Ausgabe 01/2025

Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 01/2025:

Arbeitsrecht

Baurecht

Familien- und Erbrecht

Mietrecht und WEG

Verbraucherrecht

Verkehrsrecht

Steuerrecht

Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht

Abschließende Hinweise

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Arbeitsrecht

Elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: Ab 1.1.2025 gilt das erweiterte Meldeverfahren

| 2023 hat die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) die bisherige papiergebundene Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) abgelöst. Zum 1.1.25 ist das eAU-Verfahren weiterentwickelt worden. Es gibt folgende Neuerungen: |

  • Zeiten von stationären Rehabilitations- und Vorsorgemaßnahmen werden in das eAU-Verfahren integriert.
  • Tatsächliches Entlassdatum aus einer stationären Krankenhausbehandlung wird proaktiv gemeldet, ohne dass der Arbeitgeber das Datum erneut anfordert (wenn zuvor ein voraussichtliches Entlassdatum gemeldet wurde).
  • Teilstationäre Krankenhausbehandlungen werden ohne Aufnahme- und Entlassdatum gemeldet.
  • Privatärztlich oder von einem ausländischen Arzt bescheinigte Arbeitsunfähigkeit wird gemeldet, wenn diese der Krankenkasse nachgewiesen wurde.
  • AU-Daten werden bei einem Wechsel der Krankenkasse an die neu zuständige Krankenkasse weitergeleitet, wenn die AU über den Wechselzeitpunkt hinaus besteht.
  • Stornierte AU-Daten werden berichtigt (z. B. bei Beanstandungen), der Arbeitgeber erhält aktiv eine Rückmeldung mit den berichtigten Daten.

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Förderung: Meister-BAföG: Anschauen von Lehrvideos kein Präsenzunterricht

| Das Verwaltungsgericht (VG) Münster hat die Klage einer Friseurin abgewiesen, das Land Nordrhein-Westfalen zu verpflichten, ihr eine Förderung nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (sogenanntes Meister-BAföG) für einen Vorbereitungslehrgang für die Prüfung zur Friseurmeisterin zu gewähren. |

Das war geschehen

Die ausgebildete Friseurin nahm im Jahr 2021 an dem Vorbereitungslehrgang eines privaten Anbieters teil, für den ihr Kosten von 12.949 Euro entstanden. Einen Antrag auf Förderung der beruflichen Aufstiegsfortbildung in dieser Höhe lehnte der Beklagte 2022 im Wesentlichen mit der Begründung ab, die Maßnahme könne nicht gefördert werden, weil die hierfür erforderlichen 400 Unterrichtsstunden als physische und virtuelle Präsenzlehrveranstaltungen nicht vorgesehen gewesen seien. Hiergegen klagte die Friseurin und führte zur Begründung u. a. aus, Maßnahmen des Coronaschutzes hätten seinerzeit dazu geführt, dass die Fortbildungsstätte Lehrveranstaltungen gefilmt und den Teilnehmern anschließend als Video zur Verfügung gestellt habe.

Videos sind nicht Präsenz

Die Klage wies das VG ab. Denn die Maßnahme erfülle die gesetzlichen Vorgaben für eine Förderung nicht. Soweit Unterrichtsinhalte von der Fortbildungsstätte gefilmt und die Videos den Teilnehmern anschließend zum Anschauen zur Verfügung gestellt worden seien, stelle der Unterricht keine auch keine virtuelle Präsenzlehrveranstaltung im Sinne des Gesetzes dar, sodass die Mindestanzahl von 400 Stunden förderfähigen Unterrichts nicht erreicht werde. Lehrende und Lernende seien nicht gleichzeitig anwesend, es finde keine synchrone kommunikative Wissensvermittlung statt.

Daran ändere es auch nichts, dass die Fortbildungsstätte eine umfassende telefonische Erreichbarkeit der Dozierenden eingerichtet habe. Diese mache das Anschauen eines Lehrvideos nicht zu einer dem Präsenzunterricht gleichwertigen Lernerfahrung. Die von der Klägerin besuchte Weiterbildung sei auch nicht als „mediengestützter Lehrgang“ förderungsfähig. Für die erforderliche Mindeststundenzahl der Maßnahme zählten nur die Stunden für die Bearbeitung von Online-Lerninhalten, auf die die Lehrperson aktiv Einfluss habe und bei denen sie zugleich den Lernfortschritt überwachen könne.

Quelle | VG Münster, Urteil vom 29.10.2024, 6 K 2868/22, PM vom 11.11.2024

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Verfassungsbeschwerde: Mutterschutz nach einer Fehlgeburt?

| Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat eine Verfassungsbeschwerde mehrerer Frauen, die eine Fehlgeburt nach der 12., aber vor der 24. Schwangerschaftswoche erlitten haben, nicht zur Entscheidung angenommen. Die Frauen hatten das Ziel verfolgt, wie Entbindende behandelt zu werden, die unter die Schutzfristen des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) fallen. |

Das war geschehen

Die vier Frauen sind angestellte bzw. verbeamtete Frauen, deren Schwangerschaften jeweils nach der 12., aber vor der 24. Schwangerschaftswoche durch eine Fehlgeburt endete. Sie ließen sich daraufhin Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen und arbeiteten nicht. Sie rügen, dass die mutterschutzrechtlichen Schutzfristenregelungen mit dem Grundgesetz (GG) unvereinbar seien, weil Frauen, die zwischen der 12. und der 24. Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt mit einem weniger als 500 Gramm schweren Kind erlitten haben, von den angegriffenen Schutzfristenregelungen ausgenommen seien.

So sah es das Bundesverfassungsgericht

Eine Verfassungsbeschwerde, die sich gegen eine Norm richtet, kann nur binnen eines Jahres nach Inkrafttreten des Gesetzes erhoben werden. Diese Frist war bei Erhebung der Verfassungsbeschwerde abgelaufen. Daher konnten die Frauen keinen Erfolg haben.

Frauen hatten nicht alle Rechtsmittel ausgeschöpft

Die Verfassungsbeschwerde genügt auch dem sog. Grundsatz der Subsidiarität nicht. Vor Erhebung von Rechtssatzverfassungsbeschwerden sind grundsätzlich alle Mittel zu ergreifen, die der geltend gemachten Grundrechtsverletzung abhelfen können. Die Beschwerdeführerinnen hätten, jedenfalls soweit sie Mitglieder der gesetzlichen Krankenkasse sind, gegen die Krankenkassen einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld bzw. gegen ihre Arbeitgeber einen Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld geltend machen können. Beide Ansprüche hätten sie vor den Fachgerichten verfolgen können. Des Weiteren hätten sie eine Klage auf Feststellung eines Beschäftigungsverbots erheben können.

Die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes war den Frauen auch zumutbar. Der Anspruch auf Mutterschaftsgeld knüpft bei den Anspruchsvoraussetzungen an die gesetzlichen Schutzfristen des Mutterschutzgesetzes (hier: § 3 MuSchG) und damit an die „Entbindung“ an. Den Begriff der „Entbindung“ hat der Gesetzgeber weder im Mutterschutzrecht noch in den zugehörigen sozialrechtlichen Bestimmungen konkretisiert. In der Rechtsprechung wurde bisher zur Auslegung des Begriffs der „Entbindung“ in einem anderen Kontext auf die Regelungen der Personenstandsverordnung zurückgegriffen. Diese Auslegung erachtete der Gesetzgeber bei Einführung des gesetzlichen Kündigungsverbots für Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten haben, im Zuge der Reform im Jahr 2017 und gemäß der Intention des MuSchG aus medizinischer Sicht für nicht sachgerecht.

Dass die Gerichte gleichwohl an der bisherigen Auslegung des Begriffs „Entbindung“ in Bezug auf die beanstandeten Regelungen festhalten würden, ist nicht offensichtlich. Dies ist mit Blick auf die unterschiedlichen Zielsetzungen der Personenstandsverordnung und der mutterschutzrechtlichen Fristenbestimmungen auch unter Berücksichtigung des Art. 6 Abs. 4 GG im Fall einer Fehlgeburt nicht zwingend. Bei der Auslegung sind zudem medizinische Wertungen zu beachten, die vorrangig im fachgerichtlichen Verfahren zu gewinnen sind.

Quelle | BVerfG, Beschluss vom 21.8.2024. 1 BvR 2106/22, PM 80/2024

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Bundessozialgericht: Wegeunfall beim Abholen von Arbeitsschlüsseln nach privatem Wochenendausflug möglich

| Ein Arbeitsunfall kann vorliegen, wenn eine Beschäftigte nach einem privaten Wochenendausflug auf dem Weg zu ihrer Wohnung verunglückt, weil sie dort Arbeitsschlüssel und -unterlagen vor Arbeitsantritt abholen wollte. Dies hat das Bundessozialgericht (BSG) heute entschieden. |

Vom Wochenendausflug zur Wohnung gefahren und verunglückt

Die Klägerin fuhr am Unfalltag früh morgens nach einem privaten Wochenendausflug von dort zurück zu ihrer Wohnung, in der sich Schlüssel und Unterlagen für ihren anschließenden Arbeitseinsatz bei der Eröffnung eines Gemeindezentrums befanden. Wenige Kilometer vor ihrem Wohnort verunglückte die Klägerin mit ihrem Pkw und wurde schwer verletzt.

Arbeitsunfall oder nicht?

Die beklagte Berufsgenossenschaft und die Vorinstanzen lehnten die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Die Revision der Klägerin war erfolgreich. Die Klägerin kann sich auf einem versicherten Betriebsweg befunden haben, wenn sie den Weg zur Aufnahme von Arbeitsschlüsseln und -unterlagen in ihrer Wohnung in Umsetzung einer Weisung ihres Arbeitsgebers zurückgelegt hat. Falls keine solche Weisung feststellbar ist, kann die Klägerin auf einem versicherten Weg verunfallt sein, wenn sie mit den Arbeitsschlüsseln und -unterlagen in ihrer Wohnung verwahrtes Arbeitsgerät holen wollte, das für die Aufnahme oder Verrichtung ihrer Arbeit unentbehrlich war.

Die hierfür erforderlichen Feststellungen wird das Landessozialgericht (LSG) jetzt noch nachholen müssen.

Quelle | BSG, Urteil vom 26.9.2024, B 2 U 15/22 R, PM 27/24

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Baurecht

Offenbarungspflicht: Fehlende Architekteneigenschaft: Rückforderung von Honorarabschlägen

| Die Architekteneigenschaft setzt voraus, dass der Planer in die bei der zuständigen Architektenkammer geführten Architektenliste eingetragen ist. Ist dies nicht der Fall, weil der Planer zwar Architektur studiert, aber keinen akademischen Abschluss erworben hat, muss er hierüber den Auftraggeber bei Vertragsabschluss informieren. Insoweit besteht eine Offenbarungspflicht, so das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf. |

Verstößt der Planer gegen diese Offenbarungspflicht, kann der Auftraggeber nach dieser Entscheidung die von ihm geleisteten Honorarabschläge zurückfordern.

Hierbei besteht die Vermutung, dass der Auftraggeber den Planer bei Aufklärung über seine fehlende Architekteneigenschaft nicht beauftragt hätte und somit die Honorarabschläge nicht bezahlt worden wären. Die Beauftragung wäre einerseits wegen der großen Bedeutung des Bauwerks, andererseits wegen der mangelnden Fähigkeit des Planers, den Bauantrag überhaupt zu stellen, unvernünftig gewesen. Hierüber entscheidet das Gericht unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung.

Quelle | OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.2.2023, 22 U 58/22, Abruf-Nr. 240752 unter www.iww.de

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Bebauungsplan: Nicht überall im Wochenendhausgebiet müssen entsprechende Gebäude erlaubt sein

| Beschränkt ein Bebauungsplan über ein Wochenendhausgebiet mittels sog. Baufenster die Bebaubarkeit von Flächen, kann für ein Grundstück, das außerhalb eines Baufensters gelegen ist, kein Bauvorbescheid erteilt werden, entschied das Verwaltungsgericht (VG) Mainz. |

Klägerin stellte Antrag auf Bauvorbescheid

Die Klägerin ist Pächterin eines Grundstücks, das im Geltungsbereich eines Bebauungsplans liegt, der ein Wochenendhausgebiet und hierfür überbaubare Flächen (sog. Baufenster) festsetzt. Das Pachtgrundstück ist danach nicht mit einem Wochenendhaus bebaubar, sondern nur mit Nebengebäuden, etwa zum Unterstellen von Gegenständen zur Freizeitnutzung. Die Klägerin stellte einen Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheids zur Klärung der Frage, ob ihr Grundstück mit einem Wochenendhaus bebaubar sei, und beantragte hilfsweise eine Befreiung von der Festsetzung über die überbaubaren Flächen. Sie machte zur Begründung ihres Antrags geltend: Für jedes andere Grundstück in der Straße sehe der Bebauungsplan ein Baufenster vor, nicht aber für ihres; an vielen Stellen des Plangebiets seien nicht überbaubare Flächen zwischenzeitlich mit Gebäuden bebaut worden; für ihr Grundstück sei sogar eine Hausnummer vergeben worden. Die Baugenehmigungsbehörde lehnte das Begehren ab. Das Widerspruchsverfahren blieb ohne Erfolg. Das VG wies auch die Klage ab.

Errichtung eines Wochenendhauses nicht genehmigungsfähig

Die Errichtung eines Wochenendhauses auf dem Pachtgrundstück sei nicht genehmigungsfähig, denn für dieses sehe der Bebauungsplan keine Fläche vor, die mit einem solchen Gebäude bebaut werden dürfe. Die Beschränkung der Bebaubarkeit der Flächen über das gesamte Plangebiet hinweg diene nach dem Willen der Gemeinde als Plangeberin der Verhinderung einer verdichteten Bebauung in dem Erholungsgebiet und dem Erhalt von Waldflächen. Damit liege eine städtebaulich legitimierte Planung vor, die auch das Grundrecht aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) der von der Beschränkung betroffenen Eigentümer nicht verletze. Ohne den Bebauungsplan wären im Außenbereich Gebäude zur privaten Freizeitnutzung generell bauplanungsrechtlich unzulässig.

Die Festsetzung über die beschränkte Bebaubarkeit, an deren Geltung die Gemeinde ausdrücklich weiter festhalte, sei auch nicht funktionslos geworden; sie könne die bauliche Entwicklung in dem Plangebiet auch künftig noch beeinflussen. Denn es gebe noch unbebaute Grundstücke, für die ebenfalls ein Baufenster festgesetzt sei.

Werden Regeln gebrochen, ändert das nichts am Geltungsanspruch einer Vorschrift

Der überwiegende Teil der Bebauung sei auch innerhalb der Baufenster verwirklicht worden. Unerheblich sei hingegen, dass in einer Vielzahl von Fällen Grundstücke entgegen der Festsetzung zu den Baufenstern bebaut worden seien. Der Geltungsanspruch einer Norm wie der eines Bebauungsplans gehe nicht bereits dadurch unter, dass sich ein großer Teil der Betroffenen nicht an die Regelung halte. Die Vergabe einer Hausnummer diene allein ordnungsrechtlichen Belangen und begründe keine Baurechte für ein Grundstück.

Eine Befreiung von der Festsetzung des Bebauungsplans über die beschränkte Bebaubarkeit der Grundstücke scheide aus, weil diese angesichts der Gesamtkonzeption einen Grundzug der Planung betreffe, über den die Baugenehmigungsbehörde auch zur Vermeidung eines Präzedenzfalles nicht hinweggehen könne. Allein die Gemeinde könne eine Umplanung des Bebauungsplans vornehmen.

Quelle | VG Mainz, Urteil vom 25.9.2024, 3 K 746/23.MZ, PM 8/24

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Normenkontrollverfahren: Brandenburgische Baugebührenordnung verstößt gegen Landesverfassung

| Die Gebührenregelungen der Dritten Verordnung zur Änderung der Brandenburgischen Baugebührenordnung (BauGebO) vom 5.10.2016 sind nicht mit dem in Art. 97 Abs. 3 der Verfassung des Landes Brandenburg verankerten, sogenannten Konnexitätsgebot vereinbar. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg heute in einem Normenkontrollverfahren entschieden. |

Das landesverfassungsrechtliche Konnexitätsprinzip verpflichtet das Land zu einem vollständigen Kostenausgleich bei der Übertragung von Aufgaben auf die kommunale Ebene. Die Antragsteller vier Landkreise des Landes Brandenburg rügen mit ihrem Normenkontrollantrag, dass die Gebührenerhebung auf der Grundlage der Baugebührenordnung nicht ausreiche, um die Kosten auszugleichen, die ihnen durch die Übertragung der Aufgaben der unteren Bauaufsichtsbehörde entstehen.

Nach Auffassung des OVG verlange das Konnexitätsgebot eine sorgfältige und gründliche Kostenprognose unter Ausschöpfung aller erreichbaren Erkenntnisquellen. Diese Anforderungen habe das Land Brandenburg verfehlt, indem es trotz erkennbar steigender Personalaufwendungen lediglich einen Durchschnittswert der Jahre 2011 bis 2014 herangezogen und die zum Zeitpunkt des Verordnungserlasses bereits bekannten Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst nicht vollständig berücksichtigt habe.

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) wurde nicht zugelassen.

Quelle | OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.10.2024, OVG 10 A 5.19, PM 37/24

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Familien- und Erbrecht

Sorgerechtsverfahren: Jugendamt muss Kopien von Umgangsprotokollen übersenden

| Strebt ein Elternteil ein Sorgerechtsverfahren an, steht ihm ein Anspruch gegen das Jugendamt zu, ihm Kopien der Umgangsprotokolle zu übersenden. So entschied es das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf. |

Vater verlangte erfolglos Kopien der Umgangsprotokolle vom Jugendamt

Dem Vater eines minderjährigen Kindes stand ein begleitetes Umgangsrecht zu. Später verlangte er erfolglos vom Jugendamt, ihm Kopien der Umgangsprotokolle für ein Sorgerechtsverfahren herauszugeben.

Vater hat Anspruch auf Protokolle

Der Vater kann vom Jugendamt verlangen, ihm Kopien der Umgangsprotokolle zuzusenden. Jede natürliche Person hat nach Maßgabe z. B. des Gesetzes über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (IFG NRW) gegenüber den dort genannten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei der Stelle vorhandenen amtlichen Informationen.

Zwar werden dadurch personenbezogene Daten offenbart. Aber zugunsten des Vaters wird der informationsrechtliche Anspruch wegen der Offenbarung personenbezogener Daten nicht ausgeschlossen, wenn der Antragsteller ein rechtliches Interesse an der begehrten Information geltend macht und überwiegende schutzwürdige Belange des Betroffenen der Offenbarung nicht entgegenstehen. Der Vater hat ein rechtliches Interesse, da er die Protokolle für ein Sorgerechtsverfahren benötigt. Es geht somit um sein Elternrecht aus dem Grundgesetz (hier: Art. 6 Abs. 2 GG). Dies ist höher zu bewerten als das Geheimhaltungsinteresse.

Quelle | VG Düsseldorf, Urteil vom 28.2.2024, 29 K 6009/21, Abruf-Nr. 242205 unter www.iww.de

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Formerfordernis: Keine Heirat per Videokonferenz

| Ein deutscher Staatsbürger kann seiner afghanischen Verlobten nicht per Videokonferenz das „Ja-Wort“ geben. Das stellte jetzt das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg fest. |

Das war geschehen

Ein Mann, der schon über 20 Jahre in Deutschland lebte und seit dem Jahr 2015 deutscher Staatsangehöriger ist, wollte seine Verlobte, eine Afghanin, im Wege des Ehegattennachzugs nach Deutschland holen. Im Jahr 2019 schloss er mit ihr per Videokonferenz die „Ehe“, während sich die Frau und zwei Trauzeugen im Iran befanden.

Ende 2021 beantragte die Frau in der deutschen Botschaft in Teheran unter Beifügung einer afghanischen Heiratsbescheinigung ein Visum, um im Weg des Ehegattennachzugs nach Deutschland ausreisen zu können. Das lehnte die Botschaft ab.

So entschied das Oberverwaltungsgericht

Das OVG sah keine wirksame Eheschließung. Der Mann habe aus Deutschland an der Hochzeit teilgenommen. Daher liege der Ort der Eheschließung zumindest auch im Inland.

Folge: Die Ehe hätte unter physischer Präsenz der Eheschließenden vor einem Standesbeamten stattfinden müssen. Die Ehe war damit formal unwirksam.

Auch eine sog. Handschuhehe läge nicht vor. Hierbei genügt es, wenn nur einer der Ehegatten bei der Eheschließung anwesend ist. Dies sei im Fall einer Online-Trauung gerade nicht gegeben.

Quelle | OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.8.2024, 6 B 1/24

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Schenkungsteuer: (K)ein Schenkungswille bei zerstrittenen Beteiligten

| Das Finanzgericht (FG) Münster hat entschieden: Eine Schenkungsteuer kann nur bei Vorliegen eines bewussten Schenkungswillens erhoben werden. |

GmbH-Anteile sollten übertragen werden

Es ging um die Übertragung von Anteilen an einer GmbH, deren alleiniger Gesellschafter der Kläger nach dem Tod seines Vaters wurde. Ursprünglich sollten die Anteile gleichmäßig auf den Kläger und seinen Bruder verteilt werden, jedoch wurde der Erbvertrag kurz vor dem Tod des Vaters geändert. Daraufhin erklärte sich der Bruder des Klägers bereit, seine Anteile an die GmbH zu übertragen, die dafür 2,1 Millionen Euro zahlte. Der Ertragswert dieser Anteile lag jedoch bei 9,7 Millionen Euro, was das Finanzamt als „gemischte Schenkung“ wertete und Schenkungsteuer gegen den Kläger festsetzte.

Kläger bekam recht

Der Kläger argumentierte vor dem FG, dass aufgrund der angespannten familiären Verhältnisse kein Schenkungswille vorlag. Das FG gab dem Kläger Recht. Eine Schenkung liege nur vor, wenn der Übertragende bewusst unentgeltlich handelt.

Das FG weiter: Die Differenz zwischen Kaufpreis und Ertragswert impliziere nicht automatisch einen Schenkungswillen. Die Einbindung von Rechts- und Steuerberatern untermauerte die Argumentation, dass es sich um eine kaufmännische Entscheidung gehandelt hatte.

Rechts- und Steuerberater an Wertfindung beteiligt

Das FG war davon überzeugt, dass der Bruder des Klägers ohne Bewusstsein zur teilweisen Unentgeltlichkeit der Anteilsübertragung handelte und die Anteile nicht aus familiären Beweggründen unterhalb eines möglichen Veräußerungsgewinns übertragen wurden. Für eine Wertfindung unter fremden Dritten sprach auch die Einbeziehung von Rechts- und Steuerberatern bei Abschluss der getroffenen Vereinbarungen. Ein subjektives Element könne auch nicht alleine aus der Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem Wert nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren abgeleitet werden.

Quelle | FG Münster, Urteil vom 23.5.2024, 3 K 2585/21 Erb, Abruf-Nr. 244380 unter www.iww.de

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Häusliche Gewalt: Gewalt und Todesdrohungen rechtfertigen alleiniges Sorgerecht

| Vom Vater gegen die Mutter der gemeinsamen Kinder verübte häusliche Gewalt, Nachstellungen und Bedrohungen können im Einzelfall die Übertragung des Sorgerechts allein auf die Mutter rechtfertigen. Von einem Kind miterlebte Gewalt gegen seine Mutter ist eine spezielle Form der Kindesmisshandlung. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. hat die Beschwerde des Vaters gegen die Übertragung des Sorgerechts auf die Mutter daher zurückgewiesen. |

Mutter wurde das alleinige Sorgerecht übertragen

Die mittlerweile geschiedenen Eltern haben zwei gegenwärtig neun und fünf Jahre alte Kinder. Diese leben seit der Trennung der Eltern im Herbst 2020 bei der Mutter. Gegen den Vater bestand im Jahr 2021 und erneut ab Ende 2023 ein jeweils halbjähriges Näherungs- und Kontaktverbot. Auf Antrag der Mutter wurde ihr die alleinige elterliche Sorge übertragen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Vaters. Sie hatte vor dem OLG keinen Erfolg.

Vater übte Gewalt aus

Das Amtsgericht (AG) habe zu Recht die gemeinsame elterliche Sorge aufgehoben und der Mutter übertragen, führte das OLG aus. Bei der Entscheidung seien alle für und gegen die gemeinsame Sorge sprechenden Umstände einzelfallbezogen gegeneinander abzuwägen: Hier bestehe zwischen den Eltern keine tragfähige soziale Beziehung.

Die vom Vater gegen die Mutter ausgeübte Gewalt spreche gegen eine „für die Ausübung der elterlichen Sorge zwingend erforderliche Kommunikation auf Augenhöhe“. Der Vater habe die Mutter in der Vergangenheit körperlich angegriffen und verletzt und sie wiederholt mit dem Tode bedroht. Er habe sich impulsiv und unkontrolliert verhalten. Sein erhöhtes Aggressionspotenzial und seine Bereitschaft, auch körperliche Gewalt anzuwenden, ergebe sich aus den Anordnungsverfahren nach dem Gewaltschutzgesetz (GewaltschutzG). Der Mutter sei es angesichts der ihr gegenüber ausgesprochenen Todesdrohungen auch nicht zumutbar, sich mit dem Vater regelmäßig in sorgerechtlichen Fragen abzustimmen. Der Vater habe sich wiederholt grenzüberschreitend verhalten und auch nicht an die Schutzanordnungen gehalten. Die an die Mutter „gerichteten direkten Todesdrohungen sind keine Basis für die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge“, vertieft das OLG: „Unzweifelhaft ist der Kindesvater vorliegend nicht zu einem angemessenen respektvollen Umgang mit der Kindesmutter in der Lage“.

Auch Kinder wollten bei Mutter bleiben

Gegen die Beibehaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge spreche auch der Wille der Kinder. Dieser Wille sei trotz ihres noch geringen Alters beachtlich. Die Kinder hätten sich für die Übertragung der elterlichen Sorge auf die Mutter ausgesprochen. Dabei sei auch zu beachten, dass die Kinder die gegenüber der Mutter ausgeübte Gewalt und die ausgesprochenen Todesdrohungen miterlebt hätten. Von Kindern miterlebte Gewalt stelle eine spezielle Form der Kindesmisshandlung dar und beinhalte erhebliche Risikofaktoren für die kindliche Entwicklung.

Mildere, gleich effektive Mittel als eine Übertragung der elterlichen Sorge allein auf die Mutter stünden hier nicht zur Verfügung.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 10.9.2024, 6 UF 144/24, PM 54/24

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Mietrecht und WEG

Gesamtschuldnerhaftung: Vermieter können für Abfallgebühren haften

| Das Verwaltungsgericht (VG) Freiburg hat entschieden: Es ist nicht zu beanstanden, wenn eine Kommune in ihrer Abfallsatzung bestimmt, dass nach vergeblicher Zahlungsaufforderung gegenüber einem Mieter dessen Vermieter zur Zahlung der Abfallgebühren in Anspruch genommen wird. |

Mieter und Vermieter können in Anspruch genommen werden

Das VG Freiburg stellte fest: Nach der Abfallwirtschaftssatzung schuldet der Kommune neben dem Mieter auch der Vermieter die Abfallgebühren. Beide haften danach als Gesamtschuldner. Bis die Gebühr vollständig erbracht sei, könne mithin jeder in Anspruch genommen werden.

Vermieter kann Mieter in Anspruch nehmen

Oft ist es ohnehin so, dass der Vermieter die Kosten unmittelbar trägt und sie nach dem Mietvertrag als Betriebskosten auf den Mieter umlegen kann. Der Vermieter hat dann, bei einer Satzungsregelung wie im Fall des VG, gegen den Mieter einen sog. Gesamtschuldnerausgleichanspruch. Allerdings trägt er auch das Liquiditätsrisiko seines Mieters.

Quelle | VG Freiburg, Urteil vom 11.7.2024, 4 K 1957/23, Abruf-Nr. 243847 unter www.iww.de

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Benachteiligungsverbot: Mieterdiskriminierung kann teuer werden!

| Das Landgericht (LG) Berlin II hat eine Wohnungsbaugesellschaft zur Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 11.000 Euro wegen einer Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verurteilt. Die Vermieterin habe den Mieter wegen seiner Behinderung diskriminiert. |

Mieter war auf Rollstuhl angewiesen

Der Mieter sitzt im Rollstuhl. Um sein Wohnhaus eigenständig verlassen oder betreten zu können, verlangten er und sein Ehemann von der Vermieterin die Zustimmung zum Bau einer Rampe. Die Vermieterin verweigerte diese, sodass die Frage in einem anderen gerichtlichen Verfahren geklärt werden musste. Laut der dortigen Entscheidung des LG musste die Vermieterin die Zustimmung zum Bau einer Rampe erteilen. Im weiteren Verfahren sprach das LG dem Mieter nun eine Entschädigung zu, weil die Vermieterin ihn aufgrund seiner Behinderung diskriminiert habe. Grundlage ist das zivilrechtliche Benachteiligungsverbot nach § 19 AGG. Danach ist eine Benachteiligung, z.B. wegen einer Behinderung, auch in zivilrechtlichen Massengeschäften unzulässig. Vermietung von Wohnraum fällt darunter, sofern Vermieter insgesamt mehr als 50 Wohnungen vermieten, was vorliegend der Fall ist.

Unmittelbare Benachteiligung des Mieters

Da die Vermieterin die Zustimmung zum Bau der Rampe über zwei Jahre bis zur Entscheidung des LG verwehrte, habe sie den Mieter durch Unterlassen unmittelbar benachteiligt. Sie sei nach § 5 AGG verpflichtet gewesen, die Benachteiligung des Klägers durch positive Maßnahmen zu beseitigen, z.B. die Erteilung der Zustimmung zum Bau einer Rampe. Dieser Handlungspflicht sei die Vermieterin nicht nachgekommen. Im Vergleich zu anderen Mietern ohne (körperliche) Behinderung sei ihm der Zugang zur Wohnung rechtswidrig versagt worden.

Die Höhe der Entschädigung begründet das Gericht mit den gravierenden Folgen der Benachteiligung für den Kläger und dem Verhalten der Vermieterin. Aus Sicht des Gerichts handelte diese nicht problemorientiert, sondern verweigerte zwei Jahre lang hartnäckig die Zustimmung zum Bau der Rampe aus pauschalen Gründen, die nicht ansatzweise zu überzeugen vermochten. Ohne Hilfe Dritter war es dem Kläger nicht möglich, die vorhandenen sechs Treppenstufen zu überwinden und er konnte das Haus nicht spontan verlassen oder betreten. Er war dadurch in seiner Bewegungs- und Handlungsfreiheit stark eingeschränkt.

Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 30.9.2024, 66 S 24/24, PM 32/24

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Eigentumserwerb: Mietvertrag und Schadenersatzverzicht bei verzögertem Wohnungsverkauf sittenwidrig

| Kann der Verkäufer einer Eigentumswohnung den Kaufvertrag selbstverursacht nicht erfüllen, ist das Angebot eines Mietvertrags unter der Bedingung eines Schadenersatzverzichts unter Umständen sittenwidrig. So sieht es das Amtsgericht (AG) Hanau. |

Fehlgeschlagener Eigentumserwerb

Die Parteien schlossen einen Kaufvertrag über eine Eigentumswohnung. Kurz vor dem vereinbarten Stichtag informierte die Käuferin die Käufer, dass die Vormerkung wegen eines Fehlers der Teilungserklärung nicht im Grundbuch eingetragen wird, sodass der Vertrag vorerst nicht vollzogen werden kann. Sie bot ihnen stattdessen den Abschluss eines Mietvertrags über die Wohnung an unter der Bedingung, dass sie auf alle Schadenersatzansprüche wegen der Verzögerung verzichten. Die Käufer erklärten sich hierzu bereit, weil ihre Mietwohnung bereits gekündigt und die Käuferin zudem schwanger war. Sie zahlten vorerst die Mieten vollständig und rechneten diese sodann teilweise gegen die Finanzierungskosten ihrer Bank auf, welche den Kaufpreis weiterhin zur Auszahlung bereithielt.

Verkäufer handelt sittenwidrig

Das AG: Der Verkäufer einer Eigentumswohnung handelt sittenwidrig, wenn er die Wohnung nicht fristgerecht veräußern kann und den Käufern stattdessen einen Mietvertrag bei Verzicht auf alle Schadenersatzansprüche anbietet. Eine solche Verzichtserklärung ist zudem beurkundungspflichtig.

Die Verkäuferin durfte folglich die weiteren Mieten nicht fordern. Denn sowohl der Mietvertrag als auch die Verzichtserklärung sind sittenwidrig. Es habe an sich überhaupt keinen Grund für die Käufer gegeben, diese Verträge einzugehen, weil die Klägerin für die Verzögerung verantwortlich war, zumal die Mieten zumindest auf den Kaufpreis hätten verrechnet werden müssen. Die Klägerin habe vielmehr deren Zwangslage ausgenutzt. Zwar hätten die Beklagten die laufenden Kosten der Eigentumswohnung ohnehin tragen müssen. Diese waren jedoch durch die erbrachten Zahlungen getilgt. Der Verzicht auf Schadenersatz unterlag zudem der notariellen Beurkundungspflicht, weil er den Kaufvertrag inhaltlich ändert.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle | AG Hanau, Urteil vom 15.3.2024, 32 C 243/21, PM vom 8.10.2024

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Verbraucherrecht

Datenschutz-Falle beim Hausverkauf: Wohnraumfotos im Online-Exposé müssen freigegeben sein

| Will ein Makler Fotos einer Immobilie für ein Exposé verwenden, benötigt er die Einwilligung der Bewohner des Hauses. Denn Bilder von bewohnten Räumen sind sog. personenbezogene Daten nach der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO). Benutzt der Makler bei der Verkaufswerbung solche Bilder ohne Einwilligung, kann dies Schadenersatzansprüche in Form von Schmerzensgeld zur Folge haben. Das hat das Landgericht (LG) Frankenthal in einer aktuellen Entscheidung festgestellt. Die Klage eines Ehepaars wegen Verletzung ihrer Privatsphäre hat das LG aber trotzdem abgewiesen. Denn es hatte den Makler selbst ins Haus gelassen, damit die Bilder gemacht werden konnten. |

Doppelhaushälfte sollte verkauft werden

Die vom Ehepaar gemietete Doppelhaushälfte sollte verkauft werden. Das beauftragte Maklerbüro wollte ein aussagekräftiges Online-Exposé erstellen und brauchte dafür Fotos von den Innenräumen der bewohnten Immobilie. Dazu ließ das Paar Mitarbeiter des Maklerbüros an einem abgesprochenen Termin in ihr Zuhause. Nachdem das Ehepaar von mehreren Seiten auf die Internetfotos ihrer Wohnung angesprochen worden war, fühlte es sich jedoch zunehmend unwohl, demaskiert und hatte das Gefühl, beobachtet zu sein. Obwohl der Makler die Bilder sofort wieder aus dem Netz nahm, machte es einen immateriellen Schaden für sich geltend, der allein durch die Löschung nicht gutgemacht sei. Es verlangte ein Schmerzensgeld, das es schließlich auch vor Gericht durchzusetzen versuchte.

Stillschweigende Einwilligung

Das LG gab dem Makler recht. Durch das Verhalten des Mieter-Ehepaars habe dies stillschweigend in die Anfertigung und auch in die Verwendung der Bilder eingewilligt. Eine ausdrückliche oder gar schriftliche Einwilligung verlange die DS-GVO nicht. Es sei klar gewesen, dass auch fremden Personen die Fotos zugänglich gemacht werden würden. Zwar habe der Makler nicht darüber aufgeklärt, dass die einmal erteilte Einwilligung jederzeit widerruflich sei. Eine ohne den Hinweis erteilte Einwilligung werde jedoch nicht unwirksam und bleibe bestehen.

Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 4.6.2024, 3 O 300/23, PM vom 29.7.2024

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Schadenersatzforderung: Fehlbestellung: Die „seitenverkehrte“ Duschkabine

| Wer trägt den Schaden, wenn ein Kunde im Internet eine Duschkabine bestellt und den Händler mit dem Aufbau beauftragt, die Kabine sich aber nicht wunschgemäß aufbauen lässt, weil sie „seitenverkehrt“ bestellt wurde? Das Amtsgericht (AG) München hat dazu eine klare Meinung. |

Das war geschehen

Der Kläger hatte im Internet bei einem auf Duschkabinen spezialisierten Händler für 1.726 Euro eine aus Glas gefertigte Eck-Dusche bestellt und den Händler mit der Montage der bestellten Duschkabine beauftragt. Der vom Händler entsandte Monteur hatte bereits mit dem Aufbau begonnen und Löcher gebohrt, als festgestellt wurde, dass der geplante Aufbau mit der gelieferten Ware nicht möglich ist. Der Kläger hatte bei der Bestellung die festen und beweglichen Teile „seitenverkehrt“ bestellt, sodass die Dusche nicht so wie geplant eingebaut werden konnte.

Hinweispflicht des Monteurs?

Der Kläger meinte, dass ihm ein Schadenersatzanspruch gegen den Händler zustehe, weil der Monteur nicht schon bei Beginn der Arbeit darauf hingewiesen hatte, dass die Dusche nicht wie geplant eingebaut werden könne. Er meint, der Monteur hätte die falschen Teile bereits zu Beginn der Montage bemerken und darauf hinweisen müssen. Durch die Montage seien Bohrlöcher in den Wandpaneelen entstanden, deren Beseitigung 773,05 Euro gekostet hätte. Zudem sei ihm für den Abbau der falschen Duschelemente ein Schaden von 100 Euro entstanden. Diese Kosten machte er im Wege der Klage geltend.

„Seitenverkehrtheit“ war nicht erkennbar

Das Gericht wies die Klage ab. Es erkannte nicht, dass der Monteur vor Beginn der Montage auf Umstände, die der geplanten Montage entgegenstehen, hätte hinweisen müssen. Es sei vorab nicht erkennbar gewesen, dass die Dusche „seitenverkehrt“ bestellt worden war. Vielmehr sei die Dusche grundsätzlich montierbar gewesen, nur nicht so, wie gewünscht. Zudem fehle es an der erforderlichen Kausalität des eingeklagten Schadens. Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle | AG München, Urteil vom 31.7.2023, 191 C 10665/23, PM 30/24

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Hinweispflicht: Geänderte Einreisebestimmungen: Kein verlängerter Kinderreisepass für die Malediven

| Es besteht keine Informationspflicht des Reiseveranstalters über Änderungen der Einreisebestimmungen nach Vertragsschluss. Darauf hat das Amtsgericht (AG) München jetzt hingewiesen. |

Klage auf Schadenersatz gegen Reiseveranstalter

Das AG wies eine Klage gegen einen Reiseveranstalter auf Schadenersatz in Höhe von 4.577,19 Euro wegen der Nichterfüllung von Hinweispflichten ab, nachdem aufgrund geänderter Einreisebestimmungen für die Malediven der Check-In eines Siebenjährigen am Flughafen verweigert wurde.

Die Kläger hatten bei der Beklagten für sich und ihre beiden minderjährigen Kinder eine Pauschalreise auf die Malediven für den Zeitraum vom 5.7. bis 19.7.2023 gebucht. Der Hinflug startete am 5.7.2023 um 17:35 Uhr ab Frankfurt/Main. Der siebenjährige Sohn der Kläger sollte die Reise mit seinem verlängerten Kinderreisepass antreten, der bis zum 15.3.2024 gültig war. Ihm wurde jedoch am Check-In-Schalter die Beförderung mit der Begründung verweigert, dass die maledivischen Behörden keinen verlängerten Kinderreisepass akzeptieren. Für die Malediven gibt es seit Anfang 2023 eine Regelung, wonach verlängerte Kinderreisepässe nicht akzeptiert werden, sondern nur Kinderreisepässe, die erstmalig ausgestellt sind.

Die Kläger buchten daraufhin bei der Beklagten vier Flüge für den Folgetag zum Preis von 3.302 Euro. Für die Hotelübernachtung und die Transportkosten zwischen Flughafen und Hotel entstanden Kosten in Höhe von insgesamt 294,86 Euro. Am nächsten Tag wurde ein neuer Pass für das siebenjährige Kind ausgestellt. Die Kläger und deren Kinder konnten die Reise sodann antreten.

Die Kläger sind der Ansicht, dass es der Beklagten ohne erheblichen Aufwand möglich gewesen wäre, die Kläger vor Reisebeginn über die Änderung der Einreisebestimmungen zu unterrichten.

Für die Ausstellung des Kinderreisepasses durch eine nicht zuständige Kommune sind den Klägern darüber hinaus Mehrkosten in Höhe von 13 Euro entstanden. Als Kompensation für einen Tag entgangenen Urlaub machten die Kläger zudem 567,33 Euro geltend und für entstandene Unannehmlichkeiten 400 Euro.

So sah es das Amtsgericht

Das AG wies die Klage gegen den Reiseveranstalter ab. Die Beklagte habe unstreitig vor Vertragsschluss ihre Informationspflicht gemäß dem deutschen Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (hier: EG 250 § 3 Nr. 6 EGBGB) erfüllt. Darüber hinaus besteht nach Auffassung des Gerichts keine weitergehende Pflicht der Beklagten, die Reisenden über geänderte Einreisebestimmungen zu informieren.

Reisende müssen sich selbst informieren

Es liege damit im Verantwortungsbereich des Reisenden, sich zu informieren, wie die aktuellen Regelungen sind und ob er diese erfüllt, gerade wenn es sich, wie vorliegend, um eine Fernreise handelt. Die Kläger verfügten über Internetzugang, sodass es durchaus zumutbar war, sich kurzfristig vor Reisebeginn nochmals über die gültigen Einreisebestimmungen zu versichern dies insbesondere, da zwischen Buchung der Reise und dem Reisebeginn neun Monate lagen.

Kläger setzten sich über Hinweis hinweg

Letztendlich, so das AG, habe die Beklagte vorliegend bereits bei Vertragsschluss darauf hingewiesen, dass die Dokumente im Original vorliegen und nicht verlängert sein sollten. Die Kläger haben vorliegend nicht vorgetragen, warum sie diesem Hinweis der Beklagten nicht entsprochen haben und dennoch mit einem verlängerten Pass die Reise antreten wollten.

Quelle | AG München, Urteil vom 27.2.2024, 223 C 19445/23, PM 27/24

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Haftungsfrage: Beschädigung in der Duplex-Garage

| Vor Betätigung der Hebevorrichtung einer Duplex-Garage besteht keine Verpflichtung zur Kontrolle, ob Fahrzeuge ordnungsgemäß geparkt sind. So sieht es das Amtsgericht (AG) München. |

Unsachgemäße Bedienung?

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Schadenersatz in Höhe von 4.894,60 Euro wegen unsachgemäßer Bedienung der Hebevorrichtung einer Duplex-Garage. Der Kläger ist Halter eines Audi A6 und Nutzer der unteren Etage einer Duplex-Garage, der Beklagte ist Nutzer der oberen Etage. Am 30.6.2023 morgens gegen 9:30 Uhr bediente der Beklagte die Hebevorrichtung, um an in seinem Fahrzeug deponiertes Werkzeug zu gelangen. Beim Absenken des Parkplatzes hörte der Beklagte ein kratzendes Geräusch und fuhr den Stellplatz wieder nach oben. Nachdem der Beklagte den Kläger noch am selben Tag informiert hatte, gingen sie abends gemeinsam in die Tiefgarage. Dort bediente der Beklagte die Hebevorrichtung erneut. Hierdurch sei des Weiteren die Antenne am Dach des Fahrzeugs zertrümmert und das Dach eingedrückt worden.

Der Kläger ist der Ansicht, der Beklagte hafte für die Schäden an dessen PKW. Der Pkw des Klägers sei ordnungsgemäß in der Duplex-Garage abgestellt gewesen. Der Beklagte hätte nach dem Hören der Kratzgeräusche jegliche Bedienung sofort einstellen müssen. Die zweite Bedienung der Hebevorrichtung am Abend sei ohne Einverständnis des Klägers erfolgt.

Keine weiteren Schäden bei erneutem Absenken

Nach Auffassung des Beklagten habe der PKW des Klägers nicht auf den Stellplatz gepasst oder sei nicht ordnungsgemäß abgestellt worden. Als beide gemeinsam abends in der Tiefgarage waren, habe der Kläger das Fahrzeug mithilfe eines Manövers mit Handbremse und Gaspedal oben auf die Schwelle gesetzt, sodass genügend Abstand zwischen Fahrzeugheck und Fußbodenebene gegeben war. Daraufhin habe der Beklagte mit Einverständnis des Klägers den Stellplatz abgesenkt, ohne dass es zu einem weiteren Schaden gekommen wäre.

Das AG wies die Klage nach Anhörung eines Sachverständigen ab. Denn die Absenkung der Hebevorrichtung geschieht durch Drehen eines Schlüssels in der Schlüsselschaltung. Hierbei kann dem Beklagten nur ein Vorwurf gemacht werden, wenn er erkennen konnte, dass durch das Herabfahren der Hebevorrichtung das Fahrzeug des Klägers beschädigt wird, so das AG. Hierfür gab es jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Den Beklagten trifft auch keine Verpflichtung, vor Betätigung der Hebevorrichtung zu kontrollieren, ob die geparkten Fahrzeuge ordnungsgemäß geparkt sind.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle | AG München, Urteil vom 11.4.2024, 223 C 19925/23, PM 28/24

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Auktionskauf: Streit um Beschaffenheit einer BMW-Felge

| Eine Felge, die bei eBay als „Neu, aus Demontage“ verkauft wird, ist nicht gleichwertig mit einer neuen, unbenutzten Felge. So entschied es das Amtsgericht (AG) München. |

Das war geschehen

Eine Felge, die bei eBay als „Neu, aus Demontage“ verkauft wird, ist nicht gleichwertig mit einer neuen, vollkommen unbenutzten Felge. Der Kläger erwarb über die Auktionsplattform eBay im November 2023 von dem Beklagten, einem gewerblichen Händler, eine original BMW-Felge zum Preis von 199,11 Euro. Der Verkäufer versandte in der Folge die Felge jedoch nicht, sondern erstattete den Kaufpreis zurück. Der Kläger setzte dem Verkäufer dennoch eine Frist zur Lieferung der Felge. Nachdem die Frist verstrichen war, kaufte sich der Kläger bei einem BMW-Vertragshändler eine neue Felge zu einem höheren Preis und verlangte von dem Beklagten die Erstattung der Mehrkosten in Höhe von 154,26 Euro.

In eBay war die Felge mit dem Artikelzustand „Neu: Sonstige (siehe Artikelbeschreibung)“ eingestellt. In der Artikelbeschreibung hieß es „eine neue Felge, aus der Demontage Felge ist NEU“. In den allgemeinen Artikelzustandsbeschreibungen hieß es zur gewählten Kategorie weiterführend u.a.: „Ein Artikel in hervorragendem Zustand, wie neu und ohne Gebrauchsspuren.“

Amtsgericht sieht keinen Schadenersatzanspruch

Das Gericht wies die Klage ab. Ein Schadenersatzanspruch wegen der Mehrkosten könne nur bestehen, wenn der nachträglich erworbene Gegenstand gleichwertig sei. Dies war nach Einschätzung des Gerichts jedoch nicht der Fall.

Das AG: Neue Felgen und Felgen aus der Demontage fallen nicht in die gleiche Warenkategorie. Neue Felgen werden zu Neupreisen gehandelt. Es handelt sich um völlig unbenutzte Neuware, in der Regel mit der entsprechenden Verkäufer- bzw. Herstellergarantie. Felgen aus der Demontage wurden wie die eindeutige Bezeichnung verrät bereits einmal montiert und demontiert, was auch bei sonstiger Neuwertigkeit einer Felge deren Marktwert bereits erheblich senkt. Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle | AG München, Urteil vom 28.2.2024, 161 C 23096/23, PM 29/24

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Verkehrsrecht

Sorgfaltspflicht: Alleinhaftung des Auffahrenden bei Zweitunfall

| Wer Anzeichen für einen Verkehrsunfall auf der eigenen Fahrbahn ignoriert und mit voller Geschwindigkeit auf die Unfallstelle zufährt, kann keinen Schadenersatz wegen einer Kollision verlangen. Das hat das Landgericht (LG) Lübeck entschieden. |

Kollision mit einem Rehkadaver

Ein Mercedes-Fahrer kollidierte auf der Autobahn mit einem Reh. Sein Fahrzeug verlor hierbei einige Teile auf dem linken Fahrstreifen. Dort blieben auch Teile des Rehkadavers liegen. Mehrere Minuten nach dem Unfall erreichte ein Audi-Fahrer die Erstunfallstelle. Er fuhr auf dem linken Fahrstreifen mit einer Geschwindigkeit von 130 km/h. Dabei bemerkte er eine Person, die 500 Meter vor ihm ohne Warnweste auf seinem Fahrstreifen lief. Auf Höhe dieser Person will der Audi-Fahrer mit Teilen des Reh-Kadavers kollidiert sein, wodurch erhebliche Schäden am Fahrzeug entstanden sein sollen.

Der Audi-Fahrer wollte diesen Schaden vollständig ersetzt bekommen. Die Erstunfallstelle sei bei seinem Eintreffen nicht abgesichert gewesen und er habe seine Geschwindigkeit bis hin zur Vollbremsung reduziert, sobald er die Person auf seinem Fahrstreifen bemerkt habe. Die Versicherung der Eigentümerin des Mercedes lehnte das ab. Darauf versuchte der Audi-Fahrer seinen Anspruch vor dem LG Lübeck gegen die Versicherung und den Mercedes-Fahrer durchzusetzen.

Sorgfalt außer Acht gelassen

Nach Ansicht des Gerichts wurde der Zweitunfall ganz überwiegend durch den Audi-Fahrer selbst verursacht. Indem er „die ausreichende Absicherungsmaßnahme durch das Warndreieck und die Bedeutung einer betriebsfremden Person auf der Autobahn grob missachtet hat und darauf verzichtet hat, dies zum Anlass zu nehmen, um besonders aufmerksam zu sein, seine Fahrgeschwindigkeit deutlich zu reduzieren und sich bremsbereit zu halten, hat er jegliche Sorgfalt außer Acht gelassen, die in der durch ihn selbst vorgetragenen Ausgangslage erforderlich gewesen wäre, um sich vor Schäden zu bewahren“. Er habe sich schließlich „sehenden Auges ohne sachlichen Grund selbst in Gefahr begeben“. Vor diesem Hintergrund hielt das Gericht eine Haftung des Mercedes-Fahrers und der Versicherung nicht für gerechtfertigt.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle | LG Lübeck, Urteil vom 29.12.2023, 9 O 1/22

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Fahrerlaubnis auf Probe: Medizinisch-psychologisches Gutachten nach erneutem Verkehrsverstoß in neuer Probezeit

| Gegenüber dem Inhaber einer Fahrerlaubnis auf Probe, der nach der Begehung von mindestens einer schwerwiegenden oder zwei weniger schwerwiegenden Zuwiderhandlung(en) auf die Fahrerlaubnis verzichtet und der nach der Neuerteilung der Fahrerlaubnis in der neuen Probezeit erneut eine schwerwiegende oder zwei weniger schwerwiegende Zuwiderhandlung(en) begeht, muss die zuständige Fahrerlaubnisbehörde wie im Fall einer vorangegangenen Fahrerlaubnisentziehung in entsprechender Anwendung des Straßenverkehrsgesetzes (hier: § 2a Abs. 5 S. 5 StVG) in der Regel die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anordnen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden. |

Negative Beurteilung der Fahreignung

Dem Kläger wurde erstmals im Juli 2014 die Fahrerlaubnis der Klasse B erteilt. Bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle und einer weiteren Kontrolle aus Anlass von Verkehrsverstößen wurde der Konsum von Cannabis festgestellt. Darauf verlangte die Fahrerlaubnisbehörde ein medizinisch-psychologisches Gutachten. Das von dem Kläger vorgelegte Gutachten führte zu einer negativen Beurteilung seiner Fahreignung, worauf er auf seine Fahrerlaubnis verzichtete.

Neuerteilung der Fahrerlaubnis

Auf der Grundlage eines nun positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens wurde dem Kläger im Juli 2020 die Fahrerlaubnis der Klasse B neu erteilt. Zwei Monate später überfuhr er eine bereits länger als eine Sekunde rote Ampel. Die Fahrerlaubnisbehörde ordnete erneut die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens an und stützte sich hierfür auf § 2a Abs. 5 S. 5 StVG.

Entziehung der Fahrerlaubnis

Nachdem der Kläger das Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt hatte, wurde ihm die Fahrerlaubnis entzogen. Das Verwaltungsgericht (VG) hat die Entziehung der Fahrerlaubnis aufgehoben, weil die Anordnung der Beibringung eines erneuten medizinisch-psychologischen Gutachtens nicht auf § 2a Abs. 5 S. 5 StVG habe gestützt werden können. Die Vorschrift gelte nach ihrem Wortlaut nur, wenn die erste Fahrerlaubnis entzogen worden sei und nicht, wenn der Betroffene wie hier auf die Fahrerlaubnis verzichtet habe. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) hat hingegen die Vorschrift auf den Verzicht für entsprechend anwendbar gehalten und die Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis abgewiesen.

So sieht es das Bundesverwaltungsgericht

Das BVerwG hat die Rechtsauffassung des OVG bestätigt. Die Anforderung des medizinisch-psychologischen Gutachtens konnte auf § 2a Abs. 5 S. 5 StVG in entsprechender Anwendung gestützt werden.

Die Fahrerlaubnis auf Probe wurde im Jahr 1986 eingeführt. Sie soll allen Fahranfängern deutlich machen, dass sie sich in einer Probezeit bewähren müssen. Mit dem Gesetz zur Änderung des StVG vom 24.4.1998 reagierte der Gesetzgeber auf den Versuch, die Regelungen der Fahrerlaubnis auf Probe durch Verzicht und anschließenden Neuerwerb zu umgehen. Es hatte zum Ziel, dass die Regelungen für den Fall der Entziehung auch beim Verzicht auf die Fahrerlaubnis Anwendung finden.

Gesetzliche Regelungslücke

Für die hier in Rede stehenden Regelungen über die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis und Zuwiderhandlung in der neuen Probezeit (§ 2a Abs. 5 StVG) sollte ebenfalls eine Gleichstellung erfolgen. Ausdrücklich geregelt wurde sie nur für das Erfordernis der Teilnahme an einem Aufbauseminar vor Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis, nicht für die Anforderung eines Gutachtens nach erneuter Nichtbewährung in der neuen Probezeit. Das Ziel, einer Umgehung der Probezeit mit ihren besonderen Maßnahmen zu begegnen, sowie Sinn und Zweck der Vorschriften, im Interesse der Verkehrssicherheit auf alle Fahranfänger gleiche Regeln anzuwenden, rechtfertigen die Annahme einer nicht beabsichtigten Regelungslücke, die durch eine entsprechende Anwendung der Vorschrift zu schließen ist.

Quelle | BVerwG, Urteil vom 10.10.2024, 3 C 3.23, PM 47/24

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Cannabis-Legalisierung: Fahrlehrer: Fahrerlaubnisentzug nach Cannabis-Konsum?

| Am 1.4.24 sind das Konsumcannabisgesetz (KCanG) und das Cannabisgesetz (CanG) in Kraft getreten. Diese enthielten auch Änderungen zur Fahrerlaubnisverordnung (FEV). Betroffen waren vor allem die Voraussetzungen für die Entziehung der Fahrerlaubnis bei Cannabiskonsum. Die Änderungen zielen darauf ab, die (neue) Rechtslage zu präzisieren und gleichzeitig auf die (Teil)Legalisierung zu reagieren. Es liegt nun eine erste Entscheidung eines Oberverwaltungsgerichts (OVG) zur Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Cannabiskonsum nach neuem Recht vor. |

Fahrlehrer konsumierte regelmäßig Cannabis

Im Fall des OVG Saarland war einem Fahrlehrer die Fahrerlaubnis wegen regelmäßigen Cannabiskonsums entzogen worden. Sein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hatte zwar beim OVG keinen Erfolg. Das OVG macht aber interessante Ausführungen zu den Auswirkungen des KCanG/CanG: Es verweist darauf, dass maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Fahrerlaubnisentziehung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ist. Die Widerspruchsbehörde müsse ihrer Entscheidung daher ggf. das am 1.4.24 in Kraft getretene neue Recht zugrunde legen.

Neues Recht einschlägig

Mit der Neuregelung hat der Normgeber seine bisherige Annahme aufgegeben, dass mit einem regelmäßigen Konsum im Regelfall mangelnde Kraftfahreignung einhergeht. Der bisherigen Regelvermutung der Ungeeignetheit ist damit in ihrer bisherigen Ausgestaltung die Grundlage entzogen.

Abhängigkeit oder Unbedenklichkeit?

Zwar geht aus der Gesetzesbegründung nicht hervor, unter welchen Voraussetzungen der Betroffene nicht hinreichend sicher zwischen dem Führen eines Kraftfahrzeugs und einem die Fahrsicherheit beeinträchtigenden Konsum trennt. Insoweit drängt sich auf, dass bei regelmäßigem Konsum nun die Umstände des Einzelfalls von zentraler Bedeutung sind. Nach ihnen ist zu beurteilen, ob der Tatbestand des Missbrauchs bzw. der Abhängigkeit erfüllt ist oder ein fahrerlaubnisrechtlich unbedenkliches Konsumverhalten vorliegt.

Begutachtung erforderlich

Das auf die alten Beurteilungsleitlinien gestützte Argument, bei regelmäßigem Cannabiskonsum liege im Regelfall Cannabismissbrauch vor, hat demgegenüber nach Auffassung des OVG das Potenzial, den Willen des Normgebers zu konterkarieren. Vielmehr stellt das OVG klar: Es erscheint nach Inkrafttreten der neuen fahrerlaubnisrechtlichen Regelungen zum Cannabiskonsum nicht (mehr) vertretbar, bei regelmäßigem Konsum allein gestützt auf diesen und auf die bisherige Fassung der Begutachtungsleitlinien für die Kraftfahreignung, also ohne vorherige Begutachtung, auf eine durch Cannabismissbrauch bedingte Fahrungeeignetheit zu schließen.

Quelle | OVG Saarland, Urteil vom 7.8.2024, 1 B 80/24, Abruf-Nr. 243959 unter www.iww.de

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Steuerrecht

Lohnsteuer: Aufwendungen für sicherheitsgefährdete Arbeitnehmer

| Manche Arbeitnehmer sind aufgrund ihrer beruflichen Position sicherheitsgefährdet. Ihre Arbeitgeber tragen dann die Aufwendungen für Sicherheitsmaßnahmen. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat nun dazu Stellung genommen, wie die vom Arbeitgeber getragenen oder ersetzten Aufwendungen lohnsteuerlich zu behandeln sind. |

Bei der lohnsteuerlichen Behandlung der Aufwendungen bzw. der vom Arbeitgeber gewährten Vorteile ist zu unterscheiden, ob

  • es sich um steuerpflichtigen Arbeitslohn handelt oder
  • die Vorteile im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt werden (dann liegt kein steuerpflichtiger Arbeitslohn vor).

Das BMF stellt zunächst klar, dass Aufwendungen des Arbeitgebers für das ausschließlich mit dem Personenschutz befasste Personal (z. B. Leibwächter, Personenschützer) nicht zu steuerpflichtigem Arbeitslohn der zu schützenden Person führen. Denn diese Vorteile werden im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt.

Darüber hinaus geht das BMF auf folgende Aspekte ein:

  • Einbau von Sicherheitseinrichtungen,
  • Arbeitnehmer mit Positionsgefährdung,
  • Zuflusszeitpunkt,
  • Änderung der Gefährdungsstufe,
  • Ersatz von Aufwendungen für den Einbau von Sicherheitseinrichtungen und
  • sicherheitsgeschützte Kraftfahrzeuge.

Quelle | BMF-Schreiben vom 11.11.2024, IV C 5 – S 2332/23/10006 :001, Abruf-Nr. 244745 unter www.iww.de

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Erbschaft: Betriebsprüfung ist auch nach dem Tod des Geschäftsinhabers zulässig

| Eine Betriebsprüfung für zurückliegende Besteuerungszeiträume ist auch zulässig, wenn der Inhaber verstorben ist und der Betrieb von den Erben nicht weitergeführt wird. Das hat das Finanzgericht (FG) Hessen entschieden. |

Das war geschehen

Geklagt hatten zwei Söhne, die jeweils Miterbe nach ihrem verstorbenen Vater geworden waren. Der Vater betrieb bis zu seinem Tod ein Bauunternehmen. Obwohl der Betrieb von den Söhnen nicht weitergeführt wurde, ordnete das Finanzamt eine Betriebsprüfung für mehrere zurückliegende Jahre an.

Die Söhne waren der Ansicht, dass eine Betriebsprüfung nur erfolgen dürfe, solange der Inhaber selbst Auskünfte zu der betrieblichen Tätigkeit geben könne und der Betrieb noch existiere. Eine Betriebsprüfung nach dem Tod des Betriebsinhabers sei unzulässig. Das FG Hessen teilte diese Auffassung aber nicht.

Steuerliche Pflichten gehen auf Erben über

Die steuerlichen Pflichten gehen mit dem Tod des Betriebsinhabers auf die Erben über. Dazu gehört auch die Duldung der Betriebsprüfung. Mögliche Schwierigkeiten in Bezug darauf, dass bestimmte Auskünfte nicht erteilt oder Unterlagen nicht vorgelegt werden können, sind nicht bei der Frage der Zulässigkeit einer Außenprüfung zu berücksichtigen. Dies sind Umstände, die im späteren Besteuerungsverfahren auf Ebene der Beweisführung Bedeutung erlangen.

Beachten Sie | Da das FG keine Revision zugelassen hat, wurde Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesfinanzhof (BFH) eingelegt.

Quelle | FG Hessen, Urteil vom 10.5.2023, 8 K 816/20

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Dienstwagenbesteuerung: Nicht alle selbst getragenen Kosten mindern den geldwerten Vorteil

| Es können nur solche vom Arbeitnehmer getragenen Aufwendungen den geldwerten Vorteil aus der Überlassung des Fahrzeugs als Einzelkosten mindern, die bei einer (hypothetischen) Kostentragung durch den Arbeitgeber Bestandteil dieses Vorteils und somit von der Abgeltungswirkung der Ein-Prozent-Regel erfasst wären. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |

Das war geschehen

Der geldwerte Vorteil für die auch private Nutzungsüberlassung des Dienstwagens wurde nach der Ein-Prozent-Regel ermittelt. In seiner Einkommensteuererklärung begehrte der Arbeitnehmer eine Minderung dieses Vorteils um selbst getragene und privat veranlasste Maut-, Fähr- und Parkkosten sowie die Absetzung für Abnutzung eines privat angeschafften Fahrradträgers für den Dienstwagen.

Das Finanzamt, das Finanzgericht (FG) und der BFH lehnten dies aber ab.

Die im Streitfall getragenen Aufwendungen sind keine an den Arbeitgeber gezahlten Nutzungsentgelte, zeitraumbezogene Einmalzahlungen oder übernommene Anschaffungskosten des Dienstwagens, die den geldwerten Vorteil grundsätzlich mindern könnten.

Übernahme von Zusatzkosten wären geldwerter Vorteil

Würde der Arbeitgeber z. B. Maut- oder Parkkosten für private Reisen des Arbeitnehmers übernehmen, ergäbe sich ein eigenständiger geldwerter Vorteil zusätzlich zum ermittelten Vorteil nach der Ein-Prozent-Regel. Daraus ergibt sich für den BFH im Umkehrschluss, dass der geldwerte Vorteil aus der Nutzungsüberlassung des Pkw nicht gemindert wird, wenn der Arbeitnehmer derartige Kosten trägt.

Beachten Sie | In diesem Verfahren hat der BFH zudem entschieden, dass an den Steuerpflichtigen gezahlte Prozesszinsen nach der Abgabenordnung (hier: § 236 AO) steuerbare und steuerpflichtige Kapitalerträge sind.

Quelle | BFH, Urteil vom 18.6.2024, VIII R 32/20, Abruf-Nr. 242101 unter www.iww.de, PM Nr. 42/24 vom 14.11.2024

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Werbungskosten: Entfernungspauschale: Wann ist die tatsächlich benutzte längere Fahrtstrecke ansetzbar?

| Grundsätzlich kann die Entfernungspauschale nur für die kürzeste Entfernung beansprucht werden. Etwas anderes gilt aber, wenn eine andere Verbindung offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig benutzt wird (gem. § 9 Abs. 1 Nr. 4 S. 4 Einkommensteuergesetz (EstG)). Wann dies der Fall ist, musste jüngst das Finanzgericht (FG) Niedersachsen entscheiden. |

Hintergrund: Für die Fahrten zwischen der Wohnung und der ersten Tätigkeitsstätte können Steuerpflichtige die Entfernungspauschale steuermindernd als Werbungskosten ansetzen. Für 2022 bis 2026 gilt ab dem 21. Entfernungskilometer eine erhöhte Entfernungspauschale i. H. von 0,38 Euro.

Für die ersten 20 Kilometer erfolgte allerdings keine Anpassung. Hier gelten somit weiterhin 0,30 Euro.

Diese Argumentation liegt der gerichtlichen Entscheidung zugrunde: Eine Straßenverbindung ist als verkehrsgünstiger als die kürzeste Verbindung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte anzusehen, wenn der Arbeitnehmer eine andere (längere) Straßenverbindung nutzt und er die Arbeitsstätte auf diese Weise trotz gelegentlicher Verkehrsstörungen in der Regel schneller und pünktlicher erreicht.

„Offensichtlich” verkehrsgünstiger ist die vom Arbeitnehmer gewählte Straßenverbindung, wenn ihre Vorteilhaftigkeit so auf der Hand liegt, dass sich auch ein unvoreingenommener, verständiger Verkehrsteilnehmer unter den gegebenen Verkehrsverhältnissen für die Benutzung der Strecke entschieden hätte. Dass bei extremen Stauverhältnissen die Umwegstrecke auch verkehrsgünstiger und schneller sein kann, reicht insoweit nicht aus.

Allein die höhere Zahl der Ampeln und die erforderliche Fahrt durch die Innenstadt bei Benutzung der kürzeren Strecke kommen im Rahmen der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls keine entscheidende Bedeutung zu. Das FG Niedersachsen führte aus: Die Indizwirkung der nicht feststellbaren regelmäßigen Fahrzeitverkürzung der längeren Strecke bzw. die im Regelfall sogar erhebliche Fahrzeitverkürzung der kürzeren Strecke bei normaler üblicher Verkehrslage überlagert im Rahmen der Gesamtbewertung mögliche Beeinträchtigungen durch Ampelschaltungen oder Innenstadtfahrten.

Krankheitsgründe können grundsätzlich gegen die Zumutbarkeit der Benutzung der kürzeren Fahrtstrecke sprechen (Entscheidung des FG Hamburg bei amtsärztlich attestierter Höhenangst und Fahrt über eine Brücke).

Beachten Sie | Die im Streitfall nicht weiter belegte erhöhte Unfallgefahr auf der kürzeren Fahrtstrecke sowie eine dargelegte Erforderlichkeit von planbaren Pausen wegen Rückenleidens bzw. Schwerbehinderung reichen allerdings nicht aus, dass die Benutzung der kürzeren Fahrtstrecke als unzumutbar angesehen werden kann. Dies gilt zumindest, wenn der Steuerpflichtige (wie im Streitfall) infolge eines Standortwechsels des Arbeitgebers in einem späteren Veranlagungszeitraum einen Großteil der kürzeren Fahrtstrecke dann tatsächlich nutzt.

Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 3.4.2024, 9 K 117/21, Abruf-Nr. 243441 unter www.iww.de; FG Hamburg, Urteil vom 24.3.2003, II 61/02

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Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht

Freiberufler und Gewerbetreibende: Teilwertansatz bei börsennotierten „hybriden“ Anleihen

| Der Bundesfinanzhof (BFH) musste jüngst darüber entscheiden, ob für hybride Wertpapiere im Streitjahr 2012 der niedrigere Kurswert als Teilwert angesetzt werden darf oder der höhere Nominalwert angesetzt werden muss. Er entschied zugunsten einer Teilwertabschreibung: Bei börsennotierten verzinslichen Wertpapieren ohne feste Laufzeit, die von den Gläubigern nicht gekündigt werden können, liegt eine voraussichtlich dauernde Wertminderung vor, wenn der Börsenwert zum Bilanzstichtag unter denjenigen im Zeitpunkt des Erwerbs der Anteile gesunken ist und der Kursverlust die Bagatellgrenze von 5 % der Anschaffungskosten bei Erwerb überschreitet. |

Quelle | BFH, Urteil vom 23.8.2023, XI R 36/20

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Zahlungsdiensterahmenvertrag: Abtretbarkeit von Auskunftsansprüchen über Bankentgelte an ein Inkassounternehmen

| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat über die Revision eines Inkassounternehmens gegen ein Berufungsurteil des Landgerichts (LG) über die Abtretbarkeit von Ansprüchen auf Auskunft über Bankentgelte entschieden. Das Abtretungsverbot im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 399 Fall 1 BGB), so der BGH, stehe einer Abtretung der Auskunftsansprüche an das Inkassounternehmen nicht entgegen. |

Das war geschehen

Die Klägerin ist ein Inkassounternehmen. Sie begehrt von der beklagten Bank aus abgetretenem Recht im Wege der sog. Stufenklage zunächst Auskunft über die von einer Kundin der Bank geleisteten Entgelte, um anschließend Rückzahlung rechtsgrundlos gezahlter Entgelte zu verlangen. Die Kundin schloss mit der Beklagten im Jahr 2012 einen Zahlungsdiensterahmenvertrag. Sie trat ausweislich einer Abtretungserklärung Erstattungsansprüche wegen unwirksamer Gebührenerhöhungen und zu viel berechneter Entgelte sowie Ansprüche auf Zurverfügungstellung einer vollständigen Entgeltaufstellung seit dem 1.1.2018 und auf Erteilung aktueller, vorangegangener und vorvertraglicher Entgeltinformationen an die Klägerin ab. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Kundin die Abtretungserklärung unterzeichnet hat. Die Klägerin beansprucht von der Beklagten Mitteilung vorvertraglicher Entgeltinformationen und Zurverfügungstellung einer Aufstellung über sämtliche Entgelte, die seit dem 1.1.2018 im Zusammenhang mit dem von der Kundin geschlossenen Zahlungsdiensterahmenvertrag angefallen sind.

Das Amtsgericht (AG) hatte die Beklagte antragsgemäß auf der ersten Stufe zur Auskunftserteilung verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das LG die Klage abgewiesen und die Revision zugelassen.

So entschied der Bundesgerichtshof

Der BGH hat das Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Kein Abtretungsverbot

Die Abtretung der genannten Auskunftsansprüche ist nicht gemäß § 399 Fall 1 BGB ausgeschlossen. Die Auskunftsansprüche der Kundin haben keinen höchstpersönlichen Gehalt, der einer Abtretung entgegenstünde. Die begehrten Auskünfte betreffen ausschließlich die von der Beklagten im Zusammenhang mit dem Zahlungsdiensterahmenvertrag und dem Zahlungskonto erhobenen Entgelte und lassen keinen Rückschluss auf die persönliche Lebensgestaltung oder auf die personenbezogenen Daten der Kundin zu.

Keine besonders schutzwürdigen Interessen

Es besteht auch kein besonderes schutzwürdiges Interesse der Beklagten, die entgeltbezogenen Informationen ausschließlich ihrer Kundin zu erteilen, wenn diese infolge einer Abtretung die Auskunftserteilung an einen Dritten wünscht. Durch die Abtretung verändert sich die von der Beklagten geschuldete Leistungshandlung nicht. Die Übertragung des Anspruchs scheitert auch nicht daran, dass dieser nicht vom Verbraucher getrennt werden kann. Die Verbrauchereigenschaft ist lediglich Voraussetzung für die Entstehung dieses Anspruchs. Der weitere Bestand des einmal entstandenen Auskunftsanspruchs hängt nicht vom Fortbestand der Verbrauchereigenschaft ab.

Auch der Zweck der Auskunftsansprüche spricht nicht für einen Abtretungsausschlus. Die Unterrichtungspflichten nach § 675d Abs. 1 BGB und nach dem Zahlungskontengesetz (hier: § 10 ZKG) bezwecken nicht nur, dem Bankkunden einen Vergleich der Konditionen verschiedener Anbieter zu ermöglichen, sondern sollen dem Kunden auch eine Überprüfung ermöglichen, ob sich seine Bank vertragstreu verhält und ob ihm verneinendenfalls Ansprüche gegen sie zustehen.

Das LG wird sich nun u. a. mit der zwischen den Parteien im Streit stehenden Echtheit der Unterschrift der Kundin unter der Abtretungserklärung und ggf. mit dem Einwand der Beklagten befassen müssen, diese habe während des streitgegenständlichen Zeitraums ihre Informationspflichten ordnungsgemäß erfüllt, indem sie der Kundin Kontoauszüge einschließlich vollständig aufgeführter Entgelte zur Verfügung gestellt habe.

Quelle | BGH, Urteil vom 24.9.2024, XI ZR 111/23, PM 187/24

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Kapitalgesellschaften: Darlehen mit unsicherer Rückzahlung: Zeitpunkt einer verdeckten Gewinnausschüttung

| Beim Bundesfinanzhof (BFH) ist ein Verfahren mit folgender Rechtsfrage anhängig: Kann eine verdeckte Gewinnausschüttung bei Ausreichung eines Darlehens mit unsicherer Rückzahlung erst angenommen werden, wenn der Ausfall der Ansprüche feststeht oder ist bereits bei Ausreichung des Darlehens mit unsicherer Rückzahlung ein Zufluss und damit eine verdeckte Gewinnausschüttung beim Gesellschafter anzunehmen? Die Entscheidung dürfte für viele GmbH-Gesellschafter gerade in Krisenzeiten höchste Praxisrelevanz haben. |

Hintergrund

Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt vor, wenn

  • die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter (oder einer diesem nahestehenden Person) außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet,
  • diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat und
  • der Vermögensvorteil dem Gesellschafter bzw. der nahestehenden Person zugeflossen ist.

Beachten Sie | Eine verdeckte Gewinnausschüttung darf den Gewinn der Kapitalgesellschaft nicht mindern.

Quelle | FG Düsseldorf, Urteil vom 28.10.2022, 1 K 465/19 E, AO, Abruf-Nr. 243549 unter www.iww.de; Rev. BFH: VIII R 10/24

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Wettbewerbsrecht: Bestpreis-Werbung darf Verbraucher über den Umfang der Preisermäßigung nicht im Unklaren lassen

| Das Oberlandesgericht (OLG) Nürnberg musste in der Berufungsinstanz über die Unterlassungsklage eines Verbraucherschutzverbandes gegen einen Lebensmittelhändler entscheiden. Der Senat gab dem Verband recht und bestätigte damit das von dem Lebensmittelhändler angefochtene landgerichtliche Urteil. |

„30-Tage-Bestpreis“-Werbung

Der klagende Wettbewerbsverband wandte sich gegen die praktizierte „30-Tage-Bestpreis“-Werbung eines Lebensmitteldiscounters. In dessen Werbeprospekt bewarb dieser ein Lebensmittel mit einem prozentualen Preisvorteil von „-36%“. Darunter standen der derzeit für das Produkt verlangte Rabattpreis von „4,44 Euro“ und der als durchgestrichen gekennzeichnete zuvor verlangte Preis für das Produkt von „6,99 Euro“. Hinter der Preisangabe von „6,99 Euro“ befand sich eine hochgestellte Fußnote 1, die auf folgenden Fußnotentext verwies: „bisheriger 30-Tage-Bestpreis, außer (beworbenes Produkt)“. Das beworbene Produkt war in der Vorwoche für 6,99 Euro und zwei Wochen zuvor bereits für 4,44 Euro erhältlich.

Irreführende Werbung

Das OLG sah in dieser Kombination der Preisinformation eine irreführende Werbung. Für den Käufer werde bei dieser Darstellung aus der Werbeanzeige nicht hinreichend klar, dass sich die dargestellte Preisermäßigung auf den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage bezieht. Zu dieser Preisinformation ist der Händler jedoch nach einer seit 2022 geltenden Vorschrift in der Preisangabenverordnung verpflichtet. Das OLG entschied nun, dass der Verbraucher aufgrund dieser Vorschrift den niedrigsten Preis, den der Händler innerhalb der letzten 30 Tage vor der Preisermäßigung angewendet hatte, anhand der konkreten Angaben in der Werbung leicht ermitteln können muss.

Kombination von mehrdeutigen oder unklaren Preisinformationen

Zwar darf ein Händler die Preisermäßigung für Produkte zu Werbezwecken nutzen. Die Grenze des Zulässigen ist jedoch überschritten, wenn der Verbraucher aufgrund einer missverständlichen oder mit einer Kombination von mehrdeutigen oder unklaren Preisinformationen überfrachteten Darstellung über den tatsächlichen Umfang des Preisnachlasses im Unklaren gelassen wird. Gibt ein Verkäufer in einer Produktwerbung weitere Preise zu der beworbenen Ware an, muss die Werbeanzeige derart gestaltet sein, dass klar und eindeutig ist, dass sich die Preisermäßigung auf den niedrigsten Preis der letzten 30 Tage bezieht. Die hinreichend klare Angabe dieses „Bestpreises“ stellt für den Verbraucher bei seiner Kaufentscheidung eine wichtige Orientierungshilfe dar, um die dargestellte Preisermäßigung würdigen zu können.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das OLG hat die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen.

Quelle | OLG Nürnberg, Urteil vom 24.9.2024, 3 U 460/24 UWG, PM 29/24

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Abschließende Hinweise

Berechnung der Verzugszinsen

| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten. |

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Juli 2024 bis zum 31. Dezember 2024 beträgt 3,37 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 8,37 Prozent
  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 12,37 Prozent*

* für Schuldverhältnisse, die vor dem 29.7.2014 entstanden sind: 11,37 Prozent.

Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).

Übersicht / Basiszinssätze

Zeitraum

Zinssatz

01.01.2024 bis 30.06.2024

3,62 Prozent

01.07.2023 bis 31.12.2023

3,12 Prozent

01.01.2023 bis 30.06.2023

1,62 Prozent

01.07.2022 bis 31.12.2022

-0,88 Prozent

01.01.2022 bis 30.06.2022

-0,88 Prozent

01.07.2021 bis 31.12.2021

-0,88 Prozent

01.01.2021 bis 30.06.2021

-0,88 Prozent

01.07.2020 bis 31.12.2020

-0,88 Prozent

01.01.2020 bis 30.06.2020

-0,88 Prozent

01.07.2019 bis 31.12.2019

-0,88 Prozent

01.01.2019 bis 30.06.2019

-0,88 Prozent

01.07.2018 bis 31.12.2018

-0,88 Prozent

01.01.2018 bis 30.06.2018

-0,88 Prozent

01.07.2017 bis 31.12.2017

-0,88 Prozent

01.01.2017 bis 30.06.2017

-0,88 Prozent

01.07.2016 bis 31.12.2016

-0,88 Prozent

01.01.2016 bis 30.06.2016

-0,83 Prozent

01.07.2015 bis 31.12.2015

-0,83 Prozent

01.01.2015 bis 30.06.2015

-0,83 Prozent

01.07.2014 bis 31.12.2014

-0,73 Prozent

01.01.2014 bis 30.06.2014

-0,63 Prozent

01.07.2013 bis 31.12.2013

-0,38 Prozent

01.01.2013 bis 30.06.2013

-0,13 Prozent

01.07.2012 bis 31.12.2012

0,12 Prozent

01.01.2012 bis 30.06.2012

0,12 Prozent

01.07.2011 bis 31.12.2011

0,37 Prozent

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Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 01/2025

| Im Monat Januar 2025 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |

Steuertermine (Fälligkeit):

  • Umsatzsteuer: 10.01.2025
  • Lohnsteuer: 10.01.2025

Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.

Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 13.01.2025. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.

Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):

Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig, für den Beitragsmonat Januar 2025 am 29.01.2025.

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