Ausgabe 10/2025

Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 10/2025:

Arbeitsrecht

Baurecht

Familien- und Erbrecht

Mietrecht und WEG

Verbraucherrecht

Verkehrsrecht

Steuerrecht

Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht

Abschließende Hinweise

Zum Anfang



Arbeitsrecht

Direktionsrecht: Vorwurf sexueller Belästigung am Arbeitsplatz: Konflikte im Kollegenkreis – Was ist vom Arbeitgeber zu erwarten?

| Es ist Sache des Arbeitgebers, zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren will. Liegt in Gestalt einer Konfliktlage ein hinreichender Anlass vor und ist eine vom Direktionsrecht umfasste Maßnahme geeignet, der Konfliktlage abzuhelfen, ist grundsätzlich ein anerkennenswertes Interesse gegeben, diese Maßnahme zu ergreifen. Der Arbeitgeber verletzt seinen Ermessensspielraum erst, wenn er sich bei der Konfliktlösung von offensichtlich sachfremden Erwägungen leiten lässt. So hat es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschieden. |

Das war geschehen

Das LAG musste über die Versetzung eines Arbeitnehmers aufgrund des Vorwurfs der sexuellen Belästigung entscheiden. Dabei kam es zum Ergebnis, dass die örtliche Umsetzung dem billigen Ermessen entsprochen habe.

Mehrfache sexuelle Belästigung einer Arbeitskollegin stand im Raum

Der Vorwurf der mehrfachen sexuellen Belästigung einer Arbeitskollegin und die ausgesprochene Empfehlung der Antidiskriminierungsstelle, dem Arbeitnehmer für das Büro ein Betretungsverbot auszusprechen, waren zwar Auslöser für die Umsetzungsentscheidung des Arbeitgebers. Der gerichtliche Nachweis einer sexuellen Belästigung sei aber keine Tatbestandsvoraussetzung für die Umsetzung. Daher sei es unerheblich, dass das beklagte Land in der über einem Jahr später stattgefundenen Beweisaufnahme die sexuelle Belästigung nicht habe nachweisen können. Dies ergebe sich zudem daraus, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle der Zeitpunkt sei, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen habe.

Arbeitgeber hat Ermessensspielraum

Es sei Sache des Arbeitgebers, zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren wolle. Er müsse dabei nicht zunächst die Ursachen und Verantwortlichkeiten für die entstandenen Konflikte im Einzelnen aufklären. Liege in Gestalt einer Konfliktlage ein hinreichender Anlass vor und sei eine vom Direktionsrecht umfasste Maßnahme geeignet, der Konfliktlage abzuhelfen, sei ein anerkennenswertes Interesse gegeben, diese Maßnahme zu ergreifen. Seinen Ermessensspielraum verletze der Arbeitgeber erst, wenn er sich bei der Konfliktlösung von offensichtlich sachfremden Erwägungen leiten lasse. Diese waren hier nicht gegeben.

Zwar möge der Arbeitnehmer die Umsetzung als „Strafe“ empfinden. Die Umsetzung diene aber der Befriedung des Konflikts und sei keine „Bestrafung“. Der Arbeitgeber habe sich bei der Entscheidung von zutreffenden Erwägungen leiten lassen. Eine räumliche Trennung der Protagonisten innerhalb des Projektbüros sei aufgrund dessen Größe und der gemeinsam genutzten Flächen nicht möglich. Es sei daher ermessensgerecht, dem Arbeitnehmer einen anderen Dienstort zuzuweisen.

Betriebsfrieden war gefährdet

Letztlich konnte sich das LAG nicht vorstellen, wie die Arbeitnehmerin und der Arbeitnehmer jemals wieder unbefangen hätten zusammenarbeiten können. Denn mindestens aus Sicht der Kollegin sei der Arbeitnehmer ein sexueller Belästiger. Und aus Sicht des Arbeitnehmers sei die Frau eine Falschbeschuldigerin. Dies beeinträchtige nicht nur das Verhältnis der Protagonisten untereinander, sondern in einem so kleinen Büro auch den Betriebsfrieden insgesamt.

Quelle | LAG Köln, Urteil vom 25.2.2025, 7 SLa 456/24, Abruf-Nr. 247500 unter www.iww.de

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Teilzeitbeschäftigung: Kürzung von Inflationsausgleichszahlungen bei Beamten in Elternteilzeit

| Inflationsausgleichszahlungen für Beamte in Elternteilzeit zu kürzen, ist zulässig. So sieht es das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz. |

Das Landesgesetz zur Anpassung der Besoldung 2024/2025 in Rheinland-Pfalz sah eine einmalige Inflationsausgleichszahlung von 1.800 Euro vor. Teilzeitbeschäftigte Beamte erhielten den Betrag anteilig gemäß ihrer Arbeitszeit. Berechtigt waren Beamte mit Dienstverhältnis am 9.12.2023 und mindestens einem Tag Anspruch auf Dienstbezüge zwischen dem 1.8.2023 und dem Stichtag. Die Kläger, eine Beamtin und ein Beamter, arbeiteten während ihrer Elternzeit in Teilzeit und erhielten gekürzte Zahlungen, während vollzeitfreigestellte Kollegen die volle Summe erhielten. Diese Ungleichbehandlung wurde von ihnen als verfassungswidrig gesehen.

Das VG: Der Gesetzgeber verfügt bei solchen Sonderzahlungen über einen großen Gestaltungsspielraum. Die Differenzierung zwischen vollzeitfreigestellten und teilzeitbeschäftigten Beamten ist gerechtfertigt. Während man die Höhe der Sonderzahlung für Letztere anhand des (reduzierten) Umfangs ihrer Arbeitszeit am Stichtag des 9.12.2023 errechnen konnte, war dies bei den vollständig freigestellten Beamten nicht der Fall. Vollzeit freigestellten Beamten ohne Dienstleistung hätte gemäß ihrer Arbeitszeit kein Anspruch zugestanden. Insoweit hat ein sachliches Bedürfnis bestanden, den Stichtag für sie zu verschieben. Aufgrund der unterschiedlichen Entlohnungssysteme kommt es ferner nicht darauf an, ob und unter welchen Voraussetzungen der Personengruppe der Tarifbeschäftigten Sonderzahlungen gewährt worden sind.

Quelle | VG Koblenz, Urteil vom 1.4.2025, 5 K 967/24.KO, Abruf-Nr. 247762 unter www.iww.de

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Sanktionen: Soldaten und Ehebruch

| Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat entschieden: Die Beteiligung eines Soldaten am Ehebruch zulasten eines anderen Soldaten kann disziplinarrechtliche Konsequenzen haben. |

Das war geschehen

Ein Hauptfeldwebel hatte mit der Ehefrau eines befreundeten Mannschaftssoldaten desselben Bataillons ein Verhältnis angefangen und mit ihr in der ehelichen Wohnung Geschlechtsverkehr. Dies geschah, kurz nachdem ihr Ehemann in vorläufiger Trennungsabsicht ausgezogen war. Der Hauptfeldwebel beendete die Beziehung wenige Wochen später. Die Ehe des Mannschaftssoldaten scheiterte.

Truppendienstgericht: Verstoß gegen die Kameradschaftspflicht

Das Truppendienstgericht hat gegen den Hauptfeldwebel wegen Verletzung seiner Kameradschaftspflicht ein Beförderungsverbot mit Bezügekürzung ausgesprochen. Das BVerwG hat die zugunsten des Soldaten eingelegte Berufung der Bundeswehrdisziplinaranwaltschaft überwiegend zurückgewiesen, den Fall aber etwas milder bewertet und eine mehrmonatige Kürzung der Dienstbezüge verhängt.

Bundesverwaltungsgericht: Kameradschaft ist Rechtspflicht

Das BVerwG betont, dass die Kameradschaft in der Bundeswehr nicht nur eine ethische Kategorie, sondern eine im Soldatengesetz (SG) vorgeschriebene Rechtspflicht ist. Nach dem Gesetzeswortlaut des § 12 SG beruht der Zusammenhalt in der Bundeswehr wesentlich auf Kameradschaft. Sie verpflichtet alle Soldaten, die Würde, die Ehre und die Rechte des Kameraden zu achten und ihm in Not und Gefahr beizustehen. Dies schließt gegenseitige Anerkennung, Rücksicht und Achtung fremder Anschauungen ein.

Respekt vor den Rechten der Kameraden

Der vom Gesetz geforderte Respekt vor den Rechten des Kameraden wird bei der Beteiligung an dem Ehebruch nicht gewahrt. Die Ehe von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts ist nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 1353 BGB) eine auf Lebenszeit geschlossene Gemeinschaft, die mit dem wechselseitigen Anspruch auf eheliche Treue verbunden ist. Der Gesetzgeber hat mit der Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft an diesem Ehebild festgehalten und die eheliche Treue als Wesensmerkmal der Ehe bezeichnet. Der Charakter der ehelichen Treue als gesetzliches Recht besteht unabhängig davon, dass eine gerichtliche Durchsetzung des Anspruchs ausgeschlossen ist und dass zivilrechtliche Sanktionen bei Eheverfehlungen nur selten und bei Hinzutreten weiterer Umstände etwa bei Störungen des räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe ausgesprochen werden.

Die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme ist gerechtfertigt, weil die Beteiligung am Ehebruch eine Missachtung eines Kameradenrechts im Sinne des § 12 SG ist und regelmäßig negative Auswirkungen auf den Dienstbetrieb hat. Die Missachtung der Ehe kann ebenso wie die Verletzung anderer Rechte des Kameraden das alltägliche Leben in der militärischen Gemeinschaft massiv belasten und die Bereitschaft, in Krisensituationen füreinander einzustehen, gefährden. Kaum ein anderes Verhalten zum Nachteil eines Kameraden ist stärker geeignet, Spannungen, Unruhe und Misstrauen nicht nur zwischen den Beteiligten, sondern in der Truppe allgemein auszulösen und damit den Zusammenhalt der Soldaten untereinander zu stören. Deshalb wird auch in anderen Ländern etwa in der Armee der Vereinigten Staaten von Amerika die Beteiligung am Ehebruch disziplinarrechtlich geahndet.

Das BVerwG hat an seiner bisherigen Rechtsprechung festgehalten, dass bei der Beteiligung am Bruch einer Kameradenehe grundsätzlich ein Beförderungsverbot in den Blick zu nehmen ist. Im Hinblick auf den dienstlichen Schutzzweck der Disziplinarmaßnahme ist dies allerdings nur verhältnismäßig, wenn wie hier zwischen den beteiligten Soldaten ein räumlich-dienstliches Näheverhältnis bestand und deswegen konkret nachteilige Auswirkungen auf den Dienstbetrieb drohten.

Keine Milderung der Maßnahme

Eine Milderung der Maßnahme war im vorliegenden Fall nicht deswegen veranlasst, weil der Ehebruch erst nach der räumlichen Trennung der Ehegatten stattfand. Denn die Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft erlischt nicht schon mit dem Tag der Trennung, sondern erst wenn die Ehe gescheitert ist, also wenn nicht mehr erwartet werden kann, dass die Ehegatten ihre Lebensgemeinschaft wiederherstellen. Diese Voraussetzung war wenige Tage nach der räumlichen Trennung ersichtlich nicht erfüllt. Das BVerwG hat dem angeschuldigten Hauptfeldwebel jedoch zugute gehalten, dass er sich diesbezüglich in einem wenn auch vermeidbaren Verbotsirrtum befand und dass er konstant gute dienstliche Leistungen erbrachte. Daher erschien eine Bezügekürzung am untersten Rand des gesetzlichen Rahmens ausreichend und angemessen.

Quelle | BVerwG, Urteil vom 22.1.2025, 2 WD 14.24, PM 44/25

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Baurecht

Verkehrssicherungspflicht: Absicherung einer Baustelle

| Wie muss eine Baustelle abgesichert sein, damit der Bauherr seiner ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht genügt? Diese Frage musste das Landgericht (LG) Koblenz entscheiden. |

Das war geschehen

Die Parteien stritten über von der Klägerin geltend gemachte Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld aus einem Sturz im Bereich einer Straße. Diese Straße verfügt über keinen gesondert ausgewiesenen Gehweg.

Die Beklagte führte zu diesem Zeitpunkt Straßenbaumaßnahmen auf der teilweise deutlich erneuerungsbedürftigen Straße durch. Diese führten u.a. zu einer Fräskante auf der Straße. Der betroffene Streckenabschnitt war gemäß der behördlichen Anordnung beschildert. Die Klägerin stürzte an der Fräskante und erlitt eine distale Radiusfraktur links. Sie ist der Ansicht, dass die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt habe. Auf die Fräskante sei nicht ordnungsgemäß hingewiesen worden. Die Beklagte vertritt die Auffassung, dass sie ihre Verkehrssicherungspflichten vollumfänglich erfüllt habe. Jedenfalls sei der Klägerin ein so erhebliches Mitverschulden anzulasten, dass schon aus diesem Grund der geltend gemachte Anspruch ausgeschlossen sei.

Amtsgericht: Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflicht, aber auch Mitverschulden

Das Amtsgericht (AG) hat die Beklagte verurteilt, rund 1.000 Euro sowie außergerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 272,60 Euro, jeweils zuzüglich Zinsen, an die Klägerin zu zahlen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits legte das AG den Parteien zu je 50 % auf.

Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Beklagte eine Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Es fehle an einem Schild mit ausdrücklichem Bezug zu einer Baustelle oder an einem Schild mit dem Hinweis auf Fahrbahnunebenheiten. Das AG sah zulasten der Klägerin jedoch auch ein Mitverschulden, da sie nach Überqueren der ersten Fräskante eine weitere Fräskante habe erwarten müssen.

Hiergegen wenden sich beide Parteien jeweils mit dem Rechtsmittel der Berufung und dem Ziel, mit ihren jeweiligen Anträgen vollumfänglich zu obsiegen.

Landgericht: Klage abgewiesen

Das LG hat dem Antrag der Beklagten auf Klageabweisung vollumfänglich stattgegeben und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Schmerzensgeld oder materiellen Schadenersatz gegen die Beklagte. Der Beklagten könne bereits keine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht vorgeworfen werden. Auf ein mögliches Mitverschulden der Klägerin komme es vor diesem Hintergrund schon nicht mehr an.

Grundsätzlich Verkehrssicherungspflicht bei Gefahrenquelle, …

Im Grundsatz sei der, der eine Gefahrenquelle schafft, dazu verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu vermeiden. Eine haftungsbegründende Verkehrssicherungspflicht beginne erst dort, wo auch für den aufmerksamen Verkehrsteilnehmer eine Gefahrenlage überraschend eintrete und nicht rechtzeitig erkennbar sei. Entscheidend seien daher auch die äußeren Gesamtumstände. Für Gefahrenstellen innerhalb eines erkennbaren Baustellenbereiches bedeute dies, dass nicht jede Unebenheit besonders gekennzeichnet werden müsse. Unebenheiten seien in Baustellenbereichen grundsätzlich zu erwarten. Im vorliegenden Fall habe die Beklagte den Baustellenbereich ausreichend deutlich gekennzeichnet. Bei einer Fräskante handele es sich um eine typische Baustellenunebenheit, mit der ein Fußgänger im Bereich einer Baustelle zu rechnen hätte.

… aber erkennbarer Baustellenbereich und Dunkelheit erfordern erhöhte Aufmerksamkeit

Die Sturzstelle liege auf einer untergeordneten Straße mit deutlich erkennbaren erheblichen Beschädigungen, die vor allem dem Fahrzeugverkehr gewidmet sei. Fußgänger dürften hier keinen hindernisfreien Weg erwarten, wie beispielsweise bei einer Fußgängerzone. Die Straße sei zum Zeitpunkt des Vorfalls bei Dunkelheit (20:20 Uhr an einem Februartag) nicht durchgängig beleuchtet gewesen, weswegen Fußgänger in eigener Verantwortung besonders auf den Fahrbahnbelag zu achten hätten. Durch die Aufstellung der Warnbaken mit Blinklichtern und das erkennbar vorübergehend angeordnete Einfahrtsverbot für Fahrzeuge aller Art hätte der Klägerin bewusst sein müssen, dass sie einen Baustellenbereich betrete. Wie bereits ausgeführt, habe sich der Straßenbelag schon zuvor in einem schlechten Zustand befunden. Dass bei einer Baustelleneinrichtung daher (auch) Ausbesserungsarbeiten am Straßenbelag durchgeführt werden, sei zu erwarten. Dies schließe ebenfalls Abfräsarbeiten von altem Straßenbelag mit ein.

Quelle | LG Koblenz, Urteil vom 31.1.2025, 13 S 32/24, PM des LG

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Erneuerbare Energien: Solaranlagen in Weltkulturerbe-Stadt

| Das Verwaltungsgericht (VG) Braunschweig hat die Klage zweier Hauseigentümer abgewiesen, die eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach ihres Gebäudes in der als Denkmal geschützten und von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannten Altstadt Goslars errichten wollten. |

Das VG stellte in seinem Urteil fest: Nach den geltenden Regelungen des Bundes- und Landesrechts müssen die Behörden Solaranlagen in aller Regel auf denkmalgeschützten Gebäuden genehmigen. Die Nutzung erneuerbarer Energien habe weitgehend Vorrang, in der weitaus größten Zahl der Fälle bestehe deswegen ein Rechtsanspruch auf Genehmigung von Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden. Für „atypische Situationen“ sehe das Gesetz aber Ausnahmen vor. Das gelte für besonders wertvolle Denkmäler und bei besonders schwerwiegenden Eingriffen in ein Denkmal. In diesen Fällen sei eine Abwägung erforderlich. Ein solcher (seltener) Ausnahmefall liege hier vor: Das Gebäude der Kläger sei als Bestandteil des UNESCO-Weltkulturerbes in besonderem Maße schutzbedürftig. Zusätzlich liege in der Installation der Anlage nach der fachlichen Einschätzung des zum Verfahren beigeladenen Niedersächsischen Landesamtes für Denkmalpflege (NLD) auch ein besonders schwerer Eingriff in das Denkmal vor. Das Gesamterscheinungsbild der zusammenhängenden historischen Bebauung, die den Denkmalwert hier gerade ausmache, würde nach der Darstellung des NLD durch die Installation der Solaranlage erheblich gestört werden. Das Gebäude sei aus dem öffentlichen Straßenraum heraus wahrnehmbar und die Solaranlage würde sich außerdem durch die vorgesehene dunkle Farbe deutlich von dem Dachgebilde abheben.

Das VG folgte dieser fachlichen Einschätzung. Weil hier ein besonders schutzwürdiges Denkmal (Goslarer Altstadt als Gruppendenkmal) beeinträchtigt sei und ein besonders schwerwiegender Eingriff vorliege, überwiege der Denkmalschutz in diesem besonderen Fall ausnahmsweise das Interesse an der Nutzung erneuerbarer Energien. Das VG wies auf die Präzedenzwirkung hin, die eine Genehmigung hätte: In allen Fällen dieser Art müssten dann Solaranlagen genehmigt werden; dies würde die historische Dachlandschaft der Altstadt weitgehend verändern.

Quelle | VG Braunschweig, Urteil vom 25.6.2025, 2 A 21/23, PM vom 25.6.2025

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Familien- und Erbrecht

Aggressives Verhalten: Kita-Ausschluss ohne Verwaltungsakt nicht rechtens

| Das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz hat eine Ortsgemeinde die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, einem Kindergartenkind dem Antragsteller vorläufig den Weiterbesuch einer Kindertagesstätte zu gestatten. |

Betreuungsvertrag wegen aggressivem Kind gekündigt

Die Trägerin der betroffenen Kindertagesstätte kündigte den Betreuungsvertrag mit sofortiger Wirkung, da ein Kind mehrfach aggressiv war. Das Kind erhob erfolgreich Eilantrag gegen diese Kündigung.

Erfolg mit Eilantrag

Das VG verpflichtete die Trägerin vorläufig dazu, dem Kind den Besuch der Kita zu erlauben. Die zivilrechtliche Kündigung des Betreuungsvertrags reicht nicht aus, um ein Kind von der Nutzung einer öffentlichen Einrichtung auszuschließen.

Bei der Kita handelt es sich um eine öffentliche Einrichtung. Unabhängig davon, dass die Modalitäten der Betreuung durch Betreuungsvertrag zivilrechtlich ausgestaltet worden sind, ist der Zugang zu der öffentlichen Einrichtung öffentlich-rechtlicher Natur. Das öffentlich-rechtliche Benutzungsverhältnis kann deshalb nur öffentlich-rechtlich, d. h. durch (Aufhebungs-)Verwaltungsakt beendet werden.

Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 3.4.2025, 3 L 297/25.KO, Abruf-Nr. 247766 unter www.iww.de

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Erbfall: Ausschlagungserklärung: Anfechtung „ins Blaue hinein“ ist unwirksam

| Die Anfechtung der Ausschlagung des Erbes wegen einer vermeintlichen Überschuldung des Nachlasses scheidet aus, wenn der Anfechtende seine Anfechtungsentscheidung nicht auf Basis von Fakten, sondern auf Basis von Spekulationen getroffen hat. Wird die Ausschlagung lediglich auf Verdacht hin erklärt, fehlt es letztlich auch an der erforderlichen Kausalität der Fehlvorstellung für die erklärte Ausschlagung. Dies hat das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken entschieden. |

Erbschaft wegen Überschuldung ausgeschlagen

Die Tochter des Erblassers aus dessen erster Ehe sowie deren volljähriger Sohn haben nach dessen Tod wirksam die Ausschlagung der Erbschaft bei gesetzlicher Erbfolge wegen „Schulden/private Gründe“ erklärt. Etwa zwei Monate später hat die Tochter ihre Ausschlagungserklärung zu Protokoll des Nachlassgerichts mit der Begründung angefochten, dass sie bei der Ausschlagung der Erbschaft von der Überschuldung des Nachlasses ausgegangen sei. Dies habe ihr Bruder ihr so mitgeteilt. Sie selbst habe seit 20 Jahren keinen Kontakt zu ihrem Vater gehabt. Nun habe sie durch eigene Recherchen in Erfahrung gebracht, dass ihr Vater in einem eigenen Haus gelebt habe, was sie vorher nicht gewusst habe.

Ausschlagungsanfechtung wirksam?

Im Erbscheinsverfahren stellte die Tochter des Erblassers den Antrag, einen Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge zu erteilen. Die weiteren gesetzlichen Erben stellten den Antrag, einen Erbschein nach der gesetzlichen Erbfolge unter Ausschluss der Tochter zu erteilen, weil diese die Erbschaft wirksam ausgeschlagen habe und die Anfechtungserklärung unwirksam und unbegründet sei. Diesem Antrag ist das Nachlassgericht nachgekommen und hat dabei erklärt, dass die Ausschlagungsanfechtung der Tochter des Erblassers unwirksam und unbegründet sei. Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Tochter des Erblassers, der das Nachlassgericht nicht abgeholfen hat.

Oberlandesgericht: „Nein“!

Die vom Nachlassgericht dem OLG zur Entscheidung vorgelegte Beschwerde hat das OLG zurückgewiesen, weil das Nachlassgericht zu Recht zu der Auffassung gelangt sei, dass die von der Tochter erklärte Ausschlagung der Erbschaft weiterhin wirksam ist.

Der Anfechtende sei bei einer Anfechtung einer erfolgten Erbausschlagung beweispflichtig für die Voraussetzungen der jeweiligen Anfechtungstatbestände. Hinsichtlich des geltend gemachten erheblichen Irrtums über eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses im Hinblick auf eine angenommene Überschuldung sei es zwar richtig, dass die Überschuldung eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses darstellen könne. Jedoch werde eine Fehlvorstellung darüber, dass die (Nachlass-)Verbindlichkeiten den (Aktiv-)Wert des Nachlasses übersteigen, nur dann als relevant angesehen, wenn sie darauf beruhe, dass der Ausschlagende unrichtige Vorstellungen über die Zusammensetzung des Nachlasses hatte.

Dagegen werde gemäß der vom Nachlassgericht in dem angefochtenen Beschluss zitierten Rechtsprechung ein erheblicher Irrtum über eine Überschuldung als eine verkehrswesentliche Eigenschaft des Nachlasses verneint und stattdessen ein nicht zu einer Anfechtung berechtigender Motivirrtum angenommen, wenn der Anfechtende zu seiner Vorstellung nicht aufgrund einer Bewertung ihm bekannter oder zugänglicher Fakten zu dem Ergebnis gelangt sei, sondern seine Entscheidung, die Erbschaft auszuschlagen, auf spekulativer, bewusst ungesicherter Grundlage getroffen habe.

Folge: Das Nachlassgericht habe zu Recht das Vorliegen eines zur Anfechtung berechtigten Irrtums bei der Tochter des Erblassers verneint, da diese keineswegs dargelegt und schon gar nicht bewiesen habe, dass sie die Ausschlagung wegen einer angeblichen Überschuldung des Nachlasses erst nach einer Bewertung der ihr bekannten und zugänglichen Fakten vorgenommen habe.

Quelle | OLG Zweibrücken, Urteil vom 7.3.2025, 8 W 20/24, Abruf-Nr. 248330 unter www.iww.de

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Beweislast: Vergebliche Suche nach einem Testament

| Die Suche nach einem Testament hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle beschäftigt. Das Fazit: Mit der richtigen Vorsorge lassen sich später Schwierigkeiten vermeiden. |

Nach dem Tod eines Mannes stritten seine Witwe und sein Sohn darüber, ob er ein Testament hinterlassen hatte: Die Witwe behauptete das doch gefunden hatte sie das Testament nicht. In der ersten Instanz hatte das Landgericht (LG) deshalb zehn Zeugen vernommen, die aber keine endgültige Klärung brachten. Beim OLG nahm die Frau schließlich ihre Klage zurück und erkannte den Sohn als gesetzlichen Miterben an.

Mögliche Erben tragen die Beweislast

Der Fall ist keine Seltenheit: Viele Angehörige müssen sich nach dem Tod ihres Verwandten die Frage stellen, ob es ein Testament gibt und wo es sich befindet. Auf vermeintlich sichere Orte ist dabei nicht immer Verlass. In dem entschiedenen Fall wurde vergeblich nach einem Bankschließfach gesucht, in einem anderen aktuellen Fall ebenso erfolglos in einem Waffenschrank. Für die möglichen Erben kann das entscheidend sein: Wer sich auf ein Testament berufen will, muss auch dessen Existenz und Inhalt beweisen.

Amtsgerichte und Notare bieten Sicherheit

Schutz vor Ungewissheiten bieten die Amtsgerichte (AG) und Notare. Wenn ein Testament von einem Notar errichtet oder bei einem Amtsgericht hinterlegt wird, wird das im Zentralen Testamentsregister vermerkt. Im Todesfall gibt es einen Informationsaustausch zwischen dem Standesamt, dem Testamentsregister und der Stelle, die das Testament verwahrt. Das Testament wird dann automatisch an das zuständige AG weitergeleitet, das die Erben informiert und das Testament eröffnet. Eine Hinterlegung beim AG mit Registrierung kostet 93 Euro.

Quelle | OLG Celle, PM vom 11.4.2025

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Schulverweigerer: Schulpflicht gilt auch gegen den Willen des Schulkindes

| Das Verwaltungsgericht (VG) Bayreuth hat zwei Klagen abgewiesen, mit denen sich Eltern gegen die Verpflichtung gewandt hatten, dafür Sorge zu tragen, dass ihre beiden Kinder die Schule besuchen. |

Kinder hatten selbstständig entschieden, die Schule nicht mehr zu besuchen

Die Eltern hatten dies damit begründet, dass ihre Kinder selbstständig entschieden hätten, dass sie keine Schule besuchen möchten. Ein Schulbesuch sei für die Kinder allenfalls unter bestimmten Bedingungen, insbesondere einem späteren Unterrichtsbeginn und einer geringeren Klassengröße vorstellbar. Es sei den Eltern im Rahmen einer an den Bedürfnissen ihrer Kinder orientierten gewaltfreien Erziehung trotz entsprechender Bemühungen nicht möglich, einen Schulbesuch durchzusetzen. Jedenfalls aber könne man ihnen nicht den Besuch einer bestimmten Schule vorschreiben.

Das Landratsamt Bayreuth hatte die Kläger verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die beiden Kinder am Unterricht der örtlichen Grundschule teilnehmen. Für den Fall der weiteren Weigerung wurden den Eltern mehrfach Zwangsgelder angedroht. Die Eltern hätten aus Sicht der Behörde nicht alle pädagogisch sinnvollen Mittel ausgenutzt, um den Schulbesuch ihrer Kinder durchzusetzen. Die Schulpflicht, der die Kinder unterlägen, diene nicht allein der Wissensvermittlung, sondern auch dem Erwerb von Sozialkompetenz in der Schulgemeinschaft. Zudem hätten die Kläger auch keinen Antrag auf Besuch einer anderen als der zuständigen Schule gestellt.

Klage erfolglos

Die Klagen der Eltern gegen diese Pflicht und die angedrohten Zwangsgelder blieben nach dem Urteil des VG allerdings ohne Erfolg. Die Kammer kam nach der Anhörung der Kläger in der mündlichen Verhandlung zu dem Ergebnis, dass diese sich nicht in ausreichendem Maß um die Durchsetzung der Schulpflicht bemüht hätten. Die Verpflichtung der Eltern, dafür zu sorgen, dass ihre Kinder die Schule besuchen, sei auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls verhältnismäßig. Die Schulpflicht entfalle nicht durch den entgegenstehenden Willen der Kinder.

Quelle | VG Bayreuth, Urteil vom 27.6.2025, B 3 K 24.419, B 3 K 24.420, PM vom 1.7.2025

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Mietrecht und WEG

Mietende: Auszug aus der Wohnung: Unterschriebenes Rückgabeprotokoll ist bindend

| Das Amtsgericht (AG) Hanau hat entschieden: Der Inhalt eines Zustandsprotokolls hinsichtlich der Mietwohnung bei Ein- oder Auszug, das die Parteien unterschreiben, ist bindend. Sie können daher nicht später etwas anderes behaupten. |

Das war geschehen

Die Vermieter klagten gegen die Mieterin u. a. auf Zahlung mehrerer nicht geleisteter Mieten. Bei Rückgabe der Wohnung während des Prozesses unterschrieben beide Seiten ein Protokoll, in dem die Wohnung als mangelfrei bezeichnet wurde. Die Mieterin machte geltend, sie sei während der Mietzeit zur Mietminderung berechtigt gewesen, weil die Wohnung bis zuletzt mangelhaft gewesen sei. Sie widersprach zudem der Behauptung der Vermieter, dass frühere Mängel behoben worden wären.

Amtsgericht: Rückgabeprotokoll ist für beide Seiten verbindlich

Das AG hat die ehemalige Mieterin zur Zahlung der ausstehenden Mieten verurteilt. Diese könne sich auf Mängel der Wohnung nicht berufen. Dass solche, wie sie behauptete, bis zum Schluss vorlagen, sei schon aufgrund des von beiden Seiten unterzeichneten Protokolls widergelegt, aus dem sich ein mangelfreier Zustand bei Mietende ergebe. Denn ein solches Protokoll sei als Zustandsvereinbarung für die Parteien bindend. Dessen Zweck bestehe gerade, weil die Erstellung freiwillig ist darin, den dokumentierten Zustand festzuhalten, damit später keine Seite etwas anderes behaupten kann.

Dass die Mieterin, wie sie vorträgt, bestehende Mängel nur deshalb nicht aufgenommen habe, weil sie fürchtete, von den Vermietern selbst für diese verantwortlich gemacht zu werden, steht dem nicht entgegen, weil es für die Wirksamkeit rechtsgeschäftlicher Erklärungen nicht auf die Motivation ankommt. Zugleich könne sie sich auch nicht darauf berufen, dass früher Mängel vorlagen, denn sie hat der Behauptung der Vermieter widersprochen, dass jemals Mängel behoben worden seien. Dann aber wären diese auch bei Mietende noch vorhanden gewesen, was durch das unterzeichnete Protokoll bindend widerlegt ist.

Quelle | AG Hanau, Urteil vom 11.4.2025, 32 C 37/24, PM vom 17.6.2025

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Mietvertrag: Quadratmetermiete: Tatsächliche Fläche ist entscheidend

| Ist eine echte Quadratmetermiete vereinbart etwa durch Angabe eines Mietpreises pro m² ist die Miete stets nach der tatsächlichen Fläche zu berechnen. Eine Flächenabweichung führt dann unabhängig vom Ausmaß zur Rückzahlung überzahlter Miete. So entschied es das Oberlandesgericht (OLG) Dresden. |

Tatsächliche Fläche wich von vertraglich vereinbarter ab

Der Kläger hatte Büroräume gemietet. Der Vertrag wies eine Fläche von „ca. 70 qm“ aus und bestimmte eine Miete von „EUR 5,00/qm“. Die tatsächliche Fläche betrug jedoch nur 45,6 qm. Der Vermieter verlangte monatlich 350 EUR, der Kläger begehrte Rückzahlung der Überzahlung von 120 EUR monatlich.

Quadratmetermiete vereinbart

Das OLG Dresden stellte klar: Auch wenn die Flächenangabe laut Vertrag keine Sollbeschaffenheit festlege, wurde eine Quadratmetermiete vereinbart. In diesem Fall sei die Miete unabhängig von der Abweichung stets anhand der tatsächlichen Fläche zu berechnen.

Die Rückzahlung überzahlter Miete folge aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB). Das gelte unabhängig von der 10 Prozent-Grenze, die bei einem Mangel nach § 536 BGB zu beachten wäre.

Ein Wermutstropfen für den Mieter: Seine Ansprüche waren teilweise verjährt, soweit sie das Jahr 2020 betrafen.

Quelle | OLG Dresden, Urteil vom 19.3.2025, 5 U 1633/24. Abruf-Nr. 248594 unter www.iww.de

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Schriftformerfordernis: Nebenkostenvorauszahlungen können nicht mündlich erhöht werden

| Vereinbaren Vermieter und Mieter mündlich, die Nebenkostenvorauszahlungen zu erhöhen, ist dies unwirksam. So sieht es der Bundesgerichtshof (BGH). |

Mietvertragsparteien beschlossen mündlich, die Vorauszahlungen zu erhöhen

Mieter und Vermieter vereinbarten, die Nebenkostenvorauszahlungen zu erhöhen. Dies geschah allerdings mündlich. Nachdem der Vermieter die Immobilie verkauft hatte, war der Erwerber mit der Erhöhung nicht einverstanden.

Erwerber war nicht einverstanden

Später verkaufte der Vermieter das Grundstück. Der Erwerber meinte jedoch, die o. g. Vereinbarung sei formunwirksam. Daher reduzierte er die Höhe der Vorauszahlungen.

Mieter klagte

Der Mieter wollte dies nicht akzeptieren. Schließlich musste der BGH entscheiden. Er sah die Veränderung der Nebenkostenvorauszahlungen als formbedürftig an, da sie wesentlicher Bestandteil der Miete sind.

Der BGH stellte kalt, dass auch der Erwerber eines Grundstücks, der in einen bestehenden Mietvertrag eintritt, genau wissen muss, wie hoch die Miete inklusive der Nebenkostenvorauszahlung ist. Nur so kann er seine Rechte als Vermieter wahrnehmen. Der BGH nannte als Beispiel den Fall, dass ein Vermieter einem Mieter wegen Mietrückständen kündigen möchte. Dann muss er durch schriftliche Urkunden zuverlässig informiert sein.

Quelle | BGH, Beschluss vom 14.5.2025, XII ZR 88/23

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Verbraucherrecht

Formerfordernis: Kein wirksamer Reisevertrag bei irreführender Gestaltung der Website

| Online geschlossene Verträge beschäftigen die Rechtsprechung immer wieder. So wie in einem aktuellen Fall des Amtsgerichts (AG) München, das bereits den Vertragsschluss als nicht zustande gekommen betrachtete. |

Reisebuchung über Website

Eine Frau besuchte im November 2021 die Website der Beklagten, um nach Reisen im Dezember 2021 zu suchen. Unter den Suchergebnissen befand sich eine Reise nach Dubai für zwei Personen. Die Klägerin gab die Personendaten ein, um den endgültigen Reisepreis zu erfahren.

„Jetzt-kaufen“-Button

Anschließend wurde die Frau auf eine Website weitergeleitet, die Hinweise zur Unterrichtung von Reisenden bei einer Pauschalreise enthielt. Darunter befand sich ein farblich abgesetzter Kasten mit dem Text „Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ akzeptieren Sie die AGB […]. Zudem bestätigen Sie die Richtigkeit der angegebenen Buchungsdaten und dass Sie die Pass-, Visa- Einreise- und Impfbestimmungen, sowie das Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise erhalten haben.“ Hierunter befand sich der Button „Jetzt kaufen“ mit dem Symbol eines Einkaufswagens daneben. Die Frau klickte auf die Schaltfläche „Jetzt kaufen“ und verließ anschließend die Website.

Am selben Abend erhielt die Frau eine Buchungsbestätigung und Zahlungsaufforderung der Beklagten für eine Reise nach Dubai zu einem Preis von 2.834 Euro. Da die Frau die Zahlung verweigerte, stornierte die Beklagte die Reise und stellte eine Storno-Gebühr in Höhe von 2.692,30 Euro in Rechnung. Diese bezahlte die Frau unter Vorbehalt.

War ein Vertrag geschlossen worden?

Die Frau meint, es sei kein Vertrag zwischen ihr und der Beklagten zustande gekommen, da die Gestaltung der Website nicht den gesetzlichen Anforderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 312j Abs. 3 BGB) entspreche. Sie verklagte das Reiseunternehmen daher vor dem AG auf Rückzahlung der 2.692,30 Euro.

Amtsgericht gab der Frau Recht

Das AG gab der Frau Recht und verurteilte die Beklagte dazu, den Betrag nebst Zinsen zu zahlen. Zwischen den Parteien, so das AG, wurde schon kein wirksamer Vertrag im Sinne des § 651a Abs. 1 BGB geschlossen. Für den Abschluss eines Vertrags bedarf es zweier übereinstimmender Willenserklärungen Angebot und Annahme.

Es lag nach Ansicht des AG kein Angebot der Beklagten in dem Zurverfügungstellen der Internetseite mit dem Button „Jetzt kaufen“ vor. Unstreitig hat die Frau zwar auf diesen Button geklickt. Die Gestaltung der Website der Beklagten vor Bestellabschluss genügte aber nicht den Anforderungen des § 312j Abs. 3 BGB. Denn zwar weist der Text des Buttons „Jetzt kaufen“ auf die Entgeltlichkeit des zu schließenden Vertrags hin. Allerdings kann das Symbol eines Einkaufswagens neben dem Schriftzug dahingehend verstanden werden, dass der Kunde durch das Klicken auf den Button erst seinen Warenkorb befüllt und sich nicht schon am Ende des Buchungsprozesses befindet.

Text war irreführend

Außerdem, so das AG, ist der Text „Mit Klick auf „Jetzt kaufen“ akzeptieren Sie die AGB. Zudem bestätigen Sie die Richtigkeit der angegebenen Buchungsdaten und dass Sie die Pass-, Visa- Einreise- und Impfbestimmungen, sowie das Formblatt zur Unterrichtung des Reisenden bei einer Pauschalreise erhalten haben“ irreführend. Denn durch Auslegung ergibt sich, dass der Kunde durch das Klicken auf den „Jetzt kaufen“ – Button lediglich AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptiert, sowie die Richtigkeit der eingegebenen Daten [und] den Erhalt des Formblatts bestätigt. Von der Abgabe einer abschließenden Willenserklärung nach § 145 BGB wegen einer Reise ist dem Text nichts zu entnehmen. Vielmehr legt der Text nahe, dass bei Fortsetzung des Buchungsprozesses noch weitere Erklärungen abzugeben sind. Außerdem fehlt eine Übersicht über die zu buchenden Reise sowie eine Preisangabe.

Ein bindendes Angebot der Beklagten sah das Gericht jedoch in der übersandten Buchungsbestätigung. Dieses wurde aber von der Frau nicht angenommen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle | AG München, Urteil vom 26.1.2023, 191 C 1446/22, PM 15/25

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Wohnungsauflösung: Kein Anspruch des Entrümpelungsunternehmens auf Sensationsfund

| Das Landgericht (LG) Köln hat die Klage der Inhaberin einer Entrümpelungsfirma gerichtet auf Zahlung eines Teilbetrags (100.000 Euro) für in der Wohnung entdecktes Bargeld von über 600.000 Euro als auch Finderlohn abgewiesen. Insbesondere vertragliche Ansprüche würden ausscheiden, da eine Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) des Entrümpelungsunternehmens unwirksam sei, dass mit Beginn der Tätigkeit alle in dem Auftragshaushalt befindlichen Gegenstände in das Eigentum des Auftragnehmers übergehen. Das LG hat zudem festgestellt, dass der Inhaberin auch keine weiteren Ansprüche auf Zahlung wegen des Bargeldes sowie auf Herausgabe von Schmuck und Münzen oder entsprechenden Wertersatz zustehen. |

Das war geschehen

Die Klägerin betreibt in Bayern ein Unternehmen zur Entrümpelung von Wohnungen. Die Beklagte, für die eine Betreuung angeordnet ist, lebte bis zum Jahr 2022 in Bayern. Nachdem der ebenfalls unter Betreuung stehende Lebensgefährte nicht mehr in der Wohnung leben konnte, wollte die Beklagte nach Köln ziehen. Die Beklagte, vertreten durch ihren Betreuer, beauftragte die Klägerin mit der Entrümpelung der im Eigentum der Beklagten stehenden Wohnung gegen Zahlung von knapp 2.900 Euro.

Vereinbarung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen

Die Parteien vereinbarten die Geltung der AGB der Klägerin. Darin ist u. a. geregelt: „Bei all unseren angebotenen Leistungen, […] sind in den Räumlichkeiten befindliche Wertgegenstände vorab vom Auftraggeber (Kunden) zu entfernen bzw. sicherzustellen. Mit Beginn der Tätigkeit gehen alle in dem Auftragshaushalt befindlichen Gegenstände in das Eigentum des Auftragnehmers über. Die weitere Verwertung obliegt dem Auftragnehmer.“

Erhebliche Bargeldsumme und Schmuck

Für den Betreuer der Beklagten übergab die Betreuerin des Lebensgefährten die von ihr durchgesehene Wohnung an die Klägerin. Die Klägerin und ihre Mitarbeiter räumten zunächst die Wohnung, in der sie unter anderem in Windelpackungen und an anderen streitigen Orten Bargeld in Höhe von 557.000 Euro sowie Schmuck und Münzen mit einem durchschnittlichen Verkehrswert von 29.017 Euro bis 32.017 Euro fanden. Bargeld, Schmuck und Münzen wurden auf Wunsch des Betreuers der Beklagten an die Betreuerin des Lebensgefährten herausgegeben. Ebenso geschah es mit später im Keller der Wohnung in einem Koffer aufgefundenem weiteren Bargeld in Höhe von 66.500 Euro. Die Parteien verständigten sich wegen des Mehraufwands der Klägerin bezüglich der Abwicklung von Bargeld, Schmuck und Münzen auf die Zahlung von Mehrvergütung in Höhe von 2.000 Euro zzgl. Umsatzsteuer. Außergerichtliche Aufforderungen der Klägerin auf Auszahlung des aufgefundenen Geldbetrags und des Schmucks seitens der Beklagten blieben erfolglos.

So sah es das Landgericht

Mit der Klage nimmt die Klägerin die Beklagte wegen des aufgefundenen Bargelds und Finderlohns auf einen Teilbetrag von 100.000 Euro in Anspruch. Sie ist insbesondere der Ansicht, dass ihr ein Anspruch darauf aufgrund der Regelung in ihren AGB zustehe. Der Betreuer der Beklagten habe bei der Durchsicht der Wohnung vor Übergabe an die Klägerin seine Pflichten verletzt. Zudem behauptet sie, sie habe Geld, Schmuck und Münzen nur herausgegeben, um für eine sichere Verwahrung zu sorgen, nachdem was die Beklagte in Abrede stellt eine Bank die Annahme verweigert habe. Dieser Argumentation ist das LG nicht gefolgt. Zur Begründung führte das LG insbesondere aus, dass der Klägerin aus dem Vertrag keinerlei Ansprüche zustehen würden. Die in ihren AGB verwendete, o. g. Klausel sei unwirksam, weil sie eine Erklärung des Auftraggebers, hier die für einen Eigentumsübergang notwendige Übereignungserklärung fingiere, ohne dem Auftraggeber die Abgabe einer ausdrücklichen Erklärung zu eröffnen und ihn unangemessen benachteilige.

Eigentumsverhältnisse eindeutig

Mögliche Ansprüche auf Herausgabe des Geldes aus Eigentumsgesichtspunkten nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 985 BGB) lehnt das LG ebenso ab, da die Klägerin ihr Eigentum jedenfalls aufgrund der Einzahlung des Bargelds bei einem Kreditinstitut verloren habe. § 985 BGB begründe keinen Anspruch auf einen entsprechenden Geldwert (sog. Geldwertvindikation). Bereicherungsansprüche stünden der Klägerin aufgrund der erläuterten Rechtslage ebenfalls nicht zu, weil der Beklagten als Eigentümerin von Bargeld, Schmuck und Münzen diese zugestanden hätten, die Übergabe durch die Klägerin also nicht ohne Rechtsgrund erfolgt sei und die Beklagte auch nichts auf Kosten der Klägerin erlangt habe.

Quelle | LG Köln, Urteil vom 8.5.2025, 15 O 56/25, PM vom 2.6.2025

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Multiple Sklerose: Krankenkasse muss Neurostimulationsanzug nicht bezahlen

| Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen hat entschieden: Einen Ganzkörper-Neurostimulationsanzug für Patienten mit Multipler Sklerose (MS) muss die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) nicht übernehmen. |

Therapieansätze halfen nicht

Geklagt hatte eine 44-jährige Frau, die seit über 20 Jahren an MS erkrankt ist. Trotz verschiedener Therapieansätze verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand fortschreitend. Seit Anfang 2024 benötigte sie einen Rollator, seit Ende des Jahres einen Rollstuhl.

Bereits im Jahr 2023 beantragte sie bei ihrer Krankenkasse die Kostenübernahme für einen „Exopulse“ Neurostimulationsanzug zur Aktivierung der geschwächten Muskulatur. Die Kasse lehnte den Antrag ab, da das Produkt bislang noch nicht das vorgesehene Bewertungsverfahren durchlaufen habe.

Anzug auf eigene Kosten beschafft, Kostenersatz eingeklagt

Die Frau beschaffte sich den Anzug daraufhin aus eigenen Mitteln und verlangte die Erstattung der Kosten in Höhe von 8.700 Euro. Zur Begründung verwies sie auf positive persönliche Erfahrungen mit dem Produkt. Es handele sich um den ersten elektronisch betriebenen Neuromodulationsanzug zur Verbesserung von Mobilität und Gleichgewicht sowie zur Reduzierung von Spastiken. Studien hätten zudem als sekundäre Effekte ein gesteigertes allgemeines Wohlbefinden sowie eine Verbesserung der Schlafqualität belegt. Auch ihr Fatigue-Syndrom habe sich durch die Anwendung des Anzugs deutlich gebessert.

Landessozialgericht bestätigt Rechtsauffassung der Krankenkasse

Das LSG hat die Rechtsauffassung der Krankenkasse bestätigt. Der Anzug sei aufgrund seiner Wirkungsweise als Hilfsmittel zur Krankenbehandlung zu qualifizieren, das einen kurativen Zweck verfolge. Solche Produkte dürften nur zulasten der GKV abgegeben werden, wenn sie als neue Behandlungsmethode anerkannt seien. Voraussetzung hierfür sei eine positive Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen, die medizinische Notwendigkeit sowie die Wirtschaftlichkeit der Methode auch im Vergleich zu bereits von der GKV übernommenen Verfahren. Eine solche Empfehlung liege bislang nicht vor. Die Gerichte dürften eine entsprechende Bewertung nicht vorwegnehmen.

Quelle | LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 14.5.2025, L 16 KR 315/24, PM vom 19.5.2025

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Verbraucherschutz: Fehlende Widerrufsbelehrung kostet Gartenbauer den gesamten Lohn

| Das Landgericht Frankenthal (LG) hat einen Fall entschieden, der in manchem Handwerksbetrieb für Aufsehen sorgen dürfte. Einem Handwerker, der einen Verbraucher nicht über sein Widerrufsrecht belehrt, steht im Fall des Widerrufs auch nach vollständig erbrachter Arbeit kein Geld zu. Das LG hat deshalb die Klage eines Gartenbauers auf Zahlung des kompletten Werklohns abgewiesen. |

Streit um Rechnung

Im April 2024 bestellte der Besitzer eines großen Gartens den Gartenbauer auf sein Grundstück. Vor Ort gab der Gartenbesitzer umfangreiche Arbeiten an dem völlig verwilderten Gelände in Auftrag. Nach Abschluss der Arbeiten stellte der Gartenbauer seine Rechnung in Höhe von knapp 19.000 Euro. Es kam aber zum Streit über den vereinbarten Stundensatz sowie die Frage, ob die erstellte Rechnung prüffähig sei. Der Gartenbesitzer verweigerte schließlich die Zahlung und widerrief den Vertrag im September 2024.

Auftraggeber durfte sich auf Widerrufsrecht berufen

Das LG gab dem Gartenbesitzer vollumfänglich Recht. Da er als Verbraucher anzusehen sei und sämtliche Arbeiten außerhalb von Geschäftsräumen in Auftrag gegeben wurden, stehe ihm ein gesetzliches Widerrufsrecht zu. Die grundsätzlich mit Vertragsschluss beginnende vierzehntägige Widerrufsfrist habe nicht zu laufen begonnen, weil der Gartenbauer den Verbraucher nicht darüber belehrt habe. Es gelte in diesem Fall eine Höchstfrist von einem Jahr und vierzehn Tagen für den Widerruf, die vorliegend eingehalten worden sei. Der Anspruch des Werkunternehmers auf Werklohn sei dadurch vollständig entfallen. Wegen der unterlassenen Belehrung könne er auch keinen Wertersatz oder einen sonstigen Ausgleich für seine Arbeit verlangen. Denn das europäische Verbraucherschutzrecht verlange bei einer unterlassenen Widerrufsbelehrung eine Sanktion von Unternehmern, um sie zur ordnungsgemäßen Belehrung anzuhalten, so das LG unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).

Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 15.4.2025, 8 O 214/24, PM vom 29.4.2025; EuGH, Urteil vom 17.5.2023, C-91/22

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Verkehrsrecht

Geschwindigkeitsverstoß: Rüge eines „lückenhaften“ Messprotokolls

| Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die Rechtsbeschwerde eines Betroffenen gegen seine Verurteilung wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes zu einer Geldbuße von 1.000 Euro nebst Fahrverbot von zwei Monaten verworfen. Aus Anlass des Verfahrens hat es grundsätzliche Ausführungen zur Rüge eines „lückenhaften“ Messprotokolls gemacht. |

Geldbuße und Fahrverbot

Gegen den Betroffenen war wegen Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 40 km/h eine Geldbuße in Höhe von 520 Euro festgesetzt und ein Fahrverbot von einem Monat angeordnet worden. Bei erlaubten 50 km/h war der Betroffene nach Abzug der Toleranz 90 km/h gefahren. Auf seinen Einspruch hin hatte das Amtsgericht (AG) den mehrfach vorbelasteten Betroffenen zu einer Geldbuße von 1.000 Euro und einem Fahrverbot von zwei Monaten verurteilt.

Rechtsbeschwerde ohne Erfolg

Die gegen dieses Urteil gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen hatte vor dem zuständigen OLG keinen Erfolg. Das Urteil lasse keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen erkennen. Das gelte insbesondere für die Würdigung des Verhaltens als vorsätzlicher Verstoß und daran anknüpfend die verschärfte Ahndung mit einer Geldbuße von 1.000 Euro.

Der vom Betroffenen gerügte Umgang mit „lückenhaften“ Messprotokollen erschöpfe sich in einer bloßen Behauptung und begründe ebenfalls keinen Rechtsfehler. Es fehle ein konkreter Bezug zum Fall. Auffälligkeiten und/oder Besonderheiten in der sog. Falldatei, die in einem Kontext zum Messprotokoll gesehen werden könnten, würden nicht dargestellt. Das in Bezug genommene Fallbild weise ebenfalls keinerlei Auffälligkeiten auf. „Es zeigt lediglich einen einsamen Fahrer, der mit entspanntem Gesicht und gemessenen 90 km/h kurz nach Mitternacht durch die Innenstadt von Kassel rast“, konkretisierte das OLG.

Oberlandesgericht: Grundsätze zu „lückenhaften“ Messprotokollen

Das OLG nahm die Entscheidung zum Anlass, grundsätzliche den Umgang mit „lückenhaften“ Messprotokollen zu erläutern. Messprotokolle könnten als amtliche Urkunden in Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren verlesen werden und damit die Einvernahme von Zeugen ersetzen. Sofern Messprotokolle nicht den verbindlichen Vorgaben entsprächen, müsse der Messbeamte als Zeuge vernommen werden.

Entscheidend sei nicht die formale Dokumentation, sondern die materielle Richtigkeit der Handlung, betonte das OLG. Erinnere sich der Messbeamte an die häufig schon Monate zurückliegende Messung nicht mehr, liege keine standardisierte Messung mehr vor. Das Gericht müsse dann eine volle Beweiswürdigung u.a. unter Bewertung der vom Messgerät erzeugen Falldatei vornehmen. Dabei sei es eine Grundanforderung an die Verteidigung, aus der Falldatei heraus dem Gericht vor der Hauptverhandlung konkrete Auffälligkeiten zu zeigen. Nur dann sei das Gericht verpflichtet, diesen konkret dargelegten Auffälligkeiten nachzugehen.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 15.5.2025, 2 Orbs 69/25, PM vom 5.6.2025

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Kaufvertrag: Unfallfreiheit: Wenn Annonce und Vertragsunterlagen sich widersprechen

| Ein Verbrauchsgüterkauf und die Anforderungen an die vorvertragliche Informationspflicht des verkaufenden Unternehmers gegenüber dem kaufenden Verbraucher beschäftigte das Landgericht (LG) Kiel. |

In der Annonce war das Fahrzeug ohne Hinweis auf einen Unfallschaden angepriesen. Im Kaufvertrag und in der vorvertraglichen Information fand sich der Vermerk „entgegen der Annonce Unfallschaden lt. Vorbesitzer“. Genügt das für die wirksame negative Beschaffenheitsvereinbarung?

„Nein“, sagt das LG. Diese Angabe hätte zum einen hervorgehoben, also quasi unübersehbar gestaltet werden müssen. Zum anderen hätte genauer über Art und Umfang des Vorschadens aufgeklärt werden müssen.

Quelle | LG Kiel, Urteil vom 8.5.2025, 6 O 276/23, Abruf-Nr. 248383 unter www.iww.de

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Fahrradunfall: Schmerzensgeldanspruch gegen Baufirma wegen Verstoß gegen Verkehrssicherungspflichten

| Ein Mann stürzte an einer Baustelle mit seinem Fahrrad. Er verlangte vom Bauunternehmen Schmerzensgeld. Zu Recht, urteilte das Amtsgericht (AG) München. |

Der Mann fuhr mit dem Fahrrad zu seinem Büro und musste dabei an einer Baustelle einen mit Kies gefüllten, 133cm breiten und 4 bis 5cm tiefen Spalt quer über die Fahrbahn überqueren. Als er nach rechts dem Gegenverkehr auswich und den Spalt daher diagonal querte, stürzte er. Da der Mann seit einem halben Jahr den Spalt auf dem Weg zum Büro täglich querte, war ihm dieser bekannt. Er behauptete, aufgrund des Spalts gestürzt zu sein. Die Baustelle sei nicht abgesichert gewesen. Er habe Schürfwunden an Ellenbogen, Hüfte und Knie erlitten. Zudem hätten sich bereits mehrere Personen bei der Stadt München über die Baustelle beschwert. Der Mann verklagte die Baufirma darauf, Schmerzensgeld in Höhe von 1.000 Euro zu zahlen.

Das AG ging davon aus, dass der Mann aufgrund des Spalts stürzte und sprach ihm ein Schmerzensgeld von 300 Euro zu. Die Baufirma beauftragte zwar einen Subunternehmer mit den Straßenarbeiten und delegierte dadurch ihre sog. Verkehrssicherungspflichten, sie trafen aber weiter Kontroll- und Überwachungspflichten. Da die Stadt die Firma mehrfach aufgefordert hatte, den Spalt zu versiegeln, kam diese ihren Verkehrssicherungspflichten nicht nach.

Bei der Höhe des Schmerzensgelds war allerdings das erhebliche Mitverschulden des Mannes an der Schadensentstehung zu berücksichtigen. Denn er war sehenden Auges ein für jedermann erkennbares Risiko eingegangen, indem er die mit Schotter gefüllte Rille diagonal mit dem Fahrrad überquerte. Der Mann fuhr auf dem Weg zur Arbeit täglich zwei Mal über die Rille. Es wäre ihm bei angepasster Fahrweise durchaus zuzumuten gewesen, vor der Rille anzuhalten, zumal gleichzeitig Gegenverkehr entgegenkam, dem er ausweichen musste, und sich die Unfallstelle kurz vor einer Kreuzung befand.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle | AG München, Urteil vom 11.10.2024, 231 C 10902/24, PM 11/25

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Haftung: Auffahrunfall nach abgebrochenem Spurwechsel auf der Autobahn

| Der grundsätzlich gegen den Auffahrenden sprechende Anscheinsbeweis ist entkräftet, wenn das vorausfahrende Fahrzeug im unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Unfall einen bereits zur Hälfte vollzogenen Fahrstreifenwechsel unvermittelt abbricht, wieder vor dem auffahrenden Fahrzeug einschert und dort sein Fahrzeug zum Stillstand abbremst. In dieser Situation ist eine Haftungsverteilung von 50% zu 50% gerechtfertigt, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main. |

Auffahrunfall auf der Autobahn

Der Fahrer eines bei der Klägerin versicherten Ford Ranger befuhr im Sommer 2021 zunächst den linken von drei Fahrspuren der BAB 45. Aufgrund einer Baustelle verengte sich die Fahrbahn auf zwei Fahrspuren. Der Fahrer begann, auf den mittleren Streifen zu wechseln. Wegen des dortigen Verkehrsaufkommens fuhr er, nachdem er ca. zur Hälfte auf der mittleren Fahrspur angelangt war, ebenso wie das vorausfahrende Fahrzeug, wieder auf die linke Spur. Auf der linken Spur bremste das vorausfahrende Fahrzeug bis zum Stillstand ab. Der Fahrer des Ford bremste ebenfalls für max. 1 Sekunde bis zum Stillstand ab. Der hinter dem Ford auf der linken Spur befindliche Beklagte kollidierte mit dem klägerischen Fahrzeug. Der Schaden am klägerischen Schaden beläuft sich auf knapp 60.000 Euro.

So verteilt das Oberlandesgericht die Haftung

Das Landgericht (LG) hatte der Klage auf Basis einer Haftung von 80% stattgegeben. Die hiergegen eingelegte Berufung führte zu einer Haftungsquote des Beklagten von 50%.

Der grundsätzlich gegen den Auffahrenden geltende Anscheinsbeweis greife vorliegend nicht ein, begründete das OLG die Entscheidung. Sowohl die unklare Verkehrslage als auch der atypische Geschehensablauf stünden dem Anscheinsbeweis entgegen.

Zudem spreche gegen den Anscheinsbeweis, dass der Fahrer des klägerischen Fahrzeugs im unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Unfall einen bereits zur Hälfte vollzogenen Fahrstreifenwechsel unvermittelt abgebrochen habe. Der Fahrer des Ford habe selbst bekundet, das Beklagtenfahrzeug auf der linken Spur nicht gesehen zu haben. Dies spreche dagegen, dass er sich vor dem von der Klägerin als „Schlenker“ bezeichneten Manöver durch Rückschau über den rückwärtigen Verkehr auf der linken Spur versichert habe. Weder vorgetragen noch ersichtlich sei zudem, dass der Fahrer des Ford vor dem Einscheren auf die linke Spur geblinkt und so für den nachfolgenden Verkehr den Abbruch des zunächst begonnenen Fahrstreifenwechsels angezeigt habe. „Der zeitliche und örtliche Zusammenhang mit dem gescheiterten Fahrspurwechsel liegt ersichtlich noch vor und wurde durch den kurzzeitigen Stillstand des Fahrzeugs von einer halben bis maximal einer Sekunde nicht aufgehoben“, führte das OLG weiter aus.

Hälftige Haftungsverteilung

Gegen ein alleiniges Verschulden des Fahrers des Fords spreche allerdings die unklare Verkehrslage im Hinblick auf das Enden der vom Beklagten benutzten Fahrspur sowie das starke Verkehrsaufkommen. Bei Letzterem sei auch „mit dem abrupten Abbremsen vorausfahrender oder die Spur wechselnder Fahrzeuge jederzeit zu rechnen“ gewesen, erläuterte das OLG die vorgenommene Haftungsverteilung von 50% zu 50%.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 29.4.2025, 9 U 5/24, PM 38/25

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Steuerrecht

Doppelte Haushaltsführung: Kostenbeteiligung für Lebensführung bei Ein-Personen-Haushalt irrelevant

| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat eine steuerzahlerfreundliche Entscheidung getroffen: Führt der Steuerpflichtige im Rahmen einer doppelten Haushaltsführung am Ort des Lebensmittelpunkts einen Ein-Personen-Haushalt, stellt sich die Frage nach der finanziellen Beteiligung an den Kosten der Lebensführung nicht. |

Hintergrund: Notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen, können als Werbungskosten steuerlich abgesetzt werden.

Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt. Hierbei darf sich der Lebensmittelpunkt nicht am Beschäftigungsort befinden.

Zudem ist die einschlägige Vorschrift des Einkommensteuergesetzes (hier: § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 3 EStG) zu beachten: „Das Vorliegen eines eigenen Hausstandes setzt das Innehaben einer Wohnung sowie eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung voraus.“ Um diese Voraussetzung ging es im Fall des BGH.

Das war geschehen

Der 1986 geborene Steuerpflichtige bewohnte das Obergeschoss im Wohnhaus seiner Eltern und zwar allein und unentgeltlich. Zudem hatte er am Ort seiner nichtselbstständigen wissenschaftlichen Tätigkeit eine Unterkunft und machte Kosten für eine doppelte Haushaltsführung geltend. Das Finanzamt erkannte die doppelte Haushaltsführung allerdings mangels finanzieller Beteiligung am Haushalt der Eltern nicht an und berücksichtigte nur Fahrtkosten als Werbungskosten. So sah das auch das Finanzgericht (FG) München, nicht aber der BFH, der die Vorentscheidung aufhob.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Wohnung, die der Steuerpflichtige außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte innehat, seinen Erst- oder Haupthaushalt darstellen muss (Stichwort: Lebensmittelpunkt). Es ist entscheidend, dass sich der Steuerpflichtige in dem Haushalt im Wesentlichen nur unterbrochen durch die arbeits- und urlaubsbedingte Abwesenheit aufhält. Allein das Vorhalten einer Wohnung für gelegentliche Besuche oder für Ferienaufenthalte reicht nicht. Ferner darf der Steuerpflichtige nicht nur in einen anderen Hausstand eingegliedert sein, wie es regelmäßig bei jungen Arbeitnehmern der Fall ist, die nach Beendigung der Ausbildung weiterhin im elterlichen Haushalt ihre Zimmer bewohnen. Die elterliche Wohnung kann zwar, wie bisher, der Mittelpunkt der Lebensinteressen sein, sie ist aber kein vom Kind unterhaltener eigener Hausstand. Wird jedoch der Haushalt in einer in sich abgeschlossenen Wohnung geführt, die auch nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet, wird regelmäßig vom Unterhalten eines eigenen Hausstands ausgegangen.

Sohn wohnte noch zu Hause aber in eigener Wohnung

Im Streitfall hatten die Eltern dem Steuerpflichtigen sämtliche Räumlichkeiten im Obergeschoss ihres Hauses zur Nutzung überlassen. Hierbei handelte es sich um eine Wohnung, die dem Steuerpflichtigen nach Größe und Ausstattung ein eigenständiges Wohnen und Wirtschaften gestattet. Der Umstand, dass es sich hierbei um eine (bloße) Nutzungsüberlassung und nicht um ein Mietverhältnis handelt, steht dem nicht entgegen. Ob die Wohnung im Obergeschoss gegenüber der von den Eltern bewohnten Wohnung im Erdgeschoss baulich abgeschlossen ist, ist für das Vorliegen eines eigenen Hausstands ebenfalls unerheblich. Für einen eigenen Hausstand ist es zudem erforderlich, dass eine finanzielle Beteiligung an den Kosten der Lebensführung erfolgt aber nur, soweit der Steuerpflichtige am Lebensmittelpunkt einem Mehrpersonenhaushalt (z. B. im Rahmen eines Mehrgenerationenhaushalts) angehört. Denn nur, wenn mehrere Personen einen gemeinsamen Haushalt führen, kann sich der Einzelne an den Kosten dieses Haushalts und damit den Kosten der Lebensführung beteiligen.

„Denknotwendig‘“: Ein-Personen-Haushalt trägt immer gesamte Kosten

Führt der Steuerpflichtige dagegen (wie im Streitfall) einen Ein-Personen-Haushalt, stellt sich die Frage nach der finanziellen Beteiligung an den Kosten dieses Haushalts nicht. Denn die Kosten der Lebensführung eines Ein-Personen-Haushalts werden denknotwendig von dieser einen Person getragen. Woher die hierfür erforderlichen Mittel stammen ob aus eigenen Einkünften, staatlichen Transferleistungen, Darlehen, Unterhaltsleistungen oder familiären Geldgeschenken ist unerheblich.

Quelle | BFH, Urteil vom 29.4.2025, VI R 12/23, Abruf-Nr. 249404 unter www.iww.de

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Werbungskosten: Übernachtungspauschale von Berufskraftfahrern auch für An- und Abreisetag zu gewähren?

| Die Übernachtungspauschale für Berufskraftfahrer mit mehrtägiger Auswärtstätigkeit setzt neben dem bestehenden Anspruch auf eine Verpflegungspauschale eine tatsächliche Übernachtung in dem Kraftfahrzeug voraus. Die Pauschale steht einem Berufskraftfahrer daher nicht für jeden An- und Abreisetag zu. So sieht es zumindest das Finanzgericht (FG) Thüringen. Wegen der anhängigen Revision ist nun der Bundesfinanzhof (BFH) gefragt. |

Werbungskostenabzug

Hintergrund: Entstehen einem Arbeitnehmer während seiner auswärtigen beruflichen Tätigkeit auf einem Kfz des Arbeitgebers oder eines vom Arbeitgeber beauftragten Dritten im Zusammenhang mit einer Übernachtung in dem Kfz Aufwendungen (insbesondere Gebühren für die Toilettenbenutzung sowie Park- und Abstellgebühren), kann er diese als Werbungskosten abziehen.

Beachten Sie | Anstelle der tatsächlichen Aufwendungen ist allerdings auch eine Pauschale i. H. von 9 Euro für Kalendertage möglich, an denen der Arbeitnehmer in dem Kfz übernachtet und eine Pauschale für Verpflegungsmehraufwand geltend machen kann.

Bundesfinanzhof ist gefragt

Der BFH muss nun entscheiden, ob die Pauschale durch die Kopplung an die Verpflegungspauschalen auch für den An- und Abreisetag zu gewähren ist.

Oder anders ausgedrückt: Kann ein Arbeitnehmer, der am Montag seine Tour startet, auf dem Fahrzeug übernachtet und am Freitag zurückkehrt, die Pauschale für fünf oder nur für vier Tage absetzen? Denn für fünf Tage ist Verpflegungsmehraufwand abzugsfähig, er übernachtet in dem Fahrzeug jedoch nur viermal.

Quelle | FG Thüringen, Urteil vom 18.6.2024, 2 K 534/22, Rev. BFH: VI R 6/25, Abruf-Nr. 248002 unter www.iww.de

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Bestattungsvorsorge: Keine außergewöhnlichen Belastungen: Vorweggenommene Aufwendungen für die eigene Bestattung

| Aufwendungen für die eigene Bestattungsvorsorge sind nicht als außergewöhnliche Belastungen nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 33 Abs. 1 EStG) abziehbar. Das hat das Finanzgericht (FG) Münster entschieden. |

Das war geschehen

Ein Steuerpflichtiger hatte einen Bestattungsvorsorge-Treuhandvertrag abgeschlossen. Den Betrag in Höhe von 6.500 Euro machte er als außergewöhnliche Belastungen geltend. Begründung: Da die Übernahme der Beerdigungskosten auf Ebene des Erben zu außergewöhnlichen Belastungen führen könne, dürfe nichts anderes gelten, wenn er selbst einen Bestattungsvorsorgevertrag abschließe, um seinen Angehörigen die Beerdigungskosten zu ersparen. Das FG ist dieser Argumentation indes nicht gefolgt.

Vom Anwendungsbereich des § 33 EStG sind die üblichen Aufwendungen der Lebensführung ausgeschlossen, die in Höhe des Existenzminimums durch den Grundfreibetrag abgegolten sind.

Argumentation: Eigener Sterbefall nicht „außergewöhnlich“…

Bei Aufwendungen für eine Bestattungsvorsorge handelt es sich nicht um Mehraufwendungen für den existenznotwendigen Grundbedarf, die derart außergewöhnlich wären, dass sie sich einer pauschalen Erfassung in allgemeinen Freibeträgen entziehen. Denn der Eintritt des Todes und damit die Notwendigkeit, bestattet zu werden, trifft jeden Steuerpflichtigen. Es handelt sich damit nicht um Aufwendungen, die größer sind als die, die einer Mehrzahl der Steuerpflichtigen erwachsen.

… Beerdigungskosten für Dritte hingegen schon

Der Unterschied zu den Aufwendungen für Beerdigungskosten naher Angehöriger besteht bereits darin, dass nicht jeder Steuerpflichtige irgendwann einmal solche Aufwendungen für einen nahen Angehörigen zu tragen hat und auch nicht jeder Steuerpflichtige etwa auch in der Anzahl und Höhe solcher Aufwendungen gleich belastet ist.

Quelle | FG Münster, Urteil vom 23.6.2025, 10 K 1483/24 E, Abruf-Nr. 249116 unter www.iww.de

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Bundeszentralamt für Steuern: Ausländische Umsatzsteuer-Identifikationsnummer: Bestätigung nur noch online

| Bisher konnten Anfragen an das Bundeszentralamt für Steuern zur Bestätigung ausländischer Umsatzsteuer-Identifikationsnummern schriftlich, über das Internet oder telefonisch erfolgen. Doch das hat sich seit dem 20.7.2025 geändert. Seitdem können etwaige Anfragen ausschließlich über die vom Bundeszentralamt für Steuern im Internet bereitgestellte Online-Abfrage durchgeführt werden. |

Hintergrund: Innergemeinschaftliche Lieferungen sind von der Umsatzsteuer befreit. Seit dem 1.1.2020 ist die Verwendung einer gültigen ausländischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer durch den Kunden zwingende Voraussetzung für die Umsatzsteuerfreiheit. Dies ist im Umsatzsteuergesetz (hier: § 6a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 4 UstG) geregelt.

Quelle | BMF-Schreiben vom 6.6.2025, III C 5 – S 7427-d/00014/001/002, Abruf-Nr. 248775 unter www.iww.de

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Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht

Schnellrestaurant: Wenn der Burger im Sparmenü teurer ist als im Einzelverkauf…

| Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschieden, dass eine Methode zur Aufteilung des Verkaufspreises eines Sparmenüs nicht sachgerecht ist, wenn sie dazu führt, dass auf ein Produkt des Sparmenüs (z. B. Burger) ein anteiliger Verkaufspreis entfällt, der höher ist als der Einzelverkaufspreis. |

Hintergrund: Bei Sparmenüs, die zum Pauschalpreis angeboten und als „Außer-Haus-Menüs“ verkauft werden, ist hinsichtlich der Speisenlieferung der ermäßigte Steuersatz (7 %) und hinsichtlich des Getränks der Regelsteuersatz (19 %) anzuwenden. Wird vor Ort verzehrt, stellt sich die Aufteilungsfrage grundsätzlich nicht, da es sich um eine Restaurationsleistung handelt, sodass auch die Speisen mit 19 % zu versteuern sind.

Beachten Sie | Dies könnte sich aber bald ändern. Denn im Koalitionsvertrag steht, dass die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie zum 1.1.2026 auf 7 % reduziert werden soll.

Das war geschehen

Zwei GmbHs betrieben als Franchisenehmer Schnellrestaurants, in denen u. a. Sparmenüs (z. B. Getränk, Burger und Pommes frites) zu einem einheitlichen Gesamtpreis zum Verzehr außer Haus verkauft wurden.

„Food-and-Paper“-Methode zur Aufteilung von Speisen und Getränken

Die GmbHs teilten den Gesamtpreis des Sparmenüs nach der „Food-and-Paper“-Methode auf die Speisen und das Getränk auf. Die Aufteilung erfolgt dabei anhand des Wareneinsatzes, das heißt, der Summe aller Aufwendungen für die Speisen bzw. für das Getränk. Da in der Gastronomie die Gewinnspanne auf Getränke typischerweise deutlich höher ist als die Gewinnspanne auf Speisen, ergibt sich hieraus eine niedrigere Umsatzsteuer als bei einer Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen.

Das Finanzamt hielt diese Aufteilungsmethode für unzulässig, weil sie nicht so einfach sei, wie eine Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen und außerdem nicht zu sachgerechten Ergebnissen führe. Demgegenüber hielt das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg die „Food-and-Paper“-Methode für zulässig, der BFH aber nicht.

Aufteilung muss sachgerecht sein

Der BFH führte zwar aus, dass (entgegen der Ansicht des Finanzamts) der Unternehmer nicht immer die einfachste Methode anwenden muss. Wenn eine andere Methode zumindest ebenso sachgerecht ist, wie die Aufteilung nach Einzelverkaufspreisen, darf er auch die andere Methode anwenden.

Gleichwohl erkannte der BFH die „Food-and-Paper“-Methode nicht an, weil sie in manchen Fällen dazu führt, dass der Preis eines Burgers mit einem hohen Wareneinsatz im Menü über dem Einzelverkaufspreis des Burgers liegt. Es widerspricht der wirtschaftlichen Realität, dass der Verkaufspreis eines Produkts in einem mit Rabatt verkauften Menü höher sein kann als der Einzelverkaufspreis.

Quelle | BFH, Urteil vom 22.1.2025, XI R 19/23, Abruf-Nr. 248478 unter www.iww.de; BFH, PM 38/25 vom 5.6.2025

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Steuerhinterziehung: NRW und Hamburg ermitteln: Steuerfahnder nehmen Influencer ins Visier

| Die Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW) hat jüngst mitgeteilt, dass die Steuerfahndung ein Datenpaket mehrerer Social-Media-Plattformen analysiert. Ziel der Ermittlungen sind professionelle Influencer, die ihre steuerlichen Pflichten mit hoher krimineller Energie umgehen. |

300 Mio. Euro Steuervolumen

Das Influencer-Team des Landesamts zur Bekämpfung der Finanzkriminalität in NRW (LBF NRW) ist vorsätzlichen Steuerbetrügern in den sozialen Netzwerken auf der Spur. Derzeit werten die Experten ein Datenpaket von mehreren großen Plattformen aus. Darin enthalten sind 6.000 Datensätze, die auf nicht versteuerte Gewinne mit Werbung, Abos und Co. hinweisen. Sie beziehen sich nur auf Influencer aus NRW und umfassen ein strafrechtlich relevantes Steuervolumen in Höhe von rund 300 Mio. Euro.

Nur „Große Fische“ im Visier

Im Visier stehen die „großen Fische“. Stephanie Thien, Leiterin des LBF NRW, betont: „Im Fokus unseres Influencer-Teams stehen ausdrücklich nicht junge Menschen, die ein paar Follower gesammelt und ein paar Cremes oder Kleider beworben haben.“

Beachten Sie | Auch die Finanzämter in Hamburg nehmen die Influencer ins Visier. Bereits im Jahr 2022 wurde eine Expertengruppe zur Besteuerung von Influencern und anderen Social-Media-Akteuren gegründet. Seit 2024 wird die Branche im Zuge einer Branchenprüfung verstärkt in den Fokus genommen.

Quelle | Finanzverwaltung NRW, Mitteilung vom 15.7.2025: „Verdacht auf Steuerbetrug in großem Stil: LBF NRW wertet Influencer-Datenpaket aus“; Finanzbehörde Hamburg, Mitteilung vom 17.7.2025: „Auch Hamburger Finanzämter nehmen Influencerinnen und Influencer ins Visier“

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Mindestlohnkommission: Gesetzlicher Mindestlohn soll 2026 und 2027 steigen

| Seit dem 1.1.2025 beträgt der gesetzliche Mindestlohn 12,82 Euro pro Stunde. Die Mindestlohnkommission hat nun eine stufenweise Erhöhung des Mindestlohns auf 13,90 Euro zum 1.1.2026 und auf 14,60 Euro zum 1.1.2027 beschlossen. |

Hintergrund: Mindestlohngesetz

Im Mindestlohngesetz ist geregelt, dass „die Mindestlohnkommission alle zwei Jahre über Anpassungen der Höhe des Mindestlohns zu beschließen“ hat. Diesem Auftrag ist die Kommission in ihrer Sitzung vom 27.6.2025 nun nachgekommen. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas hat bereits angekündigt, der Bundesregierung vorzuschlagen, die Anpassung durch Rechtsverordnung zum 1.1.2026 verbindlich zu machen.

Folge: Auch erhöhte Minijob-Grenze

Die Erhöhung hat auch Auswirkungen auf die Minijob-Grenze (derzeit 556 Euro monatlich), da diese an den Mindestlohn „gekoppelt“ ist.

Beachten Sie | Die Geringfügigkeitsgrenze bezeichnet das monatliche Arbeitsentgelt, das bei einer Arbeitszeit von zehn Wochenstunden zum Mindestlohn nach dem Mindestlohngesetz (hier: § 1 Abs. 2 S. 1 MiLoG ) erzielt wird. Sie wird berechnet, indem der Mindestlohn mit 130 vervielfacht, durch drei geteilt und auf volle Euro aufgerundet wird.

Das bedeutet Folgendes: Bei einem gesetzlichen Mindestlohn von 13,90 Euro ergibt sich ab dem 1.1.2026 eine Geringfügigkeitsgrenze von 603 Euro (13,90 Euro × 130 ÷ 3). Ab dem 1.1.2027 sind es dann 633 Euro.

Quelle | BMAS, Mitteilung vom 27.6.2025: „Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns zum 1.1.2026“

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Grundstückskaufverträge: Vorkaufsrecht nach dem Baugesetzbuch: Begriff des „Dritten“

| Verkauft eine Kommanditgesellschaft (KG) ein Grundstück an eine andere KG, ist dies auch dann ein Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne des Baugesetzbuchs (hier: § 28 Abs. 2 S. 2 BauGB in Verbindung mit § 463 BGB), wenn es sich auf Verkäufer- und Käuferseite jeweils um Einpersonen-GmbH & Co. KG mit demselben alleinigen Anteilsinhaber handelt. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) in zwei Parallelverfahren entschieden. |

Das war geschehen

Die Klägerinnen, verschiedene GmbH & Co. KG, wenden sich gegen die Ausübung von Vorkaufsrechten nach § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB. Mit notariellen Kaufverträgen von Mai 2021 veräußerten sie Grundstücke an zuvor neu gegründete GmbH & Co. KG, hinter denen jeweils dieselbe natürliche Person steht wie auf Verkäuferseite. Mit Bescheiden von Juli 2021 übte die Beklagte das Vorkaufsrecht aus, in einem Fall zugunsten der beigeladenen stadteigenen Entwicklungsgesellschaft. Im anderen Verfahren gab eine der Klägerinnen, die Erstkäuferin, eine Abwendungserklärung ab.

Die Klagen waren erfolgreich. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat die Berufungen zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht (VG) habe zu Recht angenommen, dass es an dem für ein Vorkaufsrecht erforderlichen Kaufvertrag mit einem Dritten im Sinne von § 463 BGB fehle. Der Begriff des Dritten müsse einschränkend ausgelegt werden. Bei wirtschaftlicher Betrachtung sei hier nur eine Vermögensverschiebung innerhalb der Vermögenssphäre derselben natürlichen Personen erfolgt.

So sieht es das Bundesverwaltungsgericht

Das BVerwG hat die angefochtenen Urteile aufgehoben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das OVG zurückverwiesen. Die Grundstückskaufverträge sind Verträge mit einem Dritten. Gesellschaftsrechtlich sind die KG auf Verkäufer- und Käuferseite trotz des Umstands, dass hinter ihnen jeweils dieselbe natürliche Person steht, selbstständige Rechtsträger.

Eine wirtschaftliche Betrachtung auf Gesellschafterebene ist weder nach Sinn und Zweck des gesetzlichen Vorkaufsrechts noch verfassungsrechtlich geboten. Die Klägerinnen haben sich aus eigenem Entschluss für diese Form der Grundstücksübertragung entschieden. Das BVerwG konnte mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden, ob die Vorkaufsrechte im Übrigen rechtmäßig ausgeübt wurden. Das erfordert die Zurückverweisung an die Vorinstanz.

Quelle | BVerwG, Urteil vom 17.6.2025, 4 C 4.24, PM 46/25

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Abschließende Hinweise

Berechnung der Verzugszinsen

| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten. |

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Juli 2025 bis zum 31. Dezember 2025 beträgt 1,27 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 6,27 Prozent
  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 10,27 Prozent*

* für Schuldverhältnisse, die vor dem 29.7.2014 entstanden sind: 9,27 Prozent.

Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).

Übersicht / Basiszinssätze

Zeitraum

Zinssatz

01.01.2025 bis 30.06.2025

2,27 Prozent

01.07.2024 bis 31.12.2024

3,37 Prozent

01.01.2024 bis 30.06.2024

3,62 Prozent

01.07.2023 bis 31.12.2023

3,12 Prozent

01.01.2023 bis 30.06.2023

1,62 Prozent

01.07.2022 bis 31.12.2022

-0,88 Prozent

01.01.2022 bis 30.06.2022

-0,88 Prozent

01.07.2021 bis 31.12.2021

-0,88 Prozent

01.01.2021 bis 30.06.2021

-0,88 Prozent

01.07.2020 bis 31.12.2020

-0,88 Prozent

01.01.2020 bis 30.06.2020

-0,88 Prozent

01.07.2019 bis 31.12.2019

-0,88 Prozent

01.01.2019 bis 30.06.2019

-0,88 Prozent

01.07.2018 bis 31.12.2018

-0,88 Prozent

01.01.2018 bis 30.06.2018

-0,88 Prozent

01.07.2017 bis 31.12.2017

-0,88 Prozent

01.01.2017 bis 30.06.2017

-0,88 Prozent

01.07.2016 bis 31.12.2016

-0,88 Prozent

01.01.2016 bis 30.06.2016

-0,83 Prozent

01.07.2015 bis 31.12.2015

-0,83 Prozent

01.01.2015 bis 30.06.2015

-0,83 Prozent

01.07.2014 bis 31.12.2014

-0,73 Prozent

01.01.2014 bis 30.06.2014

-0,63 Prozent

01.07.2013 bis 31.12.2013

-0,38 Prozent

01.01.2013 bis 30.06.2013

-0,13 Prozent

01.07.2012 bis 31.12.2012

0,12 Prozent

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Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 10/2025

| Im Monat Oktober 2025 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |

Steuertermine (Fälligkeit):

  • Umsatzsteuer: 10.10.2025
  • Lohnsteuer: 10.10.2025

Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.

Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 13.10.2025. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.

Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):

Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig, für den Beitragsmonat Oktober 2025 am 29.10.2025.

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