dass er durch den Wechsel zur Einnahmen-Überschuss-Rechnung eine Gewinnerhöhung infolge der Außenprüfung „glätten“ wollte, reicht hierfür nicht aus. Denn damit haben sich nicht die wirtschaftlichen Verhältnisse geändert. Der Steuerpflichtige war vielmehr einem Irrtum über die steuerlichen Folgen der gewählten Gewinnermittlungsart unterlegen, der die Änderungsmöglichkeit nicht eröffnet.

Quelle | BFH, Urteil vom 27.11.2024, X R 1/23, Abruf-Nr. 246495 unter www.iww.de

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Abschließende Hinweise

Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 04/2025

| Im Monat April 2025 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |

Steuertermine (Fälligkeit):

  • Umsatzsteuer: 10.4.2025
  • Lohnsteuer: 10.4.2025

Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.

Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 14.4.2025. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.

Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):

Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig, für den Beitragsmonat April 2025 am 28.4.2025.

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Berechnung der Verzugszinsen

| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten. |

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Januar 2025 bis zum 30. Juni 2025 beträgt 2,27 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 7,27 Prozent
  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 11,27 Prozent*

* für Schuldverhältnisse, die vor dem 29.7.2014 entstanden sind: 10,27 Prozent.

Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).

Übersicht / Basiszinssätze

Zeitraum

Zinssatz

01.07.2024 bis 31.12.2024

3,37 Prozent

01.01.2024 bis 30.06.2024

3,62 Prozent

01.07.2023 bis 31.12.2023

3,12 Prozent

01.01.2023 bis 30.06.2023

1,62 Prozent

01.07.2022 bis 31.12.2022

-0,88 Prozent

01.01.2022 bis 30.06.2022

-0,88 Prozent

01.07.2021 bis 31.12.2021

-0,88 Prozent

01.01.2021 bis 30.06.2021

-0,88 Prozent

01.07.2020 bis 31.12.2020

-0,88 Prozent

01.01.2020 bis 30.06.2020

-0,88 Prozent

01.07.2019 bis 31.12.2019

-0,88 Prozent

01.01.2019 bis 30.06.2019

-0,88 Prozent

01.07.2018 bis 31.12.2018

-0,88 Prozent

01.01.2018 bis 30.06.2018

-0,88 Prozent

01.07.2017 bis 31.12.2017

-0,88 Prozent

01.01.2017 bis 30.06.2017

-0,88 Prozent

01.07.2016 bis 31.12.2016

-0,88 Prozent

01.01.2016 bis 30.06.2016

-0,83 Prozent

01.07.2015 bis 31.12.2015

-0,83 Prozent

01.01.2015 bis 30.06.2015

-0,83 Prozent

01.07.2014 bis 31.12.2014

-0,73 Prozent

01.01.2014 bis 30.06.2014

-0,63 Prozent

01.07.2013 bis 31.12.2013

-0,38 Prozent

01.01.2013 bis 30.06.2013

-0,13 Prozent

01.07.2012 bis 31.12.2012

0,12 Prozent

01.01.2012 bis 30.06.2012

0,12 Prozent

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