Ausgabe 03/2024

Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 03/2024:

Arbeitsrecht

Baurecht

Familien- und Erbrecht

Mietrecht und WEG

Verbraucherrecht

Verkehrsrecht

Steuerrecht

Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht

Abschließende Hinweise

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Arbeitsrecht

Zeugnisanspruch: Arbeitgeber muss für Zeugnis seinen Briefbogen nutzen

| Wenn im Berufszweig des Arbeitgebers üblicherweise im geschäftlichen Verkehr Firmenbögen bzw. Briefköpfe verwandt werden und er einen solchen besitzt und benutzt, ist ein Zeugnis nicht ordnungsgemäß ausgestellt, wenn es nur mit einer Unterschrift des Geschäftsführers versehen ist. So entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg. |

Unter diesen Umständen wird ein Zeugnis auch nicht als ordnungsgemäß im vorbezeichneten Sinne ausgestellt angesehen, wenn es nur mit einem Firmenstempel und nicht mit dem Briefkopf des Arbeitgebers versehen ist. Es genügt auch nicht, wenn ein als Zeugnis bezeichnetes Schriftstück bei einem Dritten den Eindruck erwecken kann, der Arbeitgeber habe lediglich einen Zeugnisentwurf der Arbeitnehmerin unterzeichnet, ohne sich wirklich mit dem Inhalt der Erklärung zu identifizieren. Gerade das war hier der Fall.

Quelle | LAG Berlin-Brandenburg, 28.11.2023, 26 Ta 1198/23, Abruf-Nr. 238776 unter www.iww.de

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Vertragsbedingungen: Betriebliche Invaliditätsrente nach Ausscheiden

| Der Arbeitgeber, der eine betriebliche Invaliditätsrente zusagt, darf die Leistung in einer Versorgungsordnung, die eine Vielzahl vorformulierte Vertragsbedingungen (AGB) enthält, grundsätzlich davon abhängig machen, dass der Arbeitnehmer eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente bezieht und rechtlich aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Das hat nun das Bundesarbeitsgericht (BAG) klargestellt. |

Nach der Zusatzversorgungsordnung der Arbeitgeberin (hier: § 7 Abs. 4 ZVO) erhält ein Mitarbeiter Ruhegeld, der wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht und aus den Diensten des Arbeitgebers ausscheidet. Aufgrund Bescheids der Deutschen Rentenversicherung Bund vom Januar 2021 bezog ein Arbeitnehmer (der Kläger) auf seinen Antrag vom Mai 2020 mit Wirkung des 1.11.2020 befristet bis zum 31.8.2022 Rente wegen voller Erwerbsminderung. Mit Schreiben vom 19.1.2021 wandte er sich unter Vorlage des Bescheids an die Beklagte und beantragte, die betriebliche Invaliditätsrente ab Januar 2021 zu gewähren. Am 20.8.2021 kündigte er sein Arbeitsverhältnis zum 31.3.2022. Ab April 2022 leistete die Beklagte das Ruhegeld. Der Kläger hat geltend gemacht, ihm stehe bereits ab Januar 2021 das betriebliche Ruhegeld zu. § 7 Abs. 4 ZVO setze nicht eindeutig das rechtliche Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis voraus. Jedenfalls sei die Regelung unwirksam, da er unzumutbar gezwungen werde, sein Arbeitsverhältnis zu beenden, um in den Genuss des Ruhegelds zu kommen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.

Die Revision des Klägers vor dem BAG blieb ebenfalls erfolglos. Die Auslegung des § 7 Abs. 4 ZVO als AGB ergab, dass die ZVO das rechtliche Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis für einen Anspruch auf das betriebliche Ruhegeld voraussetzt. Die der Inhaltskontrolle unterliegende Regelung benachteiligt den Kläger auch nicht unangemessen entgegen den Geboten von Treu und Glauben. Es ist im Grundsatz zumutbar, die Zahlung einer betrieblichen Invaliditätsrente davon abhängig zu machen, dass eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente bewilligt und das Arbeitsverhältnis beendet ist. Unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen wird dadurch kein unzumutbarer Druck auf den Arbeitnehmer zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses ausgeübt.

Quelle | BAG, Urteil vom 10.10.2023, 3 AZR 250/22, PM 40/23

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Unfallversicherung: Sturz bei Radtour ist kein Arbeitsunfall

| Die gesetzliche Unfallversicherung bietet Versicherungsschutz unter anderem bei Arbeitsunfällen. Dies erfasst auch Unfälle auf dem Weg von und zur Arbeit, die sogenannten Wegeunfälle. Es ist jedoch nicht immer einfach, festzustellen, ob ein Unfall tatsächlich der versicherten Arbeit zuzurechnen ist. Hierbei kommt es oft darauf an, ob die Motivation für eine bestimmte Handlung wie das Zurücklegen eines Weges dem betrieblichen oder dem privaten Bereich zuzuordnen ist. So war es auch in einem Fall des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg. |

Radtour zur Anbahnung eines Arbeits- bzw. Kundenverhältnisses

Der Kläger, ein selbstständiger Versicherungsmakler, hatte auf dem Rückweg von einer Radtour durch einen Sturz einen Unterschenkelbruch erlitten. Er hatte sich mit einem langjährigen Bekannten an einem Sonntag im Juli 2020 zu einer mehrstündigen Fahrt im Landkreis Ludwigsburg verabredet. Während dieser Radtour grillten die beiden an einem Grillplatz und besuchten danach die Eltern des Klägers. Im Anschluss an diesen Besuch fuhren der Kläger und der Bekannte getrennt nach Hause. Auf dem Heimweg stürzte der Kläger auf einem Feldweg, rutschte einen Weinberg hinab, überschlug sich und brach sich den rechten Unterschenkel. Gegenüber seiner gesetzlichen Unfallversicherung, der Beklagten, teilte der Kläger mit, er habe den Bekannten als zukünftigen Mitarbeiter bzw. Geschäftspartner für den Vertrieb und die Kundenbetreuung gewinnen wollen. Weil beide gern Sport machten und das Wetter schön gewesen sei, habe man sich zu einer Radtour verabredet, um nebenbei Geschäftliches zu besprechen. Der Besuch bei seinen Eltern habe der Demonstration eines Kundengesprächs gedient. Dies seien vorbereitende Tätigkeiten für ein Arbeitsverhältnis gewesen, das aber nach dem Unfall nicht zustande gekommen sei.

Der Bekannte bestätigte die Angaben des Klägers. Die Beklagte lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab, da die unfallverursachende Tätigkeit keinen ausreichenden Zusammenhang zu betrieblichen Interessen bzw. zur Tätigkeit als Unternehmer aufgewiesen habe.

Gemischte Motivationslage: Landessozialgericht lehnt Arbeitsunfall ab

Nachdem das Sozialgericht (SG) die Klage gegen diese Entscheidung abgewiesen hat, ist der Kläger auch vor dem LSG erfolglos geblieben. Denn die Radtour habe, so das LSG, eine sogenannte „Verrichtung mit gemischter Motivationslage“ dargestellt. Sie habe sowohl gemeinsamen privaten Interessen (Radtouren fahren) als auch allerdings insoweit untergeordnet bzw. nachrangig betrieblichen Interessen dienen sollen (gegenseitiges Kennenlernen, Beobachten des Verhaltens bei Kundengesprächen).

Dies ergebe sich etwa aus der Schilderung des Klägers, man „habe sich zu einer Radtour verabredet, um nebenbei Geschäftliches zu besprechen“. Eine Verrichtung mit gemischter Motivationslage erfülle dann den Tatbestand der versicherten Tätigkeit, wenn das konkrete Geschehen hypothetisch auch ohne die private Motivation des Handelns vorgenommen worden wäre. Dies sei vorliegend zu verneinen. Denn ohne das gemeinsame private Interesse am Radfahren hätten der Kläger und sein Bekannter ihr Kennenlernen nicht im Rahmen einer Fahrradtour durchgeführt, und es wäre insofern auch nicht zu dem unfallverursachenden Unfall des Klägers auf dem Heimweg von dieser Radtour gekommen.

Quelle | LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13.9.2023, L 8 1620/22, PM vom 23.11.2023

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Datenschutz: Keine Entschädigung für verspätete und unvollständige Auskunft

| Anders als das Arbeitsgericht (ArbG), das dem Kläger wegen des von ihm angenommenen vorsätzlichen Verstoßes der Beklagten gegen seine Pflichten zur Datenauskunft eine Geldentschädigung von 10.000 Euro zugesprochen hatte, hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf die Klage jetzt vollständig abgewiesen. |

Auskunft nach Datenschutz-Grundverordnung verlangt

Der Kläger war vom 1.12.2016 bis zum 31.12.2016 bei dem Kundenservice der Beklagten, einem Immobilienunternehmen, beschäftigt. Bereits im Jahr 2020 hatte er einen Antrag auf Auskunft gemäß Art. 15 Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) gestellt, den die Beklagte beantwortet hatte.

Auskunft verspätet und mangelhaft?

Mit Schreiben vom 1.10.2022, das der Beklagten an diesem Tag zuging, verlangte er erneut Auskunft und eine Datenkopie auf der Grundlage von Art. 15 DS-GVO. Er setzte eine Frist bis zum 16.10.2022. Als die Beklagte nicht antwortete, erinnerte der Kläger sie am 21.10.2022 mit weiterer Fristsetzung bis zum 31.10.2022. Die ihm dann am 27.10.2022 erteilte Auskunft rügte der Kläger am 4.11.2022 als verspätetet und inhaltlich mangelhaft. Es fehlten die konkreten Angaben zur Dauer der Datenspeicherung und die namentlich bezeichneten Empfänger seiner Daten. Außerdem sei die Datenkopie unvollständig. Mit Schreiben vom 11.11.2022 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Angaben zu den Datenempfängern die Betroffenen in der Regel nicht interessierten und daher nur kategorisiert mitgeteilt worden seien. Zudem konkretisierte sie die Angaben zur Speicherdauer und die Datenkopie. Am 18.11.2022 verlangte der Kläger erneut die namentliche Nennung der Empfänger und auch nähere Angaben zur Speicherdauer. Die Datenkopie sei weiterhin unzureichend. Die Beklagte konkretisierte die Informationen mit Schreiben vom 1.12.2022.

Kein materieller Schaden

Der Kläger hat von der Beklagten eine Geldentschädigung nach Ermessen des Gerichts verlangt, die 2.000 Euro nicht unterschreiten sollte, weil die Beklagte sein datenschutzrechtliches Auskunftsrecht mehrfach verletzt hätte. Diese hat dem widersprochen, weil es u.a. bereits an einem immateriellen Schaden des Klägers fehle.

Es treffe zwar zu, dass die Beklagte gegen die DS-GVO verstoßen habe. Sie habe die Auskunft nicht fristgerecht und anfangs unvollständig erteilt. Eine vollständige Auskunft habe erst am 1.12.2022, also sechs Wochen nach Ablauf der vom Kläger gesetzten Frist vorgelegen. Dies rechtfertige aus zwei Gründen keinen Anspruch auf eine Geldentschädigung gemäß Art. 82 Abs. 1 DS-GVO. Die einschlägige Vorschrift setzt haftungsbegründend eine gegen die DS-GVO verstoßende Datenverarbeitung voraus. Daran fehle es bei der bloßen Verletzung der Auskunftspflicht aus Art. 15 DS-GVO sei es, dass diese verzögert oder anfangs unvollständig erfüllt werde.

Unabhängig davon setze ein datenschutzrechtlicher Anspruch auf eine Geldentschädigung wegen eines immateriellen Schadens mehr als einen bloßen Verstoß gegen die Vorschriften der DS-GVO voraus. Der bloße vom Kläger angeführte Kontrollverlust über die Daten genüge nicht und sei mit dem Verstoß gegen Art. 15 DS-GVO letztlich identisch. Zu weiterem immateriellen Schaden fehlte es an jeglichem konkreten Vortrag des Klägers.

Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 28.11.2023, 3 Sa 285/23, PM vom 28.11.2023

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Baurecht

Leistungszeitbestimmung: Bauvertrag: Entbehrlichkeit der Mahnung

| Eine Klausel in einem Bauvertrag, die vorsieht, dass die Ausführungszeit zwölf Monate beträgt und vier Wochen nach Erteilung der Baugenehmigung, spätestens vier Wochen nach Abruf der Leistung durch den Bauherrn beginnt, beinhaltet keine den Anforderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB) genügende Leistungszeitbestimmung. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken. |

Grundsatz

Der außergerichtliche Eintritt des Verzugs setzt als Regel eine Mahnung in Form eines ernsthaften Leistungsverlangens voraus. Die Mahnung ist allerdings in den Fällen des § 286 Abs. 2 BGB entbehrlich.

Ausnahme

Neben der kalendermäßigen Bestimmung eines konkreten Datums für die Leistungserbringung begründet die Entbehrlichkeit der Mahnung auch, dass der Leistung ein Ereignis vorausgehen muss und eine angemessene Zeit für die Leistung in der Weise bestimmt ist, dass sie sich von dem Ereignis an nach dem Kalender berechnen lässt. Das OLG hat diese Voraussetzungen verneint, weil es mit den o. g. alternativen Möglichkeiten an einer hinreichenden Bestimmtheit des Fristbeginns fehle.

Leistungszeitpunkt stand bei Vertragsschluss nicht fest

Für den Fristbeginn wird an die Erteilung der Baugenehmigung angeknüpft. Für sich genommen würde dies den Anforderungen eines Ereignisses i. S. v. § 286 Abs. 2 Nr. 2 BGB genügen. Die Alternative des Abrufs durch den Bauherrn kann nach dem OLG aber nur dahingehend verstanden werden, dass der Auftraggeber durch einen späteren Abruf der Leistung den Ausführungsbeginn und damit auch das Ende der Ausführungsfrist hinauszögern konnte, sodass zu dem maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Leistungszeitpunkt nicht auch nicht mittelbar über den Eintritt eines bestimmten Ereignisses feststand.

Quelle | OLG Saarbrücken, Urteil vom 11.10.23, 2 U 196/22

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Architektenleistung: Architekt ist kein Rechtsberater des Bauherrn

| Der Architekt ist kein Rechtsberater des Bauherrn. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt. |

Architekt formulierte Klauseln

Der Architekt hat die Pflicht, die Leistungen zu erbringen, die erforderlich sind, um die mit dem Besteller vereinbarten Planungs- und Überwachungsziele zu erreichen. Dieses Aufgabengebiet hat zwar Berührungspunkte zu Rechtsdienstleistungen. So kann es zum Erreichen der Ziele notwendig sein, über Kenntnisse des öffentlichen und privaten Baurechts zu verfügen, um den Bauherrn zu beraten.

Im Fall des BGH verlangte die Klägerin vom beklagten Architekten Schadenersatz. Anfang 2010 beauftragte der Rechtsvorgänger der Klägerin den Architekten mit Architektenleistungen der Leistungsphasen 1 bis 8 hinsichtlich des Neubaus eines Fabrikations- und Verwaltungsgebäudes. Der Beklagte stellte der Klägerin unter anderem einen Bauvertragsentwurf mit einer von ihm formulierten Skontoklausel zur Verfügung, den diese bei der Beauftragung von zumindest vier bauausführenden Unternehmern verwandte.

Unter Verwendung dieses Bauvertragsentwurfs beauftragte die Klägerin im März 2011 auch ein Unternehmen mit Erd- und Kanalisations- sowie Rohbauarbeiten. Dieser Vertrag enthält unter „E. Auftragsbestätigung“ folgende Vereinbarung: „Die Fa. … gewährt … ein Skonto von 3 Prozent bei Zahlungen der durch die Bauleitung geprüften und angewiesenen Abschlagszahlungen bzw. Schlussrechnung innerhalb 10 Arbeitstagen nach Eingang bei der Bauherrschaft.“

Rechtsstreit durch die Instanzen

Von der Schlussrechnung des Unternehmens behielt die Klägerin einen solchen Skontoabzug von 105.125,00 Euro netto (125.098,75 Euro brutto) ein. In einem Rechtsstreit der Klägerin gegen das Unternehmen erhob diese Widerklage auf Zahlung von 125.098,75 Euro mit der Begründung, die Skontoklausel sei als AGB unwirksam, sodass die Klägerin diesen Betrag zu Unrecht von der Schlussrechnung einbehalten habe. In diesem Prozess schlossen die Klägerin und das Unternehmen einen Vergleich, in dem sich die Klägerin den von der Schlussrechnung zurückbehaltenen Betrag auf die von ihr gegen das Unternehmen geltend gemachten Ansprüche anrechnen ließ. Die Klägerin ist der Auffassung, ihr sei der auf die Schlussrechnung des Unternehmens vorgenommene Skontoabzug nur deshalb nicht verblieben, da die vom beklagten Architekten vorgeschlagene Skontoklausel unwirksam gewesen sei. Der Beklagte sei deshalb zum Schadenersatz in Höhe von 125.098,75 Euro verpflichtet.

Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz

Der BGH hat festgestellt, dass der Architekt durch die Zurverfügungstellung der von ihm selbst entworfenen Skontoklausel gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz (RFD) verstoßen hat. Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt hatte das Berufungsgericht den Sachverhalt nicht geprüft und deshalb eine hierauf gestützte Haftung des Beklagten in seine Erwägungen nicht einbezogen.

Keine Erlaubnis zur Rechtsberatung

Der BGH betont: Ein Architekt ist kein Rechtsberater des Bauherrn. Seine rechtsberatende Tätigkeit war auch nicht durch die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) gedeckt. Daran ändert auch nichts, dass sich der Architekt zur Formulierung der Skontoklausel der Hilfe eines Rechtsanwalts bedient hatte.

Gericht muss erneut entscheiden

Der BGH konnte allerdings nicht in der Sache selbst entscheiden, sondern hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit dieses erforderliche weitere Feststellungen treffen kann.

Quelle | BGH, Urteil vom 9.11.2023, VII ZR 190/22, Abruf-Nr. 238420 unter www.iww.de

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Familien- und Erbrecht

Geburtsgeschlecht: Eintragung ins Geburtsregister: Was die Eltern meinen, zählt nicht

| Das Oberlandesgericht (OLG) München hat jetzt entschieden: Eltern dürfen den Eintrag im Geburtsregister nicht für eine spätere Entscheidung des Kindes freihalten. Es ist in jedem Fall sein körperliches Geschlecht einzutragen. |

Eltern wollten kein Geschlecht eintragen lassen

Die Eltern verlangten vom Standesamt, das Geschlecht ihres im Rahmen einer Hausgeburt zur Welt gekommenen Neugeborenen im Geburtsregister als „ohne“ einzutragen. Das ist zwar möglich. Dafür ist es aber erforderlich, dass Neugeborene keinem Geschlecht zuzuordnen ist.

Hausgeburt ohne ärztliche Unterlagen

Wegen der Hausgeburt war die einzige vorliegende Angabe zum Geschlecht die der Hebamme. Sie hatte im Formular zur Geburtsanzeige bei der Angabe des Geschlechts ein Kreuz im Kästchen „ohne“ gesetzt. Ärztliche Unterlagen gab es nicht.

Auf Nachfragen durch die Kreisverwaltung berief sich die Hebamme auf ihre (nach dem Gesetz nicht existente) Schweigepflicht und antwortete nicht. Es konnte nicht aufgeklärt werden, warum sie das o. g. Kreuz gesetzt hatte bzw. weswegen das Kind keinem Geschlecht zuzuordnen gewesen sein sollte.

Standesamt verweigerte Eintragung und bekam Recht

Folge: Das Standesamt weigerte sich, die Geburt entsprechend dem Wunsch der Eltern „ohne Geschlecht“ einzutragen. Das OLG verwarf den Einwand der Eltern, sie müssten die geschlechtliche Identität des Neugeborenen schützen. Denn dieses habe zum einen noch keine Vorstellung von seiner Geschlechtszugehörigkeit. Zum anderen sei es unerheblich, ob die Eltern es subjektiv als divers oder geschlechtslos ansähen. Schließlich fehle es an einem Recht der Eltern, den Eintrag bis zu einer späteren Entscheidung des Kindes selbst offenzuhalten. Relevant seien ausschließlich die körperlichen Merkmale des Kindes.

Quelle | OLG München, Beschluss vom 1.9.2023, 31 Wx 210/23 e

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Testament: Wirksame Erbeinsetzung eines behandelnden Arztes

| Die Erbeinsetzung eines behandelnden Arztes führt nicht zur (Teil-) Nichtigkeit eines Testaments. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat jetzt auf eine Beschwerde hin dem Erbscheinsantrag u.a. des behandelnden Arztes stattgegeben. |

Das war geschehen

Die Erblasserin hatte ihren behandelnden Arzt in mehreren Testamenten, zuletzt in einem Testament aus dem Jahr 2021, neben weiteren Freunden und Verwandten zum Miterben eingesetzt. Das Testament aus dem Jahr 2021 hatte sie ihrem Arzt vorgelegt und ihn um Bestätigung ihrer Testierfähigkeit gebeten. Der Arzt hatte einen entsprechenden Vermerk auf dem Testament angebracht. Nach dem Tod der Erblasserin beantragen nunmehr der behandelnde Arzt und zwei weitere Miterben, einen Erbschein auf der Grundlage dieses Testaments zu erteilen.

Miterbe focht Testament an

In dem Erbscheinsverfahren hatte einer der übrigen Miterben das Testament mit der Begründung angefochten, es liege ein Verstoß gegen die Berufsordnung der hessischen Ärztekammer (§ 32 BO-Ä) vor. Gemäß § 32 Abs. 1 BO-Ä ist es „Ärztinnen und Ärzten nicht gestattet, von Patientinnen und Patienten (…) Geschenke oder andere Vorteile (…) sich versprechen zu lassen oder anzunehmen, wenn hierdurch der Eindruck erweckt wird, dass die Unabhängigkeit der ärztlichen Entscheidung beeinflusst wird“. Des Weiteren sei die herzkranke und pflegebedürftige Erblasserin testierunfähig gewesen. Der Miterbe hatte seinerseits einen Erbscheinsantrag auf der Grundlage eines vorangegangenen Testaments gestellt.

Nachlassgericht gab Miterben Recht

Das Nachlassgericht hatte beide Erbscheinsanträge zurückgewiesen. Das Testament aus dem Jahr 2021 sei in Bezug auf die Erbeinsetzung des behandelnden Arztes wegen eines Verstoßes gegen § 32 BO-Ä teilnichtig, sodass keiner der beiden Erbscheinsanträge zutreffend sei.

Beschwerde des Arztes hatte Erfolg

Vor dem OLG hatte die hiergegen gerichtete Beschwerde u.a. des behandelnden Arztes Erfolg. Der Arzt sei wirksam als Miterbe eingesetzt worden, stellte das OLG fest.

Die berufsständische Regelung in der Satzung der Landesärztekammer stelle zwar im Ausgangspunkt ein Verbotsgesetz i. S. d. Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 134 BGB) dar. Eine verfassungskonforme Auslegung ergebe jedoch, dass ein etwaiger Verstoß des Arztes nicht zur Nichtigkeit der Testierung durch den Erblasser führe. Anders als vergleichbare Verbotsgesetze für den Bereich der Pflege in Heimen, deren Schutzbereich auch den Testierenden erfasse, richte sich § 32 BO-Ä in erster Linie an den behandelnden Arzt als Mitglied der Ärztekammer. Die Vorschrift enthalte demnach kein an den Testierenden gerichtetes Testierverbot. Eine solche Auslegung würde einen unangemessenen Eingriff in die durch das Grundgesetz (Art. 14 Abs. 1 GG) geschützte Testierfreiheit darstellen, so das OLG.

Konkrete Anhaltspunkte für eine Testierunfähigkeit der Erblasserin lagen nach Ansicht des OLG ebenfalls nicht vor.

Die Entscheidung ist anfechtbar. Weil es sich um eine bislang noch nicht höchstrichterlich entschiedene Frage handelt, hat das OLG die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.12.2023, 21 W 91/23, PM 1/24

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Infektionsschutzgesetz: Zwangsgeldandrohung: Impfpflicht auch für Schulkinder

| Das Verwaltungsgericht (VG) Minden hat in einem Eilverfahren entschieden: Die Kriterien des BVerfG zur Masernimpfung u. a. bei Kindergartenkindern sind auch auf Schulkinder übertragbar. Das bedeutet: Die Eltern müssen die Impfung ihrer eine Schule besuchenden Kinder nachweisen. |

Der Kreis forderte die Eltern von zwei schulpflichtigen Kindern unter Androhung von Zwangsgeld dazu auf, nachzuweisen, dass ihre Kinder gegen Masern geimpft sind oder aus medizinischen Gründen nicht dagegen geimpft werden können. Die Eltern hielten die Anordnungen für eine unzulässige Impfpflicht ihrer Kinder. Ihre Eilanträge dagegen blieben jedoch erfolglos.

Die Voraussetzungen des Infektionsschutzgesetzes waren im Fall des VG erfüllt (hier: § 20 Abs. 12 S. 1, Abs. 13 S. 1 IfSG). Die Eingriffe in das Recht der Eltern auf Gesundheitssorge sowie der Erziehung und das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Kinder waren gerechtfertigt. Denn die Masernimpfung dient den überragend gewichtigen Rechtsgütern des Grundrechts auf Leben und der körperlichen Unversehrtheit einer Vielzahl von Personen.

Zwar können Eltern, anders als bei Kindergartenkindern, nicht vermeiden, dass ihre schulpflichtigen Kinder immunisiert werden. Eine Impfung nach den medizinischen Standards dient aber dem Kindeswohl. So hatte es bereits das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden.

Quelle | VG Minden, Beschluss vom 6.11.2023, 7 L 882/23 und 7 L 883/23, Abruf-Nr. 238285 unter www.iww.de

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Datumsfehler: Scheidungsbeschluss: Falsches Ehedatum hindert Eintrag ins Eheregister nicht

| Das Standesamt muss eine Scheidung trotz falschem Heiratsdatum im Eheregister eintragen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle klargestellt. |

Fehler des Gerichts

Die Ehe wurde geschieden. Im Tenor des Scheidungsbeschlusses war aufgrund eines Versehens der Eheleute ein falsches Heiratsdatum angegeben. Die von der Frau beantragte Berichtigung lehnte das Amtsgericht (AG) ab. Das Standesamt weigerte sich, die Scheidung in das Eheregister einzutragen. Im Hinblick darauf begehrt die Frau erfolglos Verfahrenskostenhilfe für eine Beschwerde.

Folgen des Fehlers

Der Scheidungsbeschluss ist nicht zu berichtigen. Eine Berichtigung beseitigt nämlich nur Fehler bei der Willensäußerung, nicht aber bei der Willensbildung des Gerichts. Die irrtümliche Annahme des AG über das Heiratsdatum betrifft die Willensbildung.

Das Verfahren, das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe festzustellen, kommt ebenfalls nicht in Betracht. Denn eine solche Feststellung wirkt nur unter den Ehegatten, unter denen die Scheidung unstreitig ist, und bindet das Standesamt deshalb nicht. Die Scheidung ist als Folgebeurkundung zur Eheschließung in das Eheregister aufzunehmen. Grundlage dafür kann nur der rechtskräftige Scheidungsbeschluss, nicht aber eine bloß zwischen den Ehegatten wirkende Feststellung sein.

Scheidung einzutragen

Der rechtskräftige Scheidungsbeschluss hat trotz des unrichtigen Heiratsdatums im Tenor die Ehe geschieden, sodass die Scheidung vom Standesamt einzutragen ist. Die falsche Datums- und Registerbezeichnung ist eine im Hinblick auf die Scheidung in jeder Hinsicht unschädliche Falschbezeichnung. Das Standesamt nimmt Eintragungen aufgrund vorgelegter öffentlicher Urkunden, aber auch eigener Ermittlungen vor. Aus dem Scheidungsbeschluss, der dem Standesamt als öffentliche Urkunde vorliegt, kann ohne Weiteres und unmittelbar auf die Scheidung geschlossen werden. Es gibt keinen Grund, der das Standesamt daran hindern könnte, die Scheidung als Folgetatsache zur Eheschließung einzutragen.

Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 19.10.2023, 17 WF 148/23, Abruf-Nr. 238199 unter www.iww.de

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Mietrecht und WEG

WEG: Keine Entlastung des Verwalters ohne ordnungsmäßigen Vermögensbericht

| Hat der Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft keinen ordnungsmäßigen Vermögensbericht vorgelegt, entspricht ein Entlastungsbeschluss nicht einer ordnungsmäßigen Verwaltung. Die Jahresabrechnung mit einer Einnahmen-Ausgaben-Rechnung ist nicht ausreichend. So entschied es das Landgericht (LG) Frankfurt/Main. |

Anfechtung eines Entlastungsbeschlusses

Es ging um die Anfechtung eines Entlastungsbeschlusses, mit dem Argument, der Verwalter habe keinen Vermögensbericht vorgelegt. Der Verwalter verweist auf umfangreiche Abrechnungsunterlagen und eine nachträglich vorgelegte Einnahmen-Ausgaben-Rechnung.

Die Entlastung hat die Wirkung eines negativen Schuldanerkenntnisses und es werden zumindest Ansprüche ausgeschlossen, die der Wohnungseigentümergemeinschaft bekannt waren. Daher entspricht ein Entlastungsbeschluss nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn noch Ansprüche aus dem Entlastungszeitraum bestehen. Zu diesen gehören Auskünfte oder Erklärungen, die der Verwalter der Eigentümergemeinschaft schuldet. Erfasst ist also auch die Verpflichtung, einen Vermögensbericht zu erstellen.

Klage war erfolgreich

Die Anfechtungsklage war erfolgreich. Eine Entlastung könne, so das LG, nur erteilt werden, wenn der Bericht umfassend und zutreffend erstellt ist. Denn andernfalls könnte die Eigentümergemeinschaft den fortbestehenden Anspruch eines Wohnungseigentümers auf Vorlage oder Korrektur nicht (mehr) erfüllen.

Vermögensbericht informiert über wirtschaftliche Lage der WEG

Hier fehlte aber ein Vermögensbericht, der den Anforderungen des Wohnungseigentumsgesetzes (hier: § 28 Abs. 4 WEG) genügte selbst, wenn man auf die (im Prozess) nachgereichten Unterlagen abstellte. Der Vermögensbericht soll die Eigentümer in die Lage versetzen, ein möglichst genaues Bild über die wirtschaftliche Lage zu erhalten. Mindestinhalt ist eine Aufstellung des wesentlichen Gemeinschaftsvermögens, wozu Forderungen und Verbindlichkeiten und die wesentlichen Vermögenswerte gehören. Der Vermögensbericht ist nicht Bestandteil der Jahresabrechnung, sondern ein separates Dokument, das den Anforderungen des § 28 Abs. 4 WEG genügen müsse, so das LG.

Quelle | LG Frankfurt/Main, Urteil vom 9.11.2023, 2-13 S 3/23

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Mietminderung: Taubenkot auf Balkon kein Mietmangel

| Das Amtsgericht (AG) Hanau hat entschieden: Der Mieter einer Wohnung kann bei einer Verunreinigung seines Balkons mit Taubenkot die Miete nicht mindern und vom Vermieter auch nicht dessen Reinigung verlangen. So sieht es das Amtsgericht (AG) Hanau in einer inzwischen rechtskräftigen Entscheidung. |

Das war geschehen

Der Balkon der Mieterin einer Wohnung war durch Taubenkot verunreinigt worden. Weil der Vermieter dieses nicht verhindert habe und auch keine Reinigung des Balkons vornahm, hat sie die Miete anteilig gekürzt. Der Vermieter klagte nun die restliche Miete ein.

Vermieter hat keinen Einfluss auf Verhalten von Tauben

Das AG hat die Mieterin verurteilt, die Miete vollständig zu zahlen. So wie hier keine anderslautenden Abreden zwischen den Parteien vorliegen, sei der Vermieter nicht verpflichtet, das Einfliegen von Tauben und eine mögliche Verunreinigung einer vermieteten Wohnung durch diese zu verhindern. Hierauf habe er grundsätzlich keinen Einfluss. Es handle sich vielmehr um ein allgemeines Risiko, das nicht in den Verantwortungsbereich des Vermieters fällt, zumal die Wohnung ohne entsprechende Abwehreinrichtungen, etwa ein Taubennetz, gemietet wurde. Auch schulde der Vermieter nicht die Reinigung des Balkons. Zwar habe er für den ordnungsgemäßen Zustand der Liegenschaft zu sorgen, das erfordere entsprechende Säuberungsarbeiten jedoch nur auf den Gemeinschaftsflächen; für die Reinigung der gemieteten Wohnung sei der Mieter zuständig.

Quelle | AG Hanau, Urteil vom 25.10.2022, 94 C 21/22, PM vom 9.11.2023

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Mietvertragsklausel: Vermieter darf nicht nach freiem Ermessen die Zustimmung zur Tierhaltung versagen

| Klauseln über einen Zustimmungsvorbehalt des Vermieters zur Haustierhaltung sind nur insoweit rechtmäßig, als die Zustimmungserteilung „ausschließlich von nachvollziehbaren und überprüfbaren sachlichen Kriterien“ abhängig gemacht wird, „die nur auf die Einhaltung des vertragsgemäßen Gebrauchs“ abzielen. So sieht es das Landgericht (LG) Berlin. |

Fehlt es an sachlichen Kriterien, an denen sich die Entscheidung des Vermieters ausrichten muss und ist die Klausel mieterfeindlich dahin auslegbar, dass die Entscheidung des Vermieters „in dessen freies, das heißt an keine nachprüfbaren Voraussetzungen gebundenes Ermessen“ gestellt wird, liegt eine unangemessene Benachteiligung des Mieters vor. Folge: Die Klausel ist unwirksam und die Haustierhaltung hängt dann nicht von einer Zustimmung des Vermieters ab.

Das LG folgt dem Bundesgerichtshof (BGH). Danach sind mietvertragliche Tierhaltungsklauseln, die die Zustimmung des Vermieters vorsehen, immer unwirksam, wenn die Entscheidung des Vermieters an keine überprüfbaren Beurteilungsvoraussetzungen gebunden ist. Er hat kein berechtigtes Interesse an einem derart schrankenlosen Erlaubnisvorbehalt. Ist die Klausel unwirksam, kommt es darauf an, ob die Tierhaltung zum sog. „vertragsgemäßen Gebrauch“ der Mietsache gehört. Es bedarf dann einer umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall. Kriterien sind u. a. Art, Größe, Anzahl und Verhalten der Tiere, Zustand und Lage der Wohnung, persönliche Fähigkeiten des Mieters und berechtigte Interessen anderer Hausbewohner.

Quelle | LG Berlin, Urteil vom 7.12.2022, 64 S 151/22

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Verbraucherrecht

Grundsicherung: Sozialwohnung: Jobcenter muss Mietkosten anerkennen

| Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg hat entschieden: Bei der Beurteilung der Frage, in welcher Höhe Mietkosten von den Jobcentern zu übernehmen sind, muss ein Vergleich mit den Mieten für Sozialwohnungen erfolgen. Mietpreise, die für nach dem Recht des sozialen Wohnungsbaus geförderte Wohnungen gezahlt werden, könnten nicht als unangemessen angesehen werden. |

Damit hat es der gegen das zuständige Berliner Jobcenter gerichteten Klage einer Empfängerin von Grundsicherungsleistungen („Hartz IV“, jetzt Bürgergeld) insoweit stattgegeben.

Das war geschehen

Es ging um Zeiträume in den Jahren 2015/2016. Die allein lebende Frau verlangte die Übernahme der vollen Kosten für Miete und Heizung in Höhe von damals rund 640 Euro für ihre 90 m² große Dreizimmerwohnung. Die Suche nach einer günstigeren Wohnung im angespannten Berliner Wohnungsmarkt sei aussichtslos gewesen.

Das Jobcenter hatte insgesamt nur rund 480 Euro für angemessenen gehalten. Dabei bezog es sich auf die Ausführungsvorschriften der zuständigen Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales, die die Grenze der Angemessenheit aus den durchschnittlichen Mietkosten ableitet, wie sie der Mietspiegel für Berlin für einfache Wohnlagen ausweist.

Jobcenter in die Schranken gewiesen

Das LSG hält dieses Vorgehen für unzulässig. Die so berücksichtigten Wohnungen erfassten nur den durchschnittlichen Fall der Angemessenheit, nicht aber deren „obere Grenze“. Zwar könnten Empfänger von Leistungen der Jobcenter auf solche Wohnungen verwiesen werden, die lediglich einfache Bedürfnisse für eine sichere Unterkunft befriedigen. Wohnungen zum noch als angemessen angesehenen Mietpreis müssten jedoch auch tatsächlich für Leistungsberechtigte zur Verfügung stehen.

Berliner Wohnungsmangel

Dies sei hier nicht der Fall und ergebe sich auch aus einer statistischen Auswertung des Wohnraumbedarfsberichts der Senatsverwaltung aus dem Jahr 2019. Demnach habe es in Berlin 76.000 Haushalte (darunter 33.000 Einpersonenhaushalte) gegeben, die Leistungen der Grundsicherung bezogen hätten, deren Mietkosten jedoch über den von den Jobcentern herangezogenen Grenzwerten gelegen hätten. Zugleich weise der genannte Bericht eine massive Angebotslücke von 345.000 Wohnungen allein im Bereich der Wohnungen für Einpersonenhaushalte aus.

Auch Sozialwohnungen unangemessen teuer

In einer solchen Situation könne das Gericht keinen Grenzwert bestimmen. Im vorliegenden Fall lasse sich bei einem Vergleich mit den Mieten für Sozialwohnungen, die gerade für Grundsicherungsempfänger als angemessener Wohnraum bereitgestellt werden sollen, feststellen, dass die Wohnung der Frau noch angemessen gewesen sei. Die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ggf. als Höchstgrenze heranzuziehenden Werte (110 Prozent der Tabelle nach § 12 Wohngeldgesetz) seien für Berliner Verhältnisse ungeeignet, weil danach selbst viele Sozialwohnungen als unangemessen teuer angesehen werden müssten.

Quelle | LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 30.3.2023, L 32 AS 1888/17, PM vom 4.4.2023

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Reisepreisminderung: Reisender muss sich über typische Witterungsbedingungen am Zielort selbst informieren

| Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat klargestellt: Ein Reisender muss sich selbst über allgemein zugängliche Quellen über die klimatischen Bedingungen des Reiseziels informieren. Den Reiseveranstalter trifft keine Aufklärungspflicht, da kein sogenanntes Wissensgefälle vorliegt. |

Das war geschehen

Die Klägerin buchte bei der Beklagten für sich und ihren Partner eine exklusive Ecuador-Privatrundreise für Mitte bis Ende Dezember 2021 für rund 18.000 Euro. Wegen zahlreicher behaupteter Mängel u.a. witterungsbedingter Beeinträchtigungen, eines ausgefallenen Ausflugs und Lärmbelästigungen verlangt sie nun Minderung des Reisepreises in Höhe von gut 6.000 Euro von der Beklagten. Das Landgericht (LG) hatte der Klage in Höhe von gut 800 Euro u.a. wegen eines ausgefallenen Ausflugs und der erlittenen Lärmbelästigungen stattgegeben und Ansprüche wegen witterungsbedingter Beeinträchtigungen abgewiesen.

So entschieden die Instanzen

Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Das LG hatte zu Recht Ansprüche wegen witterungsbedingter Sichtbeeinträchtigungen auf ihrer Ecuadorreise verneint, betonte das OLG. Der Veranstalter einer Reise hafte grundsätzlich nicht für „die im Zielgebiet herrschenden Wetterverhältnisse und klimatischen Gegebenheiten“.

Übliche Witterung im Dezember

Die Beklagte sei auch nicht verpflichtet gewesen, die Klägerin vor Abschluss des Reisevertrags über die im Reisemonat Dezember in Ecuador üblicherweise zu erwartenden Witterungsbeeinträchtigungen aufzuklären und auf Regenzeiten hinzuweisen. Eine gesteigerte Informationspflicht eines Reiseveranstalters bestehe nur hinsichtlich der Umstände, bei denen der Reisende über ein Informationsdefizit verfügt. Vorliegend habe sich die Klägerin indes ohne Weiteres über das Internet über die klimatischen Besonderheiten am Urlaubsort informieren können. Das Internet biete dem Reisenden umfangreiche, aktuelle und unentgeltliche Informationen unabhängig vom typischerweise erst nach der Entscheidung für ein Zielgebiet erfolgten Erwerb eines Reiseführers. Bereits bei einer einfachen Recherche im Internet sei ersichtlich, dass der Monat Dezember sowohl im Andenhochland als auch im Amazonasgebiet als regenreich gelte und damit Sichtbeeinträchtigungen aufgrund von Regen und Nebel allgemein zu erwarten gewesen seien. Hier habe sich damit ein allgemeines Umwelt- bzw. Umfeldrisiko verwirklicht.

Auch hoher Preis rechtfertigt keine besondere Beratungspflicht

Der Umstand, dass es sich um eine recht hochpreisige Reise gehandelt habe, führe nicht zu einer besonderen Beratungspflicht. Maßgeblich für den Reisepreis sei vielmehr die Ausgestaltung als exklusive Privatreise mit Gabelflug gewesen.

Soweit den Reiseveranstalter eine Hinweispflicht treffen könne, wenn sich für die Reisezeit eine atypische, unvorhergesehene Wetterlage abzeichne, mache die Klägerin diese Voraussetzungen hier nicht geltend.

Die Reisebeschreibung enthalte schließlich auch keinerlei Aussagen zur Umgebung, Landschaft oder Tierwelt, die die Klägerin witterungsbedingt nicht wahrzunehmen vermocht habe.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss vom 13.6.2023 sowie Beschluss vom 28.8.2023, 16 U 54/23, PM 55/23

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Haftung: Private Bergtour: Ersatzansprüche gegen Reiseführer Frage des Einzelfalls

| Eine rein private gemeinsame Freizeitveranstaltung, z. B. eine privat durchgeführte gemeinsame Bergtour, ist für sich genommen nicht geeignet, eine vertragliche Haftung zu begründen. So sieht es das Landgericht (LG) München. |

Der Entscheidung lag der Fall zugrunde, dass sich zwei befreundete Wanderer auf eine gemeinsame Tour begeben hatten. Der erfahrenere Wanderer führte beide. Sie kamen dann in eine Situation, in der der unerfahrene Wanderer nur noch mit einem Hubschrauber befreit werden konnte. Die Kosten für den befreienden Transport betrugen 8.500 Euro.

Den Erstattungsanspruch gegen den erfahrenen und führenden Wanderer verneinte das LG. Es habe sich nur um eine alltägliche Gefälligkeit gehandelt, bei der erkennbar kein Haftungswille bestehe. Es habe sich um eine Gefahrengemeinschaft gehandelt. Der erfahrene Wanderer habe hierbei keine Gefahrenverantwortung übernommen. Eine Haftungsübernahmeerklärung lag insoweit nicht vor.

Quelle | LG München I, Urteil vom 24.10.2023, 27 O 3674/23, Abruf-Nr. 238294 unter www.iww.de

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Krankengeldanspruch: Krankenkasse darf bei unverschuldet verspäteter Verlängerung der Krankschreibung Leistung nicht verweigern

| Erhält ein Arbeitnehmer ohne eigenes Verschulden erst kurz nach Ablauf einer Krankschreibung eine Verlängerung, hat er weiterhin einen Anspruch auf Krankengeld von seiner Krankenkasse. So sieht es das Bundessozialgericht (BSG). |

Das war geschehen

Die Arbeitnehmerin bezog fortlaufend und über das Ende des Beschäftigungsverhältnisses zum 30.4.18 hinaus Krankengeld wegen Arbeitsunfähigkeit, zuletzt ärztlich festgestellt bis voraussichtlich Sonntag, 17.6.18. Zu einer Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit durch wie zuvor ihren Hausarzt am 18.6.18 kam es nicht. Die Arbeitnehmerin suchte ohne vorherige Terminvereinbarung an diesem Tag die Arztpraxis auf und erhielt wegen hohen Patientenaufkommens einen Termin für den 20.6.18, an dem die fortdauernde Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt wurde. Die Zahlung von weiterem Krankengeld ab dem 18.6.18 lehnte die Krankenkasse (Beklagte) ab, weil die Fortdauer von Arbeitsunfähigkeit nicht am 18.6., sondern erst am 20.6.18 ärztlich festgestellt worden sei.

Das Sozialgericht (SG) verurteilte die Krankenkasse unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide, der Arbeitnehmerin im streitigen Zeitraum Krankengeld zu gewähren. Es stellte fest, dass die Mitgliedschaft der Arbeitnehmerin bei der Krankenkasse fortbestehe. Das Landessozialgericht (LSG) wies die Berufung der Krankenkasse zurück.

So sieht es das Bundessozialgericht

Die Revision der Krankenkasse vor dem (BSG) war erfolglos. Die Vorinstanzen entschieden zutreffend, dass die Mitgliedschaft der Arbeitnehmerin bei der Krankenkasse über den 17.6.18 hinaus erhalten geblieben sei. Sie könne weiteres Krankengeld bis zum 11.9.18 beanspruchen.

Zwar sei keine erneute ärztliche Arbeitsunfähigkeit(AU)-Feststellung am 18.6.18, sondern erst am 20.6.18 erfolgt. Das Fehlen einer lückenlosen, für die weitere Bewilligung von Krankengeld nötigen AU-Feststellung habe damit an sich die nach § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGB V aufrechterhaltene Pflichtmitgliedschaft und den Krankenversicherungsschutz mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 18.6.18 beendet. Grundsätzlich müsse der Versicherte dafür sorgen, dass eine rechtzeitige ärztliche AU-Feststellung erfolge. Insoweit seien in der BSG-Rechtsprechung aber enge Ausnahmen anerkannt worden, bei deren Vorliegen der Versicherte so zu behandeln sei, als hätte er von dem aufgesuchten Arzt rechtzeitig die ärztliche Feststellung der AU erhalten.

Bemühen des Patienten muss rechtzeitig erfolgen

Einem „rechtzeitig“ erfolgten persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt zur Feststellung der Arbeitsunfähigkeit stehe es danach gleich, wenn der Versicherte alles in seiner Macht Stehende und ihm Zumutbare getan habe. Er müsse rechtzeitig innerhalb der anspruchsbegründenden beziehungsweise -erhaltenden zeitlichen Grenzen versuchen, eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung des Anspruchs auf Krankengeld zu erhalten. Dies gelte auch, wenn es zum persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt aus den dem Vertragsarzt und der Krankenkasse zurechenbaren Gründen erst verspätet, aber nach Wegfall dieser Gründe gekommen sei. Ob dem so ist, erfordere eine wertende Betrachtung der Risiko- und Verantwortungsbereiche des Versicherten, des Arztes und der Krankenkasse. In diese würden verfassungsrechtliche Vorgaben mit einfließen.

Mit dem persönlichen Aufsuchen in der Praxis am 18.6.18 habe die Arbeitnehmerin rechtzeitig versucht, eine ärztliche Feststellung von AU wegen derselben Krankheit zu erlangen. Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass sie nicht darauf vertrauen durfte, noch am 18.6.18 eine ärztliche AU-Folgefeststellung zu erhalten, habe das LSG nicht festgestellt und seien auch für das BSG nicht ersichtlich. Dass es nicht an diesem Tag zum persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt gekommen sei, sei maßgeblich nicht der Arbeitnehmerin zuzurechnen, sondern dem Vertragsarzt und der Krankenkasse. Denn das vom Vertragsarzt angeleitete Praxispersonal habe ihr trotz Schilderung ihres Anliegens wegen hohen Patientenaufkommens einen Termin erst für den 20.6.18 gegeben, an dem die weitere Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit ärztlich festgestellt worden sei.

Patient darf Arztpraxis ohne Termin am ersten Tag nach AU-Ende aufsuchen

Fazit: Der Anspruch auf weiteres Krankengeld bleibt also durch rechtzeitiges Tätigwerden durch den Arbeitnehmer auch bestehen, wenn er ohne zuvor vereinbarten Termin am ersten Tag nach Ablauf einer zuvor festgestellten Arbeitsunfähigkeit die Arztpraxis zur normalen Öffnungszeit persönlich aufsucht, um wegen derselben Krankheit eine Arbeitsunfähigkeits-Folgefeststellung zu erlangen.

Quelle | BSG, Urteil vom 21.9.2023, B 3 KR 11/22 R, Abruf-Nr. 238435 unter www.iww.de

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Verkehrsrecht

Eilantrag: „Kiezblocks“ nur bei erhöhter Gefahrenlage zulässig

| Straßensperrungen zur Reduzierung des motorisierten Kraftfahrzeugverkehrs auf Durchgangsstraßen dürfen nur bei besonderen Gefahren für die Sicherheit und Ordnung des Verkehrs angeordnet werden. Mit dieser Begründung hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin einem Eilantrag stattgegeben, der sich u.a. gegen die Sperrung einer Straße mittels Sperrpfosten, der Einrichtung eines sog. „Kiezblocks“, auf einer Straße in Berlin-Pankow gewandt hatte. |

Maßnahmen zur Reduzierung des Durchgangsverkehrs

Im Juni 2021 hatte die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) des Bezirks Pankow von Berlin das Bezirksamt aufgefordert, Maßnahmen zur wirksamen Reduzierung des Durchgangsverkehrs in einer bestimmten Straße zu treffen. Dort sei ein zunehmender Durchgangsverkehr zu verzeichnen, wobei die zulässige Höchstgeschwindigkeit regelmäßig deutlich überschritten werde. Außerdem würden oft die schmalen Gehwege befahren, die sich in einem beklagenswerten Zustand befänden. Dadurch komme es häufig zu gefährlichen Situationen zwischen Verkehrsteilnehmern, insbesondere für Kinder auf dem Weg zur Kindertagesstätte oder zur Schule.

Das Bezirksamt erließ im Februar 2023 eine verkehrsrechtliche Anordnung, mit der u.a. mittels Sperrpfosten die Durchfahrt für Kraftfahrzeuge untersagt wurde. Zur Begründung verwies das Bezirksamt auf den Beschluss der BVV Pankow.

Keine außerordentlichen Straßenschäden

Der Eilantrag hatte Erfolg. Nach Auffassung des VG bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Aufstellung der Sperrpfosten und sonstiger Verkehrsschilder. Die nach der Straßenverkehrsordnung einzuhaltenden Vorgaben seien nicht erfüllt. Zwar könnten spezielle Verkehrsregelungen zur Verhütung außerordentlicher Schäden an der Straße getroffen werden; hier sei aber nicht ersichtlich, dass in der betreffenden Straße Schäden bestünden, die über gewöhnliche Verschleißerscheinungen hinausgingen. Ein erhöhtes Risiko der Beeinträchtigung der Wohnbevölkerung vor Lärm und Abgasen sei ebenso wenig ersichtlich.

In der betreffenden Straße gelte bereits jetzt eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h, die bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 22 km/h weitgehend eingehalten werde. Messungen zur Lärm- und Abgasbelastung habe der Antragsgegner nicht durchgeführt.

Keine erhöhte Gefahrenlage

Schließlich habe das Bezirksamt auch im Übrigen eine erhöhte Gefahrenlage nicht dargelegt. Soweit es sich auf Gefahren wegen des erhöhten Verkehrsaufkommens oder des Verhaltens der Verkehrsteilnehmer berufe, hätte die Behörde zumindest Angaben über aktuelle Verkehrs- und/oder Unfallzahlen sowie Ordnungswidrigkeitenverfahren machen müssen. Daran fehle es hier. Im Gegenteil habe nicht nur die Polizei Berlin erhebliche Bedenken gegen die verkehrliche Anordnung gehabt, sondern auch ein Mitarbeiter des Bezirksamts selbst habe bei einer Ortsbegehung im Januar 2022 keine Verkehrsgefährdungen festgestellt. Infolge der Entscheidung muss das Bezirksamt die Sperrung aufheben und die zu ihrer Umsetzung getroffenen Verkehrszeichen und -einrichtungen vorerst entfernen.

Quelle | VG Berlin, Beschluss vom 15.12.2023, VG 11 L 316/23, PM 1/24

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Schadensregulierung: Versicherungsnehmer muss bei Gutachtenauftrag auf Vorschäden hinweisen

| Der Versicherungsnehmer muss den Versicherer bei der Regulierung eines Kasko-Schadens auf ihm bekannte Vorschäden des versicherten Fahrzeugs hinweisen. Diese Obliegenheit besteht auch, wenn der Versicherungsnehmer selbst davon ausgeht, dass ein vollständig fachgerecht reparierter Vorschaden vorliegt. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Bremen entschieden. |

Das OLG machte aber auch deutlich, dass diese Hinweispflicht nicht nur gegenüber dem Versicherer besteht. Sie greift auch, wenn der Versicherungsnehmer ein privates Gutachten erstellen lässt, das Grundlage der Schadensregulierung in der Kfz-Vollkaskoversicherung sein soll.

Sind dem Versicherungsnehmer die Vorschäden bekannt, muss er sie gegenüber dem von ihm beauftragten Gutachter offenlegen. Unterlässt er dies und lässt der Gutachter unstreitig vorhandene Vorschäden bei der Ermittlung der Schadenshöhe unberücksichtigt, ist das Gutachten für den geplanten Zweck unbrauchbar. Es ist unvollständig und zur Ermittlung der Schadenshöhe ungeeignet.

Hinzu kommt: Durch die Vorlage dieses unbrauchbaren Gutachtens kommt der Versicherungs-nehmer der ihm obliegenden Darlegungs- und Beweislast zum Schadensumfang bereits nicht nach.

Quelle | OLG Bremen, Beschluss vom 14.6.2023, 3 U 41/22, Abruf-Nr. 238456 unter www.iww.de

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Schadenersatz: Ersatzfähigkeit der Kosten für die Verwahrung eines privat abgeschleppten KFZ

| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Zu den erstattungsfähigen Kosten für die Entfernung eines unbefugt auf einem Privatgrundstück abgestellten Fahrzeugs gehören auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der Verwahrung des Fahrzeugs im Anschluss an den Abschleppvorgang entstehen. |

Das war geschehen

Der Kläger ist Halter und Eigentümer eines Pkw, den er an seine Schwester verliehen hatte. Diese stellte das Fahrzeug unbefugt auf einem Privatgrundstück ab, das von der Streithelferin der Beklagten für die Grundstückseigentümerin verwaltet wird. Im Auftrag der Streithelferin schleppte die Beklagte, die ein Abschleppunternehmen betreibt, das Fahrzeug ab und verbrachte es auf ihr Firmengelände. Auf das nach fünf Tagen geäußerte Herausgabeverlangen des Klägers reagierte die Beklagte nicht.

So sahen es die Vorinstanzen

Der Kläger hat von der Beklagten erstinstanzlich die Herausgabe des Fahrzeugs verlangt. Die Parteien haben den Rechtsstreit insoweit zwischenzeitlich übereinstimmend für erledigt erklärt. Nicht mehr im Streit steht auch der mit der Widerklage verlangte Ersatz der Abschleppkosten. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Teil, mit dem die Beklagte den Kläger auf Ersatz der Verwahrkosten in Höhe von knapp 5.000 Euro aus abgetretenem Recht der Streithelferin in Anspruch nimmt (15 Euro pro Tag der Verwahrung). Das Landgericht (LG) hat dem stattgegeben. Das Oberlandesgericht (OLG) hat das landgerichtliche Urteil dahingehend geändert, dass die Beklagte Ersatz der Verwahrkosten nur in Höhe von 75 Euro für fünf Tage verlangen kann. Mit der Revision zum BGH will die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen. Der Kläger verfolgt demgegenüber die vollständige Abweisung der Widerklage.

So sieht es der Bundesgerichtshof

Der BGH hat die Ansprüche beider Parteien zurückgewiesen. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagten stehe aus abgetretenem Recht der Streithelferin (nur) ein Anspruch auf Ersatz der in den ersten fünf Tagen der Verwahrung angefallenen Verwahrkosten zu, sei frei von Rechtsfehlern.

Kosten der Verwahrung gehören zum Abschleppvorgang

Zu den nach den Vorschriften der sog. berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag erstattungsfähigen Kosten für die Entfernung eines unbefugt auf einem Privatgrundstück abgestellten Fahrzeugs zählen auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der anschließenden Verwahrung des Fahrzeugs entstehen. Diese Kosten dienen noch der Abwicklung des Abschleppvorgangs. Der Grundstücksbesitzer nimmt mit dem Abschleppen ein Selbsthilferecht wahr, das einfach handhabbar sein muss und nicht mit Haftungsrisiken behaftet sein darf. Deshalb ist er nicht gehalten, einen Parkplatz im öffentlichen Parkraum ausfindig zu machen, sondern er darf das Fahrzeug in sichere Verwahrung geben.

Fahrzeughalter ist zu informieren

Der Grundstücksbesitzer ist allerdings gehalten, den Halter des abgeschleppten Fahrzeugs unmittelbar im Anschluss über den Abschleppvorgang zu unterrichten. Eine Verletzung dieser Pflicht kann zu einer Anspruchskürzung führen, wenn sie zur Folge hat, dass der Halter die Herausgabe seines Fahrzeugs anders als es hier der Fall war erst mit einer zeitlichen Verzögerung verlangen kann.

Der Erstattungsanspruch ist zudem zeitlich bis zu einem Herausgabeverlangen des Halters begrenzt. Nachfolgend anfallende Verwahrkosten dienen nicht mehr der Abwicklung des Abschleppvorgangs, sondern sind nur noch auf eine Herausgabeverweigerung und die damit bezweckte Durchsetzung des entstandenen Kostenerstattungsanspruchs wegen der Besitzstörung zurückzuführen. Da der Kläger hier nach fünf Tagen sein Fahrzeug von der Beklagten herausverlangt hat, hat die Beklagte aus abgetretenem Recht der Streithelferin einen Anspruch auf Ersatz der bis zu dem Herausgabeverlangen angefallenen Verwahrkosten in Höhe von insgesamt 75 Euro.

Auch für die Zeit nach dem Herausgabeverlangen kommt grundsätzlich ein Anspruch auf Ersatz von weiteren Verwahrkosten in Betracht, nämlich dann, wenn der das Fahrzeug herausverlangende Halter nicht bereit ist, im Gegenzug die für das Abschleppen und die bisherige Verwahrung angefallenen ortsüblichen Kosten zu zahlen und der Abschleppunternehmer daraufhin die Herausgabe des Fahrzeugs verweigert, sodass der Halter in Annahmeverzug gerät. Dennoch blieb die Beklagte vor dem BGH erfolglos, weil sie auf das Herausgabeverlangen des Klägers diesem die Herausgabe des Fahrzeugs nicht ordnungsgemäß in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat.

Quelle | BGH, Urteil vom 17.11.2023, V ZR 192/22, PM 190/23

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Steuerrecht

Geldwerter Vorteil: Fahrradzubehör: Überlassung kann steuerfrei sein

| Überlässt ein Arbeitgeber seinem Beschäftigten zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn ein (Elektro-)Fahrrad zur Privatnutzung, ist dieser geldwerte Vorteil grundsätzlich nach dem Einkommensteuergesetz (§ 3 Nr. 37 EstG) steuerfrei. Die Oberfinanzdirektion (OFD) Frankfurt hat nun darauf hingewiesen, was gilt, wenn auch Fahrradzubehör überlassen wird. |

Beispiele für begünstigtes Zubehör: Fest am Rahmen des Fahrrads oder anderen Fahrradteilen verbaute Zubehörteile wie z. B. Fahrradständer, Gepäckträger, Schutzbleche, Klingel, Rückspiegel, Schlösser, Navigationsgeräte, andere angebaute Träger oder modellspezifische Halterungen.

Liegt demgegenüber nicht begünstigtes Fahrradzubehör vor, ist der geldwerte Vorteil aus der Überlassung steuerpflichtig. Die OFD nennt hier folgende Beispiele für nicht begünstigtes Zubehör: Fahrerausrüstung (z. B. Helm und Kleidung), in modellspezifische Halterungen einsetzbare Geräte (z. B. Smartphone, mobiles Navigationsgerät) oder Gegenstände (z. B. Fahrradanhänger, Lenker-, Rahmen- oder Satteltaschen oder Fahrradkorb).

Quelle | OFD Frankfurt, Verfügung vom 2.11.2023, S 2334 A – 32 – St 210

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Kinderbetreuungskosten getrennter Eltern: Sonderausgabenabzug: Das Bundesverfassungsgericht muss entscheiden

| Wenn sich Eltern trennen und die Kosten für die Kinderbetreuung fortan teilen, ist bisher eine Voraussetzung für den Sonderausgabenabzug der Kinderbetreuungskosten, dass das Kind zum Haushalt des Elternteils gehört hat. Dagegen klagt nun ein Steuerpflichtiger vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG). |

Hintergrund: Betreuen Eltern ihre Kinder nicht nur selbst, sondern beauftragen damit auch weitere Personen, können die Aufwendungen als Kinderbetreuungskosten geltend gemacht werden. Damit das Finanzamt die Kosten anerkennt, müssen folgende Voraussetzungen des Einkommensteuergesetzes (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG) erfüllt werden:

  • Es muss sich um Dienstleistungen zur Betreuung handeln.
  • Das Kind muss zum Haushalt gehören.
  • Das Kind darf das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
  • Die Rechnung muss unbar bezahlt werden.

Liegen die Voraussetzungen vor, können die Kosten zu zwei Dritteln und mit maximal 4.000 Euro pro Jahr als Sonderausgaben abgesetzt werden.

Bei getrenntlebenden Eltern scheitert der Abzug oft am obengenannten zweiten Punkt. Das heißt: Es ist nur der Elternteil zum Abzug der Kosten berechtigt, zu dessen Haushalt das Kind gehört. Gegen diese Vorschrift hatte sich ein Vater vor dem Bundesfinanzhof (BFH) gewehrt und verloren jetzt geht er einen Schritt weiter und hat Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Quelle | BFH, Urteil vom 11.5.2023, III R 9/22, Verfassungsbeschwerde: BVerfG, 2 BvR 1041/23

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Höhere Einkommensgrenze: Ab 2024 profitieren mehr Steuerpflichtige von der Arbeitnehmer-Sparzulage

| Mit der Neufassung von § 13 Abs. 1 S. 1 des Fünften Vermögensbildungsgesetzes (5. VermBG) wurde die Einkommensgrenze bei der Arbeitnehmer-Sparzulage für die Anlage der vermögenswirksamen Leistungen in Vermögensbeteiligungen (u. a. Investmentfonds) und für die wohnungswirtschaftliche Verwendung der vermögenswirksamen Leistungen (u. a. das Bausparen) auf 40.000 Euro bzw. bei der Zusammenveranlagung auf 80.000 Euro angehoben. Die durch das Zukunftsfinanzierungsgesetz erfolgte Erhöhung der Einkommensgrenzen gilt erstmals für vermögenswirksame Leistungen, die nach dem 31.12.2023 angelegt werden. |

Hintergrund

Die Arbeitnehmer-Sparzulage ist eine staatlich gewährte Geldzulage zur Förderung der Vermögensbildung von Arbeitnehmern, Beamten, Richtern und Soldaten auf Basis des 5. VermBG. Sie ist eine Subvention für vermögenswirksame Leistungen. Das sind Geldleistungen, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer anlegt.

Beachten Sie | Auch vermögenswirksam angelegtes Arbeitsentgelt ist eine vermögenswirksame Leistung.

Antrag auf Sparzulage in der Einkommensteuererklärung

Die Sparzulage wird auf Antrag durch das für die Besteuerung des Arbeitnehmers zuständige Finanzamt festgesetzt. Die Festsetzung ist regelmäßig mit der Einkommensteuererklärung zu beantragen.

Höhe der Arbeitnehmer-Sparzulage

Die Arbeitnehmer-Sparzulage beträgt:

  • für die Anlage in Bausparverträgen und bei wohnungswirtschaftlichen Verwendungen 9 % der so angelegten vermögenswirksamen Leistungen, soweit diese 470 Euro jährlich nicht überschreiten.
  • für Beteiligungen am Produktivkapital (z. B. Aktien) 20 % der angelegten vermögenswirksamen Leistungen, soweit diese 400 Euro jährlich nicht überschreiten.

Beachten Sie | Werden beide Anlageformen bedient, beträgt die Sparzulage somit höchstens 123 Euro (470 Euro x 9 % und 400 Euro x 20 %) und bei Ehegatten maximal 246 Euro im Jahr.

Zu versteuerndes Einkommen

Voraussetzung war bis 31.12.2023, dass das Einkommen in der Variante 1 (Bausparverträge etc.) maximal 17.900 Euro (35.800 Euro bei Ehegatten) beträgt. In der Variante 2 (Produktivkapital) lag die Grenze bei 20.000 Euro bzw. 40.000 Euro.

Beide Grenzen wurden nun mit Wirkung ab dem 1.1.2024 vereinheitlicht und auf 40.000 Euro bzw. 80.000 Euro angehoben. Maßgeblich ist das zu versteuernde Einkommen nach § 2 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EstG).

Quelle | Zukunftsfinanzierungsgesetz, BGBl I 2023, Nr. 354

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Geldprämien: Bonuszahlungen der gesetzlichen Krankenkassen: 150 Euro bleiben weiter „steuerfrei“

| Die von einer gesetzlichen Krankenkasse auf Basis des Sozialgesetzbuchs V (hier: § 65a SGB V) gewährte Geldprämie (Bonus) für gesundheitsbewusstes Verhalten kann eine die Sonderausgaben mindernde Beitragserstattung darstellen. Hierzu hatte die Finanzverwaltung mit Schreiben vom 16.12.2021 eine Vereinfachung geschaffen: Bonusleistungen bis zur Höhe von 150 Euro pro versicherte Person stellen Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung dar und mindern die Sonderausgaben nicht. Diese Regelung wurde bis Ende 2023 befristet und nun für bis zum 31.12.2024 geleistete Zahlungen verlängert. |

Quelle | BMF, Schreiben vom 28.12.2023, IV C 3 – S 2221/20/10012 :005

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Doppelte Haushaltsführung: Mietzahlungen für Zweitwohnung durch den anderen Ehegatten sind abzugsfähig

| Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) Nürnberg sind die bei einer doppelten Haushaltsführung eines Ehegatten angefallenen Mietzahlungen für die Zweitwohnung, die durch den anderen Ehegatten von dessen Konto geleistet wurden, wegen der ehelichen Wirtschafts-/Lebensgemeinschaft dem die Haushaltsführung begründenden Ehegatten als eigene Werbungskosten zuzurechnen. Wegen der Lebens-/Wirtschaftsgemeinschaft sind die Grundsätze zur Kostentragung und zum Drittaufwand hier nicht anwendbar. |

Hintergrund zur doppelten Haushaltsführung

Eine doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn der Steuerpflichtige außerhalb des Orts, an dem er einen eigenen Hausstand unterhält, beruflich tätig ist und auch am Ort der beruflichen Tätigkeit wohnt.

Abziehbare Werbungskosten

Als Werbungskosten abziehbar sind die notwendigen Mehraufwendungen. Dies sind vor allem:

  • Kosten der Zweitwohnung (Miete, Betriebskosten etc. bis maximal 1.000 Euro im Monat),
  • Kosten für Familienheimfahrten (begünstigt ist eine Fahrt pro Woche vom Beschäftigungsort zur Erstwohnung),
  • Verpflegungsmehraufwand (Pauschalen für die ersten drei Monate nach Bezug der Zweitwohnung).

Beachten Sie | Da gegen die Entscheidung des FG Nürnberg die Revision anhängig ist, steht noch nicht fest, ob man sich auf dieses für Steuerpflichtige günstige Urteil verlassen kann. Zur Sicherheit sollten die Kosten daher durch den die doppelte Haushaltsführung begründenden Ehegatten beglichen werden.

Quelle | FG Nürnberg, Urteil vom 21.10.2022, 7 K 150/21, Rev. BFH: VI R 16/23, Abruf-Nr. 239027 unter www.iww.de

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Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht

Arbeitgeber: Minijobs: Geringfügigkeits-Richtlinien wurden aktualisiert

| Die Geringfügigkeits-Richtlinien bilden die Grundlage für alle Regelungen, die Arbeitgeber rund um Minijobs zu beachten haben. Nicht zuletzt wegen der Erhöhung der Minijob-Grenze ab dem Jahr 2024 (von 520 Euro auf 538 Euro) haben die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung die Richtlinien aktualisiert. |

Die Geringfügigkeits-Richtlinien enthalten alle Regelungen, die wegen der gesetzlichen Vorgaben für Minijobs zu beachten sind. Arbeitgeber finden hier Informationen zu den zwei Arten von Minijobs, deren versicherungsrechtlicher Beurteilung, den verschiedenen Meldungen und zu den Abgaben, die zu leisten sind.

Quelle | Geringfügigkeits-Richtlinien vom 14.12.2023, unter www.iww.de/s10320

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Freiberufler und Gewerbetreibende: Wirtschafts-Identifikationsnummer ab Herbst 2024

| Die Wirtschafts-Identifikationsnummer (W-IdNr.) wird ab Herbst 2024 vergeben werden. Damit wird jede wirtschaftlich tätige natürliche Person, jede juristische Person und jede Personenvereinigung jeweils ein einheitliches und dauerhaftes Merkmal zum Zwecke der eindeutigen Identifizierung in Besteuerungsverfahren erhalten. Darauf hat das Bundesfinanzministerium (BMF) hingewiesen. |

Die Vergabe der W-IdNr. erfolgt wegen technischer und organisatorischer Anforderungen in Stufen. Sie setzt sich aus dem Kürzel „DE“ und neun Ziffern zusammen. Ergänzt wird die W-IdNr. durch ein 5-stelliges Unterscheidungsmerkmal für einzelne Tätigkeiten, Betriebe oder Betriebsstätten (Beispiel für eine W-IdNr.: DE123456789-00001).

Die W-IdNr. dient zugleich auch als bundeseinheitliche Wirtschaftsnummer nach dem Unternehmensbasisdatenregistergesetz. Das Unternehmensbasisdatenregister ist ein zentrales und ressortübergreifendes Vorhaben zur Verwaltungsdigitalisierung und -modernisierung. Ziel des Basisregisters ist es, Unternehmen von Berichtspflichten zu entlasten, indem Mehrfachmeldungen der Stammdaten an unterschiedliche Register vermieden werden („Once-Only“-Prinzip).

Quelle | BMF, Das ändert sich 2024, Mitteilung vom 28.12.2023

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Tabakerzeugnisverordnung: Abbildungen von Zigarettenpackungen auf Ausgabeautomaten müssen gesundheitsbezogene Warnhinweise zeigen

| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Abbildungen von Zigarettenpackungen auf den Auswahltasten von Warenausgabeautomaten an Supermarktkassen müssen die gesetzlich vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweise zeigen. |

Das war geschehen

Der Kläger ist ein eingetragener Verbraucherverein. Der Beklagte betreibt in München zwei Supermärkte. An deren Kassen werden Zigarettenpackungen in Warenausgabeautomaten zum Kauf bereitgehalten. Die Zigarettenpackungen sind mit den vorgeschriebenen gesundheitsbezogenen Warnhinweisen versehen. Kunden, die eine Zigarettenpackung erwerben wollen, müssen durch Drücken einer am Warenausgabeautomaten befindlichen Taste die Zigarettenmarke auswählen. Die für den Kunden zuvor nicht sichtbare Zigarettenpackung wird dann von einer Ausgabevorrichtung auf das Kassenband befördert und von dem Kunden an der Kasse bezahlt, falls er sich nicht anders entscheidet und von einem Kauf der Zigaretten absieht. Die Auswahltasten des Zigarettenautomaten sind mit Abbildungen versehen, die zwar keine naturgetreuen Zigarettenpackungen zeigen, aber hinsichtlich Markenlogo, Proportion, Farbgebung und Dimensionierung wie Zigarettenpackungen gestaltet sind. Diese Abbildungen zeigen keine gesundheitsbezogenen Warnhinweise.

Der Kläger hat den Beklagten wegen Verstoßes gegen die Tabakerzeugnisverordnung (TabakerzV) auf Unterlassung in Anspruch genommen.

So sah es der Bundesgerichtshof

Der BGH hat den Antrag abgewiesen, soweit der Kläger verbieten lassen wollte, Zigaretten in Ausgabeautomaten zum Verkauf anzubieten, wenn dadurch die gesundheitsbezogenen Warnhinweise auf den Packungen verdeckt werden. Zigaretten werden zwar schon mit ihrem Anbieten über Ausgabeautomaten und nicht erst mit dem Abschluss eines Kaufvertrags in den Verkehr gebracht. Allerdings sind gesundheitsbezogene Warnhinweise auf Zigarettenpackungen nicht im Sinne der einschlägigen Vorschriften verdeckt, wenn die Zigarettenpackungen in Ausgabeautomaten vorrätig gehalten werden und deshalb von außen überhaupt nicht sichtbar sind. Kann der Verbraucher wie im Streitfall die im Automaten eingeschlossene Packung von außen überhaupt nicht sehen, wird er keinen Kaufimpuls verspüren, dem durch die gesundheitsbezogenen Warnhinweise entgegengewirkt werden soll.

Abbildungen der Zigarettenverpackungen ohne Warnhinweis nicht erlaubt

Der Kläger hatte allerdings vor dem BGH Erfolg, soweit er sich gegen die Abweisung seines Antrags wendet, der auf das Verbot der Verwendung von Abbildungen von Zigarettenverpackungen ohne gesundheitsbezogene Warnhinweise auf den Auswahltasten des Automaten gerichtet ist. Insoweit hat der BGH den Beklagten zur Unterlassung verurteilt. Abbildungen von Packungen, die für an Verbraucher gerichtete Werbemaßnahmen in der Europäischen Union bestimmt sind, müssen nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften den Anforderungen der TabakerzV zur Verpackung und zu Warnhinweisen genügen. Eine Abbildung im Sinne dieser Vorschriften liegt nicht nur bei einer naturgetreuen Abbildung einer Zigarettenpackung vor, sondern bereits dann, wenn die Abbildung wie im Streitfall an eine Zigarettenpackung erinnert. Von einer solchen Abbildung geht ein vergleichbarer Kaufimpuls aus. Sie muss daher ebenfalls einen gesundheitsbezogenen Warnhinweis aufweisen.

Quelle | BGH, Urteil vom 26.10.2023, I ZR 176/19 – Zigarettenausgabeautomat III, PM 178/23

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Corona-Pandemie: „NRW-Überbrückungshilfe Plus“ ist steuerpflichtige Betriebseinnahme

| Die „NRW-Überbrückungshilfe Plus“ für Selbstständige, die anlässlich der Corona-Pandemie gezahlt wurde, stellt nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf eine steuerpflichtige Betriebseinnahme dar. |

Das war geschehen

Ein Freiberufler erzielte im Jahr 2020 Einkünfte aus selbstständiger Arbeit. Er erhielt 3.160,22 Euro als Billigkeitsleistung gemäß der Landeshaushaltsordnung und auf der Grundlage der damals geltenden Landesrichtlinien zur Gewährung von Überbrückungshilfen. Der Betrag setzte sich aus Bundesmitteln (160,22 Euro) und zusätzlichen Landesmittelen (3.000 Euro) zusammen.

In seiner Steuererklärung minderte der Freiberufler seine Einkünfte aus selbstständiger Arbeit um 3.000 Euro (monatlich 1.000 Euro für die Monate April bis Juni 2020), da dieser Betrag auf die „Überbrückungshilfe Plus“ für die private Lebensführung entfalle. Demgegenüber qualifizierte das Finanzamt die Soforthilfen als steuerpflichtige Betriebseinnahmen.

In seiner Klage führte der Steuerpflichtige u. a. Folgendes aus: Die an ihn ausgezahlte Coronahilfe könne, soweit sie als Unternehmerlohn zu qualifizieren sei, nicht als Einkunftsart i. S. des Einkommensteuergesetzes (hier: § 2 Abs. 1 EstG) erfasst werden, weil sie als Ersatz für die Grundsicherung gezahlt worden sei, die die Unternehmer bei Ausbleiben dieser Zahlung hätten in Anspruch nehmen müssen.

Finanzgericht gab der Finanzverwaltung Recht

Das FG Düsseldorf folgte dieser Argumentation allerdings nicht und erachtete den Ansatz der Corona-Überbrückungshilfe bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit als rechtmäßig.

Zwischen den Leistungen und dem Betrieb des Steuerpflichtigen besteht ein wirtschaftlicher Zusammenhang, da die Überbrückungshilfe NRW nur an Unternehmer gezahlt wurde, die ihre Tätigkeit während des Förderzeitraums im Haupterwerb von einer in NRW befindlichen Betriebsstätte oder einem in NRW befindlichen Sitz der Geschäftsführung aus ausgeführt haben. Die Zahlung war zudem von der Höhe des Umsatzes im Förderzeitraum abhängig und wurde geleistet, um dem Empfänger die Möglichkeit zu geben, sich weiterhin der betrieblichen oder freiberuflichen Tätigkeit zu widmen.

Diese betriebliche Veranlassung der Zahlungen der „NRW Überbrückungshilfe Plus“ wurde nicht dadurch aufgehoben, dass die gewährten Mittel zur Deckung von Privataufwendungen verwendet werden durften.

Das FG führte weiter aus: Die Steuerbefreiungen in § 3 EStG enthalten Ausnahmeregelungen zum Grundsatz, dass steuerbare Einnahmen auch steuerpflichtig sind. Aufgrund dieses Regel-Ausnahme-Verhältnisses verbietet sich eine Ausdehnung der Steuerbefreiung für den Bezug von Arbeitslosengeld II auf die „NRW Überbrückungshilfe Plus“. Dies gilt im Streitfall umso mehr, als der Freiberufler neben der Überbrückungshilfe Einkünfte aus selbständiger Arbeit i. H. von 38.354 Euro erzielte und schon aufgrund der Höhe dieser Einkünfte keinen Anspruch auf Bezug von Arbeitslosengeld II gehabt hätte.

Ferner versagte das FG auch eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11 EStG. Eine im Sinne dieser Vorschrift zu verstehende Hilfsbedürftigkeit ist insbesondere wegen des neben der Überbrückungshilfe erzielten Jahresgewinns von 38.354 Euro auch nicht in wirtschaftlicher Hinsicht festzustellen.

Bundesfinanzhof muss entscheiden

Der Freiberufler hat gegen die Entscheidung Revision eingelegt, sodass nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden muss.

Quelle | FG Düsseldorf, Urteil vom 7.11.2023, 13 K 570/22 E, Rev. BFH, VIII R 34/23, Abruf-Nr. 238919 unter www.iww.de; FG Düsseldorf, Newsletter Dezember 2023

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Abschließende Hinweise

Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 03/2024

| Im Monat März 2024 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |

Steuertermine (Fälligkeit):

  • Umsatzsteuer (Monatszahler): 11.03.2024
  • Lohnsteuer (Monatszahler): 11.03.2024
  • Einkommensteuer (vierteljährlich): 11.03.2024
  • Kirchensteuer (vierteljährlich): 11.03.2024
  • Körperschaftsteuer (vierteljährlich): 11.03.2024

Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.

Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 14.03.2024. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.

Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):

Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig, für den Beitragsmonat März 2024 am 26.03.2024.

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Berechnung der Verzugszinsen

| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten. |

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Januar 2024 bis zum 30. Juni 2024 beträgt 3,62 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 8,62 Prozent
  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 12,62 Prozent*

* für Schuldverhältnisse, die vor dem 29.7.2014 entstanden sind: 11,62 Prozent.

Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).

Übersicht / Basiszinssätze

Zeitraum

Zinssatz

01.07.2023 bis 31.12.2023

3,12 Prozent

01.01.2023 bis 30.06.2023

1,62 Prozent

01.07.2022 bis 31.12.2022

-0,88 Prozent

01.01.2022 bis 30.06.2022

-0,88 Prozent

01.07.2021 bis 31.12.2021

-0,88 Prozent

01.01.2021 bis 30.06.2021

-0,88 Prozent

01.07.2020 bis 31.12.2020

-0,88 Prozent

01.01.2020 bis 30.06.2020

-0,88 Prozent

01.07.2019 bis 31.12.2019

-0,88 Prozent

01.01.2019 bis 30.06.2019

-0,88 Prozent

01.07.2018 bis 31.12.2018

-0,88 Prozent

01.01.2018 bis 30.06.2018

-0,88 Prozent

01.07.2017 bis 31.12.2017

-0,88 Prozent

01.01.2017 bis 30.06.2017

-0,88 Prozent

01.07.2016 bis 31.12.2016

-0,88 Prozent

01.01.2016 bis 30.06.2016

-0,83 Prozent

01.07.2015 bis 31.12.2015

-0,83 Prozent

01.01.2015 bis 30.06.2015

-0,83 Prozent

01.07.2014 bis 31.12.2014

-0,73 Prozent

01.01.2014 bis 30.06.2014

-0,63 Prozent

01.07.2013 bis 31.12.2013

-0,38 Prozent

01.01.2013 bis 30.06.2013

-0,13 Prozent

01.07.2012 bis 31.12.2012

0,12 Prozent

01.01.2012 bis 30.06.2012

0,12 Prozent

01.07.2011 bis 31.12.2011

0,37 Prozent

01.01.2011 bis 30.06.2011

0,12 Prozent

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