Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 07/2019:
Arbeitsrecht
- Berufsgenossenschaft: Gewalt gegen Beschäftigte: Gesundheitliche Folgen sind versichert
- Haftungsrecht: Mitgefangen, mitgehangen: LKW-Fahrer schuldet die Tabaksteuer
- Einstellung: Tätowierungen können Ablehnungsgrund bei Bewerbung als Objektschützer sein
- Datenschutz: Nach Ende des Arbeitsverhältnisses kann Löschung einer Abmahnung verlangt werden
Baurecht
- Lärmbeeinträchtigung: Keine Baugenehmigung für Studentenwohnheim mit zu vielen Stellplätzen
- Architektenrecht: Wer die Planung des Architekten zum Antrag der Baugenehmigung einreicht, nimmt die Leistung ab
- Werkvertragsrecht: Abweichen der Leistung von der vereinbarten Beschaffenheit ist ein Mangel
- Bauherrnberatung: Wiederaufbau nach Brand: Versicherung nimmt es wörtlich
Familien- und Erbrecht
- Betreuungsrecht: Im Unterbringungsverfahren muss der Betroffene persönlich über Gutachten informiert werden
- Adoption: Volljährigenadoption ist auch bei intaktem Verhältnis zu den leiblichen Eltern möglich
- Hausratsverordnung: Voraussetzungen für die Zuweisung eines Hundes nach der Scheidung
- Erbrecht: „Bei einem gemeinsamen Tod“ kann auch innerhalb mehrerer Jahre bedeuten
Mietrecht und WEG
- Zwangsräumung: Keine Räumung wegen Eigenbedarf, wenn dieser zwischenzeitlich entfallen ist
- Kündigungsrecht: Tod des Gewerberaummieters: Vertragliche Fristen gehen vor
- Mangel der Mietsache: Wer Beseitigung der Mängel verweigert, darf nicht mehr mindern
- WEG: Miteigentümer darf Gemeinschaftsflächen nicht mit Kamera überwachen
Verbraucherrecht
- Haftungsrecht: Schwimmbadbetreiber haftet nicht für einen unaufmerksamen Besucher
- Arzthaftung: Schmerzensgeld für nicht erkannten Darmkrebs
- Gebrauchtwagenkauf: Händler muss deutlich aufzeigen, wer Verkäufer des Fahrzeugs sein soll
- Private Krankenversicherung: Keine Anfechtung: TIA ist kein Schlaganfall
Verkehrsrecht
- Geschwindigkeitsüberschreitung: In gut einer Stunde elfmal geblitzt kostet den Raser 1.504 EUR und drei Monate Fahrverbot
- Fahrlässige Körperverletzung: Nachts mit dem Trecker auf der Landstraße
- Mietwagen: Was gilt, wenn die Geschädigte schon vor dem Unfall nicht selbst fahren konnte?
- Mietwagen: Anmietung bei Werkstatt, weil nächster Vermieter 43 km entfernt
Steuerrecht
- Kinderfreibetrag: Kann auch der Betreuungsfreibetrag für volljährige Kinder übertragen werden?
- Freiberufler und Gewerbetreibende: Auch ein elektronisches Fahrtenbuch muss zeitnah geführt werden
- Steuererklärung: Finanzverwaltung setzt Zinsen vorläufig fest
- Gewerbe: Erträge aus Internetauktionen bei eBay als gewerbliche Einkünfte
- Werbungskosten: Sky-Bundesliga-Abo kann die Einkommensteuer mindern
Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht
- Umsatzsteuer: EU-Mehrwertsteuerreform: Änderungen für international agierende Unternehmen
- Wettbewerbsrecht: Autokauf im Internet: Werbung mit unklarem Preis ist wettbewerbswidrig
Abschließende Hinweise
Arbeitsrecht
Berufsgenossenschaft: Gewalt gegen Beschäftigte: Gesundheitliche Folgen sind versichert
| Viele Beschäftigte z. B. in Krankenhäusern, Pflege- und Betreuungseinrichtungen erleben in ihrem Arbeitsalltag verbale oder körperliche Gewalt. Aber längst nicht alle wissen, dass bei solchen Vorfällen unter Umständen die gesetzliche Unfallversicherung greift. |
Versicherungsschutz
Verursacht ein Gewaltvorfall im Zusammenhang mit der Arbeit einen körperlichen Schaden oder eine psychische Erkrankung, handelt es sich versicherungsrechtlich um einen Arbeitsunfall. Je nach Einzelfall kann das auch bei verbalen Übergriffen gegeben sein.
Die zuständige Berufsgenossenschaft oder Unfallkasse sorgt dann für die bestmögliche medizinische Behandlung. Sie kümmert sich mit allen geeigneten Mitteln darum, dass der oder die betroffene Versicherte wieder am beruflichen und gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Das gilt auch bei psychischen Folgen eines Übergriffs.
Erste Hilfe für die Psyche
Hilfe erhalten Betroffene nach Extremerlebnissen bei der Arbeit bereits, bevor gesundheitliche Folgen sichtbar werden.
- Die BGW bietet ihren Versicherten in solchen Situationen beispielsweise telefonisch-psychologische Beratung.
- Alternativ können Betroffene bis zu fünf probatorische Sitzungen bei ärztlichen oder psychologischen Physiotherapeutinnen oder -therapeuten zur psychischen Stabilisierung wahrnehmen.
Wenn anschließend aufgrund des selbst erlittenen oder miterlebten Vorfalls eine psychotherapeutische Weiterbehandlung erforderlich ist, wird diese ebenfalls gewährt.
Wann Gewaltereignis melden?
Meldepflichtig sind Gewaltvorfälle wie andere Arbeitsunfälle auch, wenn sie mehr als drei Kalendertage Arbeitsunfähigkeit verursachen. Doch bei Gewalt- und anderen Extremereignissen können psychische Folgen zeitverzögert auftreten. Deshalb empfiehlt die BGW:
- Extremereignisse immer melden: insbesondere schwere Körperverletzungen, Sexualdelikte oder (Raub-)Überfälle, auch auf dem Arbeitsweg. Dabei müssen auch Beschäftigte berücksichtigt werden, die das Geschehen miterlebt oder Betroffenen geholfen haben und dadurch ebenfalls psychisch belastet sein können.
- Gewaltereignisse immer melden, wenn psychische Auffälligkeiten bei direkt oder indirekt betroffenen Beschäftigten bemerkbar werden.
- Bei häufigem Auftreten von Gewalt- oder Extremereignissen im Betrieb individuell Kontakt mit der BGW aufnehmen.
Zu beachten ist dabei: Sofern keine Meldepflicht für den jeweiligen Arbeitsunfall besteht, muss für eine fallbezogene Meldung an die Berufsgenossenschaft die Zustimmung der betreffenden versicherten Person vorliegen.
Quelle | BGW Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege
Haftungsrecht: Mitgefangen, mitgehangen: LKW-Fahrer schuldet die Tabaksteuer
| Ein LKW-Fahrer, der ohne sein Wissen in seinem Fahrzeug versteckte, unversteuerte Zigaretten von Polen nach Deutschland fährt, ist auch dann Steuerschuldner nach dem Tabaksteuergesetz, wenn das gegen ihn geführte Steuerstrafverfahren eingestellt wurde. |
So entschied es das Sächsische Finanzgericht (FG) im Falle eines betroffenen LKW-Fahrers. Die 163.000 Zigaretten waren bei einer Kontrolle durch Einsatz eines Röntgengeräts in einem nicht bauartbedingten Hohlraum der Ladefläche entdeckt worden. Im Rahmen des Auswahlermessens wurden neben dem Fahrer zulässigerweise auch dessen Mitfahrer und ein weiterer mutmaßlicher Hintermann als Gesamtschuldner in Anspruch genommen.
Die Richter begründeten die Entscheidung damit, dass das Verbringen im Sinne des Gesetzes als reine Tathandlung ein bloßes Tun ist, mit dem Waren in das Steuergebiet eines anderen Staates gelangen. Auf Vorstellungen oder ein Verschulden des Handelnden kommt es deshalb nicht an. Zudem hat der Führer eines Fahrzeugs die Möglichkeit der Sachherrschaft über sein Fahrzeug (PKW, LKW) sowie alle in ihm befindlichen Gegenstände – damit auch über den im Fahrzeug versteckten Tabak.
Quelle | Sächsisches FG, Urteil vom 5.12.2018, 4 K 1008/14, Abruf-Nr. 208889 unter www.iww.de.
Einstellung: Tätowierungen können Ablehnungsgrund bei Bewerbung als Objektschützer sein
| Art und Inhalt einer Tätowierung können Zweifel an der Verfassungstreue eines Bewerbers begründen, sodass seine Bewerbung abgelehnt werden kann. |
Das folgt aus einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg im Fall eines Mannes, der sich erfolglos um eine Stelle im Objektschutz der Berliner Polizei beworben hatte. Er trägt auf dem Arm sichtbare Tätowierungen, die das Wort „omerta“, Revolverpatronen und Totenköpfe abbilden. Daraufhin verlangte er vom Land Berlin, eine der ausgeschriebenen Stellen nicht zu besetzen. Das Verfahren wurde von den Parteien für erledigt erklärt, nachdem alle Stellen anderweitig besetzt worden waren.
Das LAG hat dem Bewerber die Kosten des Verfahrens auferlegt, weil er ohne die eingetretene Erledigung mit seinem Antrag unterlegen wäre. Das Land Berlin habe wegen der Tätowierungen Zweifel daran haben dürfen, dass der Bewerber jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes eintreten werde. Das Wort „omerta“ und die abgebildeten Revolverpatronen und Totenköpfe begründeten Zweifel daran, dass er als Mitarbeiter des Objektschutzes entsprechend dem in der Verfassung enthaltenen Rechtsstaatsprinzip nach Recht und Gesetz handeln werde. Ob der Bewerber tatsächlich verfassungstreu sei, sei ohne Belang. Es komme entscheidend auf die Sicht eines Betrachters an.
Quelle | LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.4.2019, 5 Ta 730/19, Abruf-Nr. 209377 unter www.iww.de.
Datenschutz: Nach Ende des Arbeitsverhältnisses kann Löschung einer Abmahnung verlangt werden
| Ist das Arbeitsverhältnis beendet, kann der Arbeitnehmer verlangen, dass eine in seiner Personalakte befindliche Abmahnung entfernt wird. |
So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Sachsen-Anhalt. Das folge aus der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO). Diese gebe der betroffenen Person das Recht, von dem Verantwortlichen zu verlangen, dass ihre personenbezogenen Daten unverzüglich gelöscht werden, wenn u. a. die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig sind. Zu den personenbezogenen Daten gehöre auch die Personalakte des Arbeitnehmers und entsprechend die Abmahnung.
Hier waren die personenbezogenen Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern der Arbeitgeber noch ein Interesse daran hat, das Abmahnungsschreiben in der Personalakte des Arbeitnehmers zu behalten. Mit einer Abmahnung übt ein Arbeitgeber sein arbeitsvertragliches Gläubigerrecht in doppelter Hinsicht aus. Zum einen weist er den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rüge und Dokumentationsfunktion). Zum anderen fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragsgetreuen Verhalten auf und kündigt, sofern ihm dies angebracht erscheint, individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion). Diese Warnfunktion entfällt, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist. Hinsichtlich der Rüge- und Dokumentationsfunktion könnte der Arbeitgeber noch ein Interesse am Erhalt der Abmahnung haben, soweit dies zur Abwehr von etwaigen Ansprüchen des Arbeitnehmers oder zur Begründung eigener Ansprüche gegen den Arbeitnehmer erforderlich erscheint. Im vorliegenden Fall sind solche Gründe offensichtlich nicht gegeben. Zwischen den Parteien bestehen keine weiteren arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen, bei denen es für den Arbeitgeber dienlich sein könnte, die Abmahnung noch heranziehen zu können.
Quelle | LAG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23.11.2018, 5 Sa 7/17, Abruf-Nr. 208148 unter www.iww.de.
Baurecht
Lärmbeeinträchtigung: Keine Baugenehmigung für Studentenwohnheim mit zu vielen Stellplätzen
| Die Baugenehmigung für ein Studentenwohnheim mit Stellplätzen auf einem Grundstück ist rechtswidrig, weil die genehmigten Stellplätze zu unzumutbaren Lärmbeeinträchtigungen für einen Nachbarn führen. |
Dies entschied das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz. Von 68 genehmigten Stellplätzen sollten 45 (24 Tiefgaragenstellplätze und 21 oberirdische Stellplätze) über eine Zufahrt zu erreichen sein, die unmittelbar an der Grundstücksgrenze der Kläger verläuft. Schon wegen der neun hiervon im vorderen Bereich des Baugrundstücks genehmigten Stellplätze, die zwischen 5 und 25 Meter vom Wohngrundstück der Kläger entfernt lägen, ergäben sich erhebliche Bedenken im Hinblick auf die Einhaltung der gebotenen Rücksichtnahme. Die im mittleren und hinteren Grundstücksbereich gelegenen restlichen 36 Stellplätze stören eindeutig den rückwärtigen Ruhebereich des klägerischen Wohngrundstücks. Dies wird noch verstärkt, weil die Lage der Zufahrt entlang der Grundstücksgrenze der Kläger in einer Länge von ca. 40 bis 80 Metern verläuft. Die genehmigten Stellplätze würden damit nach Anzahl, Lage und Zuwegung zu einer unzumutbaren Lärmbeeinträchtigung der Kläger führen. Sie verstoßen damit gegen das Gebot der Rücksichtnahme.
Da der Bau des Wohnheims ansonsten nicht zu beanstanden war, muss der Bauherr nun nach anderen Möglichkeiten suchen, die notwendigen Stellplätze auf dem Grundstück zu errichten.
Quelle | OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 23.5. 2019, 1 A 11371/18.OVG, Abruf-Nr. 209378 unter www.iww.de.
Architektenrecht: Wer die Planung des Architekten zum Antrag der Baugenehmigung einreicht, nimmt die Leistung ab
| Hat der Auftraggeber einen Architekten mit der Genehmigungsplanung (Leistungsphase 4) beauftragt, nimmt er dessen Leistung ab, wenn er die Planungsunterlagen im Rahmen des Baugenehmigungsantrags einreicht und die Schlussrechnung vorbehaltlos zahlt. |
Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln klargestellt. Ob das Bauamt auf der Grundlage der genehmigungsfähigen Planungsunterlagen auch tatsächlich eine Baugenehmigung erteilt, fällt ohne abweichende Vereinbarung in die Risikosphäre des Auftraggebers. Dieser muss ggf. seinen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung öffentlich-rechtlich durchsetzen.
Quelle | OLG Köln, Beschluss vom 21.2.2019, 16 U 140/18, Abruf-Nr. 208452 unter www.iww.de.
Werkvertragsrecht: Abweichen der Leistung von der vereinbarten Beschaffenheit ist ein Mangel
| Ein Mangel liegt vor, wenn die Werkleistung nicht den anerkannten Regeln der Technik entspricht. Weitergehend besteht auch ein Mangel, wenn die geplante oder ausgeführte Leistung von der vereinbarten Beschaffenheit abweicht. |
Das hat das Oberlandesgericht (OLG) München klargestellt. Damit steht fest, dass auch Abweichungen von den vereinbarten Leistungen bzw. von der vereinbarten Beschaffenheit immer einen Mangel darstellen. Das gilt unberührt von der Frage, ob die abweichende Leistung gegen die anerkannten Regeln verstößt. Damit sind auch DIN-konforme Leistungen immer dann mangelhaft, wenn sie nicht den getroffenen Vereinbarungen und Beschaffenheiten entsprechen. Als einvernehmliche Beschaffenheit gelten auch Pläne, die Abstimmungsergebnisse enthalten und vom Bauherrn ausdrücklich zur Ausführung freigegeben worden sind.
Damit kann der Bauherr die Mangelbeseitigung ab sofort auch fordern, wenn die Ausführung von der vereinbarten Beschaffenheit (= freigegebene Ausführungsplanung) abweicht und die Abweichung neutral betrachtet noch duldbar sein könnte. Der Auftragnehmer kann sich an dieser Stelle nicht herausreden, nach dem Motto: „Wir haben zwar nicht so wie beauftragt ausgeführt, aber mit der abweichenden Ausführung funktioniert es doch auch“. Das letzte Wort hat in solchen Konstellationen immer der Bauherr.
Quelle | OLG München, Urteil vom 29.11.2017, 20 U 2628/17, Abruf-Nr. 209057; rechtskräftig durch BGH-Beschluss vom 21.11.2018, VII ZR 8/18.
Bauherrnberatung: Wiederaufbau nach Brand: Versicherung nimmt es wörtlich
| Plant der Bauherr den Wiederaufbau eines abgebrannten Gebäudes, sollte er sich mit dem Thema „Versicherung“ und dem „Kleingedruckten“ darin beschäftigen. Anderenfalls können ihm unliebsame Überraschungen drohen. |
Das lehrt eine Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Celle. In dem dortigen Fall hatte ein Bauherr nach einem Brand verlangt, dass die Gebäudeversicherung den Neuwertanteil zahlt. Nach den Allgemeinen Versicherungsbedingungen musste er sicherstellen, dass er die Entschädigung verwendet, um das Gebäude in gleicher Art und Zweckbestimmung wiederherzustellen. In dem abgebrannten Gebäude hatte sich ein Hotel mit Restaurant befunden. Seine Planung sah jetzt vor, das Gebäude zu einem Mehrfamilienhaus mit sechs Wohnungen umzubauen. Die Versicherung zahlte nicht, weil das neue mit dem abgebrannten Gebäude von der Zweckbestimmung nicht vergleichbar sei. Das OLG Celle gab der Versicherung recht.
Beachten Sie | Damit eine Gebäudeversicherung die Kosten eines brandbedingten Neubaus trägt, müssen Bauherr und Planer unbedingt darauf achten, dass eine „Wiederherstellung in gleicher Art und Zweckbestimmung“ gewährleistet ist. Das neue Gebäude muss also nicht nur in Größe und Aufteilung vergleichbar sein, sondern auch die gleiche Funktion haben.
Quelle | OLG Celle, Urteil vom 18.12.2017, 8 U 171/17, Abruf-Nr. 206332 unter www.iww.de.
Familien- und Erbrecht
Betreuungsrecht: Im Unterbringungsverfahren muss der Betroffene persönlich über Gutachten informiert werden
| In einem Unterbringungsverfahren ersetzt die Bekanntgabe des Sachverständigengutachtens an den Verfahrenspfleger oder an den Betreuer nicht die notwendige Bekanntgabe an den Betroffenen persönlich. |
Diese Klarstellung traf der Bundesgerichtshof (BGH) in einem entsprechenden Fall. Die Richter entschieden, dass der Betroffene zu Recht rüge, dass ihm das eingeholte Sachverständigengutachten nicht persönlich bekannt gegeben wurde. Ein Sachverständigengutachten kann nämlich nur als Grundlage einer Entscheidung verwertet werden, wenn das Gericht dem Beteiligten vorher Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt hat. Insoweit ist das Gutachten mit seinem vollen Wortlaut im Hinblick auf die Verfahrensfähigkeit des Betroffenen grundsätzlich auch diesem persönlich zur Verfügung zu stellen. Davon kann nur unter ganz engen Voraussetzungen abgesehen werden. Diese lagen hier aber nicht vor.
Quelle | BGH, Beschluss vom 8.5.2019, XII ZB 2/19, Abruf-Nr. 209178 unter www.iww.de.
Adoption: Volljährigenadoption ist auch bei intaktem Verhältnis zu den leiblichen Eltern möglich
| Eine sittliche Rechtfertigung der Annahme ist bei einer Volljährigenadoption nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die Anzunehmende über ein intaktes Verhältnis zu ihren leiblichen Eltern verfügt. |
Darauf machte das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart im Fall einer Studentin aufmerksam, die von ihrer ledigen und kinderlosen Tante adoptiert werden sollte. Die beiden trugen vor, dass eine Art Eltern-Kind-Verhältnis bestehe. Die Tante habe der Studentin in schweren Lebenssituationen geholfen. Dies wolle die Studentin zurückgeben. Sie wolle sich um die Tante kümmern, sofern dies erforderlich werden sollte. Die Studentin hat nach eigenen Angaben eine intakte Beziehung zu ihren leiblichen Eltern. Ihre Eltern haben mit notariell beurkundeter Erklärung in die beantragte Annahme als Kind ausdrücklich eingewilligt. Das Amtsgericht hat den Adoptionsantrag zurückgewiesen.
Die Richter am OLG hatten dagegen kein Problem mit der Adoption. Es besteht kein Zweifel daran, dass zwischen der Annehmenden und der Anzunehmenden bereits ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden ist. Besteht aber bereits ein solches Eltern-Kind-Verhältnis, ist unwiderleglich vom Vorliegen sittlicher Rechtfertigung im Sinne des Gesetzes auszugehen. Eine Volljährigenadoption ist dann möglich.
Ein bestehendes Eltern-Kind-Verhältnis wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass zwischen der Anzunehmenden und ihren beiden leiblichen Eltern ein intaktes Verhältnis besteht. Bei einer Erwachsenenadoption werden die Rechte und Pflichten aus dem Verwandtschaftsverhältnis des Angenommenen zu seinen Verwandten nicht berührt. Auch die wechselseitigen Erb- und Unterhaltsansprüche zu den leiblichen Eltern bleiben bestehen. Insbesondere wenn auch zwischen dem Annehmenden und den leiblichen Eltern der Anzunehmenden ein gutes Verhältnis besteht und der Annehmende selbst keine Kinder hat, sind keine Loyalitätskonflikte zu befürchten.
Quelle | OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.1.2019, 17 UF 87/18, Abruf-Nr. 207706 unter www.iww.de.
Hausratsverordnung: Voraussetzungen für die Zuweisung eines Hundes nach der Scheidung
| Kann einer der Ehepartner nach einer Scheidung nicht nachweisen, dass er Eigentümer oder zumindest Miteigentümer des Hundes ist, kann er ihn von dem anderen Ehepartner nicht herausverlangen. |
Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart in einem Fall, in dem es um die Zuweisung eines Hundes nach der Scheidung der Hundehalter ging. Der Entscheidung lag die Beschwerde einer geschiedenen Ehefrau zugrunde. Die Frau verlangte nach der Scheidung die von den Eheleuten bereits vorehelich angeschaffte Labradorhündin L. heraus. Nachdem sich die Eheleute noch in einer ersten mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht über einen regelmäßigen Umgang des Frauchens mit L. geeinigt hatten, hatte das Familiengericht nach einem streitigen zweiten Verhandlungstermin den Antrag der Ehefrau auf Herausgabe und Umgang mit L. zurückgewiesen.
Die Richter am OLG folgen der Auffassung des Familiengerichts, die Ehefrau habe ihr Eigentum oder ein gemeinsames Eigentum an der Hündin nicht nachgewiesen. Vielmehr sei aus dem Abgabevertrag des Tierhilfevereins, bei dem die späteren Eheleute den Welpen kurz vor der Heirat gekauft hatten, ersichtlich, dass der Ehemann Eigentümer von L. geworden sei. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Frau sich um L. wie ein Kind gekümmert haben will.
Das OLG verweist auf seine frühere Rechtsprechung. Danach sind auf Tiere grundsätzlich die für Sachen geltenden Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) anzuwenden. Die Zuweisung eines Hundes nach der Scheidung richtet sich somit nach den für Haushaltsgegenstände geltenden Vorschriften. Danach kann das Gericht den betroffenen Haushaltsgegenstand nur an einen der Eheleute überlassen, wenn er im gemeinsamen Eigentum beider Eheleute steht. Steht der Haushaltsgegenstand – oder das Tier – demgegenüber im Alleineigentum eines Ehegatten, ist eine Zuteilung an den anderen Ehepartner nicht mehr gesetzlich vorgesehen. Darüber hinaus ist nach der Überzeugung des Gerichts selbst bei nachgewiesenem Miteigentum der Frau aus Kontinuitätsgründen rund drei Jahre nach der Trennung der Eheleute eine Aufenthaltsveränderung von L. für das Tierwohl nicht gut. L. lebte seither beim Ehemann im früheren ehegemeinsamen Haus mit großem Garten.
Der Familiensenat bestätigte auch die Feststellungen des Familiengerichts, dass ein gesetzlicher Anspruch auf die Regelung eines Umgangsrechts mit dem Hund nicht besteht. Ein derartiges Recht lässt sich weder aus der Hausratsverordnung noch aus den gesetzlichen Regelungen zum Umgangsrecht mit Kindern herleiten.
Quelle | OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.4.2019, 18 UF 57/19, Abruf-Nr. 208592 unter www.iww.de.
Erbrecht: „Bei einem gemeinsamen Tod“ kann auch innerhalb mehrerer Jahre bedeuten
| Die Formulierung „Bei einem gemeinsamen Tod“ in einem Testament bedeutet nicht in jedem Fall, dass die Verfügung unwirksam ist, wenn die Ehepartner in einem längeren Abstand voneinander versterben. |
Das ist das Ergebnis eines Rechtsstreits vor dem Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg. Dort hatten die Parteien darüber gestritten, wie ein Testament zu verstehen sei. Das Gericht kam nach der Beweisaufnahme zu dem Ergebnis, dass das Testament dahingehend auszulegen ist, dass die Erblasser ihre vier Kinder als Schlusserben des Letztversterbenden auch für den Fall eingesetzt haben, dass beide Ehepartner in längerem Abstand voneinander versterben.
Dabei waren die Richter der Auffassung, dass jedenfalls die hier gewählte Formulierung „Bei einem gemeinsamen Tod“, auch im Hinblick auf das gesetzliche Formerfordernis eine hinreichende Andeutung im Testamentstext darstellt, die ein Auslegungsergebnis zulässt, nach dem die Ehegatten eine Schlusserbenregelung auch für den Fall getroffen haben, dass sie in zeitlich größerem Abstand voneinander versterben.
Die Andeutung liegt bereits in der gewählten Formulierung selbst, in der gerade nicht auf ein gleichzeitiges Versterben, sondern auf den gemeinsamen Tod abgestellt wird. Der Begriff „gleichzeitig“, der schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch einen eindeutigen zeitlichen Bezug aufweist und auf ein Versterben in einem engen zeitlichen Zusammenhang hinweist, ist gerade nicht verwendet worden. Der Begriff „gemeinsamer Tod“ ist dagegen nicht notwendig zeitlich zu verstehen. Das Adjektiv „gemeinsam“ beinhaltet nach dem allgemeinen Sprachgebrauch keine zeitliche Komponente. Es hat vielmehr nach dem allgemeinen Sprachverständnis die Bedeutung von „zusammen“, „miteinander“ oder „gemeinschaftlich“. Die Betonung liegt damit nicht auf einem in einem engen zeitlichen Zusammenhang stehenden Ereignis. Sie kann auch auf einen Sachverhalt hindeuten, der einen „gemeinsamen“ Zustand, nämlich den Tod beider Eheleute nach dem Versterben des zunächst überlebenden Ehegatten beschreibt. Dementsprechend kann die hier verwendete Formulierung auch so gemeint sein, dass damit der Zeitpunkt benannt sein soll, in dem beide Eheleute „gemeinsam“ tot sind, also im Sinne von „wenn wir beide tot sind“. Für diesen Fall sollten die Kinder als Schlusserben des Letztversterbenden eingesetzt werden.
Quelle | OLG Brandenburg, Beschluss vom 31.1.2019, 3 W 37/18, Abruf-Nr. 207896 unter www.iww.de.
Mietrecht und WEG
Zwangsräumung: Keine Räumung wegen Eigenbedarf, wenn dieser zwischenzeitlich entfallen ist
| Wenn ein Kündigungsgrund zwar im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung bestanden hat, aber vor Ablauf der Kündigungsfrist entfallen ist, ist es rechtsmissbräuchlich, wenn der Vermieter den aus der Vertragsbeendigung folgenden Räumungsanspruch gleichwohl weiterverfolgt. |
Nach Auffassung des Landgerichts (LG) Berlin liegt ein solcher zur Anwendung des § 242 BGB führender Wegfall des Kündigungsgrunds auch vor, wenn nach einer Eigenbedarfskündigung der Nutzungswille des Vermieters bei Ablauf der Kündigungsfrist nicht mehr von der konkreten Absicht zur alsbaldigen Umsetzung getragen wird. Im dortigen Fall hatte die Vermieterin einen Arbeitsunfall erlitten. Ihre ursprünglichen beruflichen und privaten Pläne, die den Eigenbedarf begründeten, waren daher bis weit über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus auf unabsehbare Zeit ungewiss geworden.
Quelle | LG Berlin, Urteil vom 19.1.2019, 67 S 9/18, Abruf-Nr. 209379 unter www.iww.de.
Kündigungsrecht: Tod des Gewerberaummieters: Vertragliche Fristen gehen vor
| Ein Geschäftsmann hatte Räume für sein Unternehmen angemietet. Im vom Vermieter vorformulierten gewerblichen Mietvertrag steht: „Der Vertrag kann aus wichtigem Grund vorzeitig gekündigt werden. Ein solcher ist z. B. der Tod des Vertragspartners. In diesem Fall kann der Mietvertrag vorzeitig mit einer Frist von einem Jahr gekündigt werden.“ Der Geschäftsmann verstirbt. Die Erben fragen, ob sie nicht schneller aus dem Mietvertrag herauskommen. |
Unsere Antwort
§ 580 BGB gewährt bei Tod des Mieters ein außerordentliches Kündigungsrecht mit einer Kündigungsfrist von einem Monat und anschließender Geltung der gesetzlichen Kündigungsfrist. Es stellt sich aber die Frage, wie sich die gesetzliche Regelung zu der vertraglichen Vereinbarung über das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund verhält. Die gesetzliche Kündigungsfrist bei gewerblichen Mietverhältnissen kann nach § 580a BGB formularvertraglich anderweitig geregelt werden. Daher ist hier die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist von einem Jahr wirksam.
Beachten Sie | Der Mietvertrag endet nicht automatisch mit dem Tod des Mieters. Er ist vom Erben in der Form fortzusetzen, wie er ihn vorgefunden hat. Dies bedeutet hier auch mit den speziellen vertraglichen Kündigungsregelungen, die bei gewerblichen Mietverhältnissen möglich sind.
Mangel der Mietsache: Wer Beseitigung der Mängel verweigert, darf nicht mehr mindern
| Weigert sich der Mieter, die Beseitigung von Mängeln durch den Vermieter, dessen Mitarbeiter oder von diesem beauftragte Handwerker zu dulden, hat das weitreichende Folgen. |
Das stellte jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) fest. Die Richter machten deutlich, dass der Mieter ab diesem Zeitpunkt wegen der Mängel zu keiner weiteren Minderung berechtigt ist.
- Von Mieten, die ab diesem Zeitpunkt fällig werden, ist kein Einbehalt mehr zulässig.
- Auch für die Vergangenheit entfällt ein etwaiges Zurückbehaltungsrecht, sodass einbehaltene Beträge sofort nachzuzahlen sind.
Den Einwand des Mieters, er habe die Mangelbeseitigung verweigert, um in einem anderen Rechtsstreit über rückständige Miete (hier: Prozess mit dem Rechtsvorgänger des Vermieters) den bestehenden mangelhaften Zustand beweisen zu können, lässt der BGH nicht gelten. Diese Mängel hätten, bevor sie beseitigt werden, leicht durch Fotos oder durch Zeugnis der reparierenden Handwerker oder sonstiger Zeugen bewiesen werden können.
Quelle | BGH, Urteil vom 10.4.19, VIII ZR 12/18, Abruf-Nr. 209087 unter www.iww.de.
WEG: Miteigentümer darf Gemeinschaftsflächen nicht mit Kamera überwachen
| Bereits die bloße Möglichkeit, von einer Überwachungskamera seines Nachbarn gefilmt zu werden, kann schon unzumutbar sein. |
Diese Klarstellung traf das Amtsgericht München im Fall von zwei Eigentümern einer Wohnungseigentumsgemeinschaft. Der Beklagte hatte am Balkon seiner Wohnung eine „Wildcam“ installiert, die auf die Gemeinschaftsflächen des Gemeinschaftsgartens gerichtet war. Der Kläger möchte nicht aufgenommen werden, wenn er sich auf Gemeinschaftseigentum aufhält. Der Beklagte hat die Kamera deshalb wieder entfernt, die gewünschte Unterlassungserklärung aber nicht unterschrieben. Das Amtsgericht gab dem Kläger recht.
Nach dem Wohnungseigentumsgesetz ist jeder Wohnungseigentümer verpflichtet, von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Für Überwachungskameras bedeutet das, dass sie ausschließlich auf Bereiche ausgerichtet sein dürfen, die Sondereigentum des Eigentümers sind. Müssen Betroffene ernsthaft befürchten, durch die Kamera überwacht zu werden, liegt bereits ein Eingriff in ihr Persönlichkeitsrecht vor.
Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 28.2.2019, 484 C 18186/18 WEG, Abruf-Nr. 209264 unter www.iww.de.
Verbraucherrecht
Haftungsrecht: Schwimmbadbetreiber haftet nicht für einen unaufmerksamen Besucher
| Der Betreiber eines öffentlichen Schwimmbads ist nicht verpflichtet, die Besucher vor Gefahren zu warnen, die sich beim Schwimmen oder Tauchen ohne ausreichende Sicht ergeben können. |
Das folgt aus einer Entscheidung des Amtsgerichts Coburg im Fall eines Mannes, der das „Spaßbecken“ eines öffentlichen Schwimmbads besucht hatte. Dort war er längere Zeit durch das Becken getaucht. Beim Auftauchen im Bereich der Kinderrutsche übersah er den Rutschenauslauf. Er stieß mit dem Kopf dagegen und zog sich dabei eine Platzwunde zu. Weil der Betreiber des Schwimmbads ihn nicht vor der Rutsche als einer Gefahrenquelle gewarnt hatte, verlangte der Mann nun Schmerzensgeld. Außerdem wollte er weitere Kosten erstattet haben, insgesamt eine knapp vierstellige Summe. Diese Forderung wies der Schwimmbadbetreiber zurück. Schließlich habe sich der Mann beim Tauchen ohne die erforderliche Sicht auf Gegenstände im und am Wasser selbst in Gefahr begeben.
Das Amtsgericht Coburg konnte weder die Verletzung vertraglicher Schutzpflichten noch eine Verkehrssicherungspflichtverletzung erkennen und wies die Klage ab. Danach muss zwar grundsätzlich derjenige, der eine Gefahrenquelle schafft, alles Notwendige und Zumutbare tun, um Schäden anderer zu verhindern. Das gilt auch für den Betreiber eines Schwimmbads. Allerdings geht diese Verkehrssicherungspflicht nicht so weit, dass jede Gefahr und damit jede Schädigung ausgeschlossen werden muss. Ausreichend ist vielmehr, einen verständigen, umsichtigen, vorsichtigen und gewissenhaften Schwimmbadbesucher vor Schäden zu bewahren.
Diesen Pflichten hatte der Schwimmbadbetreiber hier aber genügt. Insbesondere entsprach die Rutsche den maßgeblichen DIN-Vorschriften. Für seine Behauptungen, der Auslauf der Rutsche sei besonders scharfkantig und dort hätten sich schon in der Vergangenheit Besucher verletzt, hatte der Schwimmer einen Beweis nicht bzw. erst zu spät angeboten. Zu einer Warnung der Schwimmbadbesucher, im Bereich der Rutsche nicht ohne ausreichende Sicht zu schwimmen oder zu tauchen, war aber der Badbetreiber nach dem Urteil des Amtsgerichts nicht verpflichtet. Die Gefahr, sich beim Schwimmen oder Tauchen ohne entsprechende Sicht verletzen zu können, kann ein umsichtiger und vorsichtiger Badegast nämlich ohne Weiteres selbst erkennen. Schließlich ist der Besucher auch selbst dafür verantwortlich, dort wo er taucht, sein Umfeld zu beobachten.
Die Entscheidung des Amtsgerichts Coburg zeigt erneut, dass nicht für jeden eingetretenen Schaden die Schuld bei anderen zu suchen ist. Wer sich im öffentlichen Bereich bewegt, muss vielmehr selbst vorausschauend und umsichtig agieren, um offensichtlichen Gefahrenquellen auch ohne gesonderten Hinweis von selbst ausweichen zu können.
Quelle | Amtsgericht Coburg, Urteil vom 29.1.2018, 11 C 1432/17, Abruf-Nr. 209380 unter www.iww.de.
Arzthaftung: Schmerzensgeld für nicht erkannten Darmkrebs
| Erkennt ein Arzt eine Darmkrebserkrankung nicht, kann dies ein Schmerzensgeld von 70.000 EUR begründen. |
Das folgt aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig in einem Arzthaftpflichtprozess. Der Arzt hatte bei der Patientin trotz ihrer zum Teil heftigen Blutungen aus dem Anus lediglich Hämorrhoiden und eine Analfissur diagnostiziert, ohne eine Darmspiegelung gemacht zu haben. Erst als sich die Patientin neun Monate später wegen eines anderen Leidens im Krankenhaus befand, wurde der Darmkrebs entdeckt. Er hatte jetzt bereits Metastasen in der Leber entwickelt.
Dem Arzt war nach den Ausführungen der Richter ein grober Behandlungsfehler vorzuwerfen, weil er die erforderliche Darmspiegelung nicht durchgeführt hat. Weil dieser Fehler in gravierender Weise gegen die Regeln der ärztlichen Kunst verstoßen habe, greife zugunsten der Patientin eine sogenannte Beweislastumkehr: Nicht die Patientin habe beweisen müssen, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und ihren gesundheitlichen Folgen bestanden habe. Vielmehr habe der Arzt den Beweis führen müssen, dass die um neun Monate verspätete Diagnose nicht für den weiteren Krankheitsverlauf der Erblasserin ursächlich geworden sei. Dies, so die Richter, sei dem Arzt nicht gelungen.
Der Schmerzensgeldanspruch sei auch nicht durch ein Mitverschulden der Patientin gemindert. Auch wenn sie weiterhin aus dem Anus geblutet habe, habe sie deswegen nicht unbedingt nochmals zum Arzt gehen müssen. Zugunsten der Patientin sei zu berücksichtigen, dass sie zuvor bei dem Internisten wegen ihrer rektalen Blutungen abschließend behandelt worden sei. Sie habe hierfür auch eine Diagnose erhalten, die gerade nicht auf Krebs lautete. Hierauf habe die Patientin eine Zeit lang vertrauen dürfen.
Quelle | OLG Braunschweig, Urteil vom 28.2.2019, 9 U 129/15, Abruf-Nr. 209382 unter www.iww.de.
Gebrauchtwagenkauf: Händler muss deutlich aufzeigen, wer Verkäufer des Fahrzeugs sein soll
| Wenn man von einem Privatmann einen Gebrauchtwagen kauft, kann die sogenannte „Gewährleistungshaftung“ für Mängel vertraglich ausgeschlossen werden. Kauft man einen Gebrauchtwagen von einem Händler, geht das dagegen nicht. Manchmal ist aber auch nicht ganz klar, wer der Vertragspartner ist. Dann muss der Händler deutlich offenlegen, ob er das Fahrzeug im eigenen Namen oder im Kundenauftrag verkauft. |
Ein solcher Fall wurde vor Kurzem vor dem Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg verhandelt. Geklagt hatte ein Mann, der im Internet die Anzeige eines Autohauses für einen VW Multivan zum Preis von rund 15.000 EUR gesehen hatte. Im Kopf der Anzeige war der Name des Autohauses genannt. Im Kleingedruckten fand sich der Hinweis, das Fahrzeug werde „im Kundenauftrag angeboten“. Der Mann – der nicht perfekt Deutsch sprach – wurde sich bei der ersten Besichtigung des Fahrzeugs mit dem Händler einig, dass der Auspuff und die Dichtungen noch repariert werden sollten. Dies versprach der Händler zu übernehmen.
Eine Woche später wurde der Vertrag beim Händler unterzeichnet. Als Verkäufer war eine Privatperson aufgeführt, mit deren Nachnamen der Autohändler auch unterschrieb. Außerdem wurde ein Gewährleistungsausschluss vereinbart. Kurze Zeit später zeigte sich ein Motorschaden, den der Käufer zunächst für 2.700 EUR reparieren ließ. Der Mangel trat aber erneut auf. Jetzt verlangte der Käufer vom Händler die Reparaturkosten von 2.700 EUR sowie eine neue Reparatur. Der Händler winkte ab. Er verwies darauf, dass er gar nicht Vertragspartei sei, sondern eine Privatperson. Deshalb habe auch die Gewährleistung wirksam ausgeschlossen werden können. Das Landgericht gab ihm recht und wies die Klage ab.
Der Kläger hatte vor dem OLG Erfolg. Auf seine Berufung hin wurde ein Hauptverhandlungstermin anberaumt. Die Richter am OLG wiesen darauf hin, dass der Händler sich nicht darauf berufen dürfe, gar nicht Vertragspartei zu sein – und damit auch nicht auf den Gewährleistungsausschluss. Denn er habe nicht deutlich gemacht, nicht in eigenem Namen handeln zu wollen. Durch die Nutzung seines Firmennamens an prominenter Stelle auf dem Internetinserat, sein Auftreten als derjenige, der für die Mängel am Auspuff und den Dichtungen einstehen wolle, und die Unterzeichnung mit dem Namen, der auch im Kaufvertrag als Verkäufer aufgeführt war, habe er den Eindruck erweckt, auch der Verkäufer zu sein. Hieran müsse er sich festhalten lassen.
Der Hinweis auf den Kundenauftrag im Kleingedruckten reiche nicht. Zwar könne man als Vertreter eines anderen sich auch für diesen und in dessen Namen verpflichten, dies müsse aber für den Kunden deutlich sein. Sonst ist man selbst Vertragspartner. Im Bürgerlichen Gesetzbuch aus dem Jahr 1900 heißt es hierzu etwas sperrig: „Tritt der Wille, in fremdem Namen zu handeln, nicht erkennbar hervor, so kommt der Mangel des Willens, im eigenen Namen zu handeln, nicht in Betracht.“ (§ 164 Abs. 2 BGB). Man ist also selbst verpflichtet.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 8.11.2018, 1 U 28/18, Abruf-Nr. 209381 unter www.iww.de.
Private Krankenversicherung: Keine Anfechtung: TIA ist kein Schlaganfall
| Fragt der Versicherer bei Antragstellung nach einem „Schlaganfall“ in den letzten fünf Jahren, ist nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers eine TIA (transitorische ischämische Attacke) nicht anzeigepflichtig. |
Diese Klarstellung traf das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe. Der Versicherungsnehmer habe die Gesundheitsfrage nach einem Schlaganfall hier zutreffend verneint. Er hatte in der Vergangenheit keinen Schlaganfall erlitten. Eine TIA (Transitorische ischämische Attacke) ist kein „Schlaganfall“ im Sinne der Formularfrage des Versicherers.
Maßgeblich für die Bedeutung des Begriffs „Schlaganfall“ ist das Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers. Im allgemeinen Verständnis ist ein Schlaganfall ein plötzlich auftretendes Ereignis im Gehirn, welches zu einem länger anhaltenden Ausfall von Funktionen des zentralen Nervensystems führt. Hingegen ist eine TIA – soweit der Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch verwendet wird – lediglich eine kurzfristige Durchblutungsstörung.
Quelle | OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 1.10.18, 9 U 165/16, Abruf-Nr. 208823 unter www.iww.de.
Verkehrsrecht
Geschwindigkeitsüberschreitung: In gut einer Stunde elfmal geblitzt kostet den Raser 1.504 EUR und drei Monate Fahrverbot
| Das Amtsgericht München verurteilte einen 24-jährigen Mann wegen einer fahrlässigen und fünf vorsätzlichen Überschreitungen der Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von insgesamt 1.504 EUR und zu einem dreimonatigen Fahrverbot. |
Der Mann war am 23.5.2018 zwischen 0.00 und 1.27 Uhr mit seinem Pkw in München unterwegs. In der Zeit wurde er innerorts elfmal wegen überhöhter Geschwindigkeit geblitzt. Er war dabei zwischen 34 und 64 km/h zu schnell. Der Mann machte zunächst keine Angaben zur Sache. Das Gericht hörte die zuständigen polizeilichen Messbeamten, verlas Messprotokolle und Eichscheine und sah die gefertigten Licht- und Messbilder ein. Über seinen Verteidiger ließ der Mann schlussendlich die Fahrereigenschaft einräumen.
Die zuständige Strafrichterin ist zugunsten des Betroffenen hinsichtlich der Geschwindigkeitsüberschreitungen Nr. 1 und Nr. 2 von Fahrlässigkeit ausgegangen. Sie verwies darauf, dass aber spätestens ab der Geschwindigkeitsüberschreitung Nr. 3 von Vorsatz ausgegangen werden muss. Dies ergibt sich daraus, dass der Betroffene während eines Zeitraums von 00.19 Uhr bis 00.33 Uhr zwei Geschwindigkeitsüberschreitungen von 34 und 39 km/h vorgenommen hat. Daraus ist ersichtlich, dass er am Tattag während der insgesamt über eine Stunde dauernden Fahrt sich bewusst an keine Geschwindigkeitsbeschränkung innerhalb des Stadtgebiets München gehalten hat und damit die Geschwindigkeitsüberschreitungen zumindest billigend in Kauf nahm. Spätestens nach den ersten 14 Minuten Fahrtstrecke ist dieser Entschluss auch hinreichend deutlich nach außen in Erscheinung getreten, dass von einem vorsätzlichen Verhalten ausgegangen werden kann.
Da einige Geschwindigkeitsüberschreitungen zeitlich jeweils innerhalb weniger Minuten begangen wurden, ist das Gericht zugunsten des Betroffenen jeweils von Tateinheit ausgegangen. Für diese „zusammengefassten“ Taten wurde jeweils die im Bußgeldkatalog vorgesehene Regelbuße festgesetzt.
Die einzelnen Regelbußen hätten zusammengerechnet eine Summe von 3.760 EUR ergeben. Im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen hat das Gericht sich entschlossen, von diesen Sätzen lediglich jeweils 40 Prozent in Ansatz zu bringen. Somit ergebe sich der Bußgeldbetrag von 1.504 EUR. Außerdem wurde ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt. Dieses konnte im Hinblick der Vielzahl der Geschwindigkeitsüberschreitungen sowie die Vorahndungen des Betroffenen nicht reduziert werden. Der Betroffene hatte bereits am 13. und 20.5.2018 Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen, für die er zwischenzeitlich ebenfalls Bußgelder und Fahrverbote erhalten hat.
Quelle | Amtsgericht München, Urteil vom 1.3.2019, 953 OWi 435 Js 216208/18, Abruf-Nr. 209383 unter www.iww.de.
Fahrlässige Körperverletzung: Nachts mit dem Trecker auf der Landstraße
| Wer mit einem landwirtschaftlichen Gespann bei Dunkelheit nach links auf eine Landstraße auffährt, hat besondere Sorgfaltspflichten. |
Das ist das Ergebnis eines Revisionsverfahrens vor dem Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg. Ein Landwirt war in einer Augustnacht kurz nach Mitternacht mit seinem Traktor und zwei Anhängern vom Feld kommend nach links auf eine Landstraße aufgefahren. Ein Mann, der mit seinem Opel in entgegengesetzter Richtung fuhr, konnte nicht mehr schnell genug abbremsen. Er kollidierte mit dem zweiten, noch quer zur Fahrbahn stehenden Anhänger. Dabei erlitt er erhebliche Verletzungen. Der Landwirt wurde von der Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Körperverletzung angeklagt. Das Amtsgericht Cloppenburg sprach den Landwirt frei. Ein Verschulden könne nicht festgestellt werden. Die Berufung der Staatsanwaltschaft blieb erfolglos. Das Landgericht Oldenburg bestätigte den Freispruch.
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft hat das OLG das Verfahren zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen. Der Sachverhalt müsse noch weiter aufgeklärt werden. Angesichts der vom Landgericht getroffenen Feststellung, dass der Opelfahrer die Scheinwerfer des Traktors gleich nach Durchfahren einer Kurve gesehen habe und dann erst ca. 20 Sekunden später mit dem zweiten Anhänger kollidiert sei, könne man davon ausgehen, dass sich das landwirtschaftliche Gespann besonders schwerfällig bewegt habe. Hinzu sei die Dunkelheit gekommen. Insgesamt habe eine außergewöhnliche Gefahrensituation vorgelegen. An die ohnehin hohen Sorgfaltspflichten eines Linksabbiegers seien daher gesteigerte Anforderungen zu stellen. Der Landwirt hätte zusätzliche Maßnahmen ergreifen müssen. So hätte er zum Beispiel einen Warnposten aufstellen können – was nicht geschehen sei – oder zumindest sein Gespann seitlich beleuchten müssen. Ob er dies getan habe, hätten weder Amts- noch Landgericht geklärt. Die Sache müsse daher vom Landgericht erneut überprüft werden, so der Senat.
Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 13.11.2017, 1 Ss 206/17, Abruf-Nr. 208576 unter www.iww.de.
Mietwagen: Was gilt, wenn die Geschädigte schon vor dem Unfall nicht selbst fahren konnte?
| Der schadenrechtliche Anspruch auf den Mietwagen setzt voraus, dass der Geschädigte in der Lage ist, den Mietwagen zu nutzen. Aber zweifellos gibt es davon Ausnahmen. Dazu erreichte uns folgende Frage: |
Frage | „Ich hatte mir bereits vor dem Unfall den Fuß gebrochen. Daher trage ich einen Gehgips. Meinen Pkw konnte ich schon vor dem Unfall nur mit Hilfe meines Lebensgefährten als Chauffeur nutzen. Jetzt wurde das ordnungsgemäß geparkte Fahrzeug bei einem unverschuldeten Unfall beschädigt. Es liegt ein Totalschaden vor. Besteht unter diesen Umständen Anspruch auf einen Mietwagen? Hinzu kommt: Der Gehgips wird erst in ca. drei Wochen entfernt. Erst dann kann ich ein Ersatzfahrzeug beschaffen, da ich ja keine Probefahrt machen kann. Wie lange kann ich – wenn überhaupt – das Ersatzfahrzeug anmieten?“
Unsere Antwort | Für beiden Fragen gilt Folgendes:
- Die erste ist leicht zu beantworten: Es muss der Zustand hergestellt werden, der vor dem Unfall bestand. Schon vor dem Unfall hatte die Geschädigte ein Fahrzeug, das sie akut nicht selbst steuern konnte. Aber sie konnte sich fahren lassen, was sie auch tat. Weil das eben nur mit einem Fahrzeug geht, darf sie zweifelsfrei Ersatz anmieten. Das wäre auch nicht anders, wenn sich jemand in einer Phase des strafrechtlichen Fahrerlaubnisentzugs oder eines ordnungswidrigkeitsrechtlichen Fahrverbots fahren ließe. Oder wenn jemand wegen Alters nicht mehr selbst fährt, das Fahrzeug aber behält, damit die Enkel Fahrdienste übernehmen können.
- Die zweite Frage ist kritischer: Wie groß ist der Erkenntnisgewinn einer selbst durchgeführten Probefahrt im Vergleich zum Danebensitzen? Zumal ja der schadenrechtliche Anspruch auf genauso ein Fahrzeug wie das beschädigte gerichtet ist. Und da weiß die Geschädigte ja, wie es sich anfühlt. Das wird der eine Richter so und der andere Richter so sehen. Vorbildrechtsprechung gibt es dazu leider nicht.
Mietwagen: Anmietung bei Werkstatt, weil nächster Vermieter 43 km entfernt
| Gibt es am Ort des Reparaturgeschehens keinen Autovermieter, sind die Mietwagenkosten bei Anmietung in der Reparaturwerkstatt ohne Rückgriff auf die Schätzlisten zu erstatten. |
So entschied es das Amtsgericht Neubrandenburg. Auch der Versicherer konnte im Prozess nur einen – im Übrigen nicht passenden – Mietwagen in 43 km Entfernung nachweisen. Eine solche Entfernung ist dem Unfallgeschädigten jedoch unzumutbar.
Quelle | Amtsgericht Neubrandenburg, Urteil vom 14.2.2019, 102 C 629/18, Abruf-Nr. 208356 unter www.iww.de.
Steuerrecht
Kinderfreibetrag: Kann auch der Betreuungsfreibetrag für volljährige Kinder übertragen werden?
| Bei nicht verheirateten, geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden unbeschränkt steuerpflichtigen Eltern wird auf Antrag eines Elternteils der Kinderfreibetrag des anderen Elternteils auf ihn übertragen, wenn der andere Elternteil z. B. seiner Unterhaltspflicht für das Kalenderjahr nicht nachgekommen ist. Umstritten ist, ob in diesen Fällen der Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (BEA-Freibetrag) zwangsläufig dem Kinderfreibetrag folgt. |
Hintergrund: Jeder Elternteil hat im Veranlagungszeitraum 2019 grundsätzlich Anspruch auf einen Freibetrag von 2.490 EUR für das sächliche Existenzminimum des Kindes (Kinderfreibetrag) sowie auf einen BEA-Freibetrag von 1.320 EUR.
Nach einer Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Schleswig-Holstein wird der BEA-Freibetrag nur bei minderjährigen Kindern übertragen. Eine Übertragung des Freibetrags für volljährige Kinder ist dagegen vom Gesetz nicht vorgesehen. Es bleibt somit auch dann bei einer hälftigen Zuordnung des BEA-Freibetrags, wenn einer der Eltern keine Unterhaltsaufwendungen trägt.
Beachten Sie | Mit dieser Entscheidung hat sich das FG gegen die Auffassung der Finanzverwaltung gestellt. Nach deren Ansicht führt die Übertragung des Kinderfreibetrags nämlich stets auch zur Übertragung des Freibetrags für den Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf. Da gegen das Urteil des FG Schleswig-Holstein die Revision anhängig ist, wird der Bundesfinanzhof hier bald für Klarheit sorgen können.
Quelle | FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 8.6.2018, 2 K 46/17, Rev. BFH Az. III R 61/18, Abruf-Nr. 209165 unter www.iww.de; BMF, Schreiben vom 28.6.2013, IV C 4 – S 2282-a/10/10002.
Freiberufler und Gewerbetreibende: Auch ein elektronisches Fahrtenbuch muss zeitnah geführt werden
| Um ein Fahrtenbuch ordnungsgemäß zu führen reicht es nicht aus, die Fahrtwege eines betrieblichen Fahrzeugs durch ein technisches System unmittelbar elektronisch zu erfassen. Neben dem Bewegungsprofil müssen die Fahrtanlässe ebenfalls zeitnah erfasst werden. Eine technische Lösung, die auch nach Jahren noch Änderungen zulässt, kann nicht als elektronisches Fahrtenbuch anerkannt werden. |
So lautet eine Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Niedersachsen. In dem Fall war unklar, wann die Angaben zu den jeweiligen Fahrtanlässen in der Datenbank ergänzt worden waren. Offensichtlich bestand die Möglichkeit, die Angaben noch nach Monaten abzuspeichern. Dies löst kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch aus, so das FG. Wird ein elektronisches Fahrtenbuch eingesetzt, sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass sich aus den Datenbeständen die Abspeicherungstage nachvollziehbar ergeben.
Beachten Sie | Bloße Ortsangaben im Fahrtenbuch genügen bei dienstlichen Fahrten nur, wenn sich der aufgesuchte Kunde oder Geschäftspartner aus der Ortsangabe zweifelsfrei ergibt, oder wenn sich dessen Name auf einfache Weise unter Zuhilfenahme von Unterlagen ermitteln lässt, die ihrerseits nicht mehr ergänzungsbedürftig sind. Dies gilt auch bei der Führung eines elektronischen Fahrtenbuchs.
Ferner stellte das Finanzamt Differenzen zwischen den Kilometerständen laut Fahrtenbuch und den Werkstattrechnungen bzw. dem TÜV-Bericht fest. Das FG hat die Fahrtenbücher auch deshalb verworfen, weil der Steuerpflichtige die tatsächlichen Kilometerstände zu keinem Zeitpunkt mit den rechnerisch ermittelten Tachoständen in den Daten des Fahrtenbuchs abgeglichen hat. Der tatsächliche Tachostand blieb damit für jeden einzelnen Tag in allen Jahren unbekannt.
Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 23.1.2019, 3 K 107/18, NZB BFH Az. VI B 25/19, Abruf-Nr. 208370 unter www.iww.de.
Steuererklärung: Finanzverwaltung setzt Zinsen vorläufig fest
| Wegen der anhaltenden Niedrigzinsphase sind die in den Steuergesetzen festgelegten Zinssätze (z. B. 0,5 Prozent pro Monat für Nachzahlungszinsen) in die Kritik geraten, weil sie den Bezug zum langfristigen Marktzinsniveau verloren haben. So sind z. B. beim Bundesverfassungsgericht einige Verfahren zur Frage der Verfassungsmäßigkeit anhängig. |
Hierauf hat das Bundesfinanzministerium nun reagiert und die Finanzämter angewiesen, dass sämtliche erstmalige Zinsfestsetzungen, in denen der Zinssatz von 0,5 Prozent pro Monat angewendet wird, nur noch vorläufig erfolgen. Das bedeutet, dass gegen einen entsprechenden Bescheid kein Rechtsmittel eingelegt werden muss.
Quelle | BMF, Schreiben vom 2.5.2019, IV A 3 – S 0338/18/10002, Abruf-Nr. 209004 unter www.iww.de.
Gewerbe: Erträge aus Internetauktionen bei eBay als gewerbliche Einkünfte
| Der über Jahre nachhaltig ausgeübte Handel mit Gebrauchsgegenständen (z. B. aus Entrümpelungen und Haushaltsauflösungen) auf der Internetplattform eBay ist grundsätzlich als gewerbliche Tätigkeit einzustufen. Allerdings hat das Finanzgericht (FG) Hessen in seinem Fall pauschale Betriebsausgaben in Höhe von (erstaunlichen) 60 Prozent anerkannt. |
In dem Fall hatte eine Sammlerin beim Stöbern bei Haushaltsauflösungen kostengünstig Gegenstände eingekauft und diese auf eBay versteigert. Alle Artikel waren mit dem Mindestgebot von 1 EUR versehen. Über die Versteigerungen kamen – so die Erkenntnisse der Steuerfahndung – erhebliche Umsätze zustande. Nämlich in fünf Jahren bei insgesamt 3.076 Auktionen rund 380.000 EUR. Um diese Tätigkeiten durchzuführen, hatte die Händlerin vier eBay-Accounts und zwei Girokonten eingerichtet. Vor dem FG ging es jetzt darum, ob die Tätigkeit gewerblich (und damit gewerbesteuerpflichtig) ist und in welcher Höhe den Einnahmen Betriebsausgaben gegenüberstehen.
Die Richter stellten klar, dass bei der Abgrenzung, ob ein Ebay-Verkäufer privat oder gewerblich tätig ist, die einzelnen Umstände zu berücksichtigen und abzuwägen sind. Darauf ist auf das Gesamtbild der Verhältnisse abzustellen. In Zweifelsfällen ist maßgebend, ob die Tätigkeit nach der Verkehrsanschauung einen Gewerbebetrieb ausmacht und einer privaten Vermögensverwaltung fremd ist. Hierbei haben die Merkmale der Professionalität eine besondere Bedeutung.
Bei Würdigung der gesamten Umstände kam das FG im vorliegenden Fall zu dem Ergebnis, dass die Steuerpflichtige durch ihre Auktionen bei eBay nicht nur eine Hobbytätigkeit ausgeübt hatte. Vielmehr hat es sich um eine wirtschaftliche, d. h. auf eigene Rechnung und auf eigenes Risiko durchgeführte Tätigkeit gehandelt. Diese war darüber hinaus nachhaltig, da sie von der Absicht getragen war, sie bei passender Gelegenheit zu wiederholen.
Dass die Steuerpflichtige kein Ladenlokal unterhalten hatte, kam angesichts der übrigen Umstände kein solches Gewicht zu, dass eine gewerbliche Betätigung zu verneinen wäre.
Die zweite Frage (Höhe der Betriebsausgaben) ist für die Händlerin allerdings gut ausgegangen. Weil sie weder eine Steuererklärung noch eine Gewinnermittlung vorgelegt hatte, schätzte das Finanzamt die im Zusammenhang mit diesen Umsätzen angefallenen Betriebsausgaben mit 30 Prozent der Betriebseinnahmen. Dies erschien dem Finanzgericht Hessen jedoch als zu gering. Es hielt Betriebsausgaben i. H. von 60 Prozent des Nettoumsatzes für gerechtfertigt.
Gegen dieses Urteil ist die Revision anhängig. Diese wurde zugelassen, weil die finanzgerichtliche Rechtsprechung den nachhaltigen Internethandel mit Gebrauchsgegenständen als gewerbliche Tätigkeit einstuft, wohingegen der nachhaltige An- und Verkauf von Wertpapieren auf eigene Rechnung nicht als gewerbliche Tätigkeit qualifiziert wird.
Quelle | FG Hessen, Urteil vom 19.7.2018, 2 K 1835/16, Rev. BFH Az. X R 26/18, Abruf-Nr. 208698 unter www.iww.de.
Werbungskosten: Sky-Bundesliga-Abo kann die Einkommensteuer mindern
| Die Aufwendungen eines Fußballtrainers für ein Sky-Bundesliga-Abonnement können Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit sein. |
Dies gilt nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zumindest dann, wenn tatsächlich eine weitaus überwiegende berufliche Verwendung vorliegt. Die Richter stellten heraus, dass das Sky-Bundesliga-Abonnement nicht den Bereich Sport allgemein, sondern nur Bundesligaspiele umfasst. Zwar ist der Inhalt nicht auf ein Fachpublikum zugeschnitten. Aber bei einem (Torwart)Trainer eines Lizenzfußballvereins hielt der Bundesfinanzhof eine weitaus überwiegende berufliche Nutzung des Pakets „Bundesliga“ jedenfalls nicht für ausgeschlossen.
Der BFH hat die Vorentscheidung aufgehoben. Das Finanzgericht muss nun im zweiten Rechtsgang die tatsächliche Verwendung des Sky-Bundesliga-Abonnements feststellen. Dabei kommt auch die Vernehmung von Trainerkollegen und Spielern in Betracht.
Quelle | BFH, Urteil vom 16.1.2019, VI R 24/16, Abruf-Nr. 208757 unter www.iww.de.
Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht
Umsatzsteuer: EU-Mehrwertsteuerreform: Änderungen für international agierende Unternehmen
| Ab 1.1.2020 treten die sogenannten Quick Fixes zur Mehrwertsteuer in Kraft. Bis zur Einführung des endgültigen Mehrwertsteuersystems in der Europäischen Union (EU) soll dadurch insbesondere der innergemeinschaftliche Warenhandel vereinfacht und weiter harmonisiert werden. Die Umsetzung der EU-Vorgaben in deutsches Recht muss bis zum Jahresende 2019 erfolgen. Das Bundesfinanzministerium hat nun einen Referentenentwurf für ein „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ vorgelegt, in dem die Neuregelungen enthalten sind. |
1. Innergemeinschaftliche Lieferungen
Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen erfolgt eine grenzüberschreitende Lieferung innerhalb der Europäischen Union. Diese Lieferung ist grundsätzlich umsatzsteuerfrei, wenn gewisse Nachweise erbracht werden. Das spiegelbildliche Zusammenspiel von steuerbefreiter Lieferung und steuerpflichtigem innergemeinschaftlichen Erwerb stellt eine wesentliche Grundlage des derzeitigen Mehrwertsteuersystems dar.
Bisher hatte die Angabe der ausländischen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) des Abnehmers „nur“ den Status einer formellen Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung durch den Lieferer. Dies hatte die Auswirkung, dass bei Nachweis der übrigen Voraussetzungen – vor allem der Warenbewegung in den anderen Mitgliedstaat – die Steuerbefreiung nicht wegen der unterbliebenen Angabe der USt-IdNr. versagt werden durfte.
Durch die Änderung der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSystRL) und des nationalen Umsatzsteuergesetzes (UStG) wird die Steuerbefreiung künftig nicht mehr gewährt, wenn die Zusammenfassende Meldung des liefernden Unternehmers unrichtig oder unvollständig ist. Darüber hinaus muss der Abnehmer gegenüber dem Lieferer eine gültige USt-IdNr. verwendet haben.
Beachten Sie | Damit erlangt sowohl die Zusammenfassende Meldung als auch die Angabe der USt-IdNr. des Abnehmers materiell-rechtlichen Charakter.
2. Konsignationslager
Umsatzsteuerlich ist unter einem Konsignationslager ein (vielfach) beim Kunden (Abnehmer) anzutreffendes Warenlager des Lieferanten zu verstehen. Aus diesem kann der Abnehmer dann bei Bedarf („just in time“) Waren entnehmen.
Bei einem Konsignationslager sind grundsätzlich zwei Formen zu unterscheiden:
- Bei einem Call-off-Stock kann nur ein bestimmter Abnehmer Waren aus dem Lager entnehmen.
- Bei einem Consigment-Stock haben mehrere Abnehmer die Möglichkeit, auf die Ware zurückzugreifen.
Bislang löst die grenzüberschreitende Bestückung des deutschen Konsignationslagers ein – grundsätzlich steuerfreies – innergemeinschaftliches Verbringen im Abgangsland und spiegelbildlich die Besteuerung eines innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsland aus. Die tatsächliche Entnahme der Waren aus dem Lager führt zu einer inländischen Lieferung. Demnach muss sich der Lieferer im Bestimmungsland für umsatzsteuerliche Zwecke registrieren.
Beachten Sie | Wird die Ware nur für kurze Zeit zwischengelagert und steht der Abnehmer der Ware bei Transportbeginn bereits fest, dann können Unternehmer von einer Vereinfachungsregelung profitieren: Bei Transport der Ware zum Konsignationslager wird eine direkte innergemeinschaftliche Lieferung im Abgangsland und spiegelbildlich ein innergemeinschaftlicher Erwerb durch den Abnehmer angenommen. Die sich daran anschließende Inlandslieferung fällt ebenso wie eine Registrierungspflicht im Bestimmungsland weg.
Diese Vereinfachungsregelung beruht auf zwei Urteilen des Bundesfinanzhofs aus 2016 und findet regelmäßig nur bei Call-off-Stocks Anwendung. Das Bundesfinanzministerium hat diese Grundsätze übernommen.
Durch die Quick-Fixes kommt es nun zu einer einheitlichen Regelung in der EU. Unter den Voraussetzungen des Art. 17a MwStSystRL erfolgt die innergemeinschaftliche Lieferung im Abgangsmitgliedstaat sowie der innergemeinschaftliche Erwerb erst im Zeitpunkt der Entnahme der Ware. Der Warentransport löst damit kein innergemeinschaftliches Verbringen aus. Eine Registrierungspflicht im Bestimmungsland entfällt. Diese Regelung soll mit der Einfügung des neuen § 6b im UStG in nationales Recht umgesetzt werden.
Die Voraussetzungen:
- Die Gegenstände werden in ein Konsignationslager in einem anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet.
- Der Lieferer hat im Bestimmungsmitgliedstaat weder den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung.
- Der Erwerber muss gegenüber dem Lieferer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung die ihm vom Bestimmungsmitgliedstaat erteilte USt-IdNr. verwendet haben. Zudem muss der Erwerber die Lieferung gesondert aufzeichnen und dabei zahlreiche gesetzliche Vorgaben beachten.
- Auch der Lieferer muss den Warentransport in den Bestimmungsmitgliedstaat nach gesetzlichen Vorgaben gesondert aufzeichnen. Die USt-IdNr. des Erwerbers muss er in die Zusammenfassende Meldung aufnehmen.
- Die Gegenstände müssen innerhalb von zwölf Monaten nach Einlagerung vom Abnehmer aus dem Lager entnommen werden.
Werden diese Voraussetzungen nicht erfüllt bzw. wird die Ware nicht innerhalb der Zwölf-Monatsfrist entnommen, ist grundsätzlich weiterhin ein innergemeinschaftliches Verbringen anzunehmen.
Beachten Sie | Wird die Ware jedoch innerhalb von zwölf Monaten zurück in den Abgangsmitgliedstaat transportiert und dieser Rücktransport gesondert aufgezeichnet, entfällt ein innergemeinschaftliches Verbringen. Dies gilt auch in den Fällen, in denen anstatt des ursprünglich vorgesehenen Erwerbers ein anderer Unternehmer die Ware innerhalb von zwölf Monaten entnimmt.
3. Reihengeschäft
Ein Reihengeschäft liegt vor, wenn mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte abschließen und dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer gelangt.
Folge des Reihengeschäfts ist es, dass die Warenbewegung nur einer der Lieferungen zuzuordnen ist. Nur diese Lieferung kommt in den Genuss der Steuerbefreiung.
Der neue Art. 36a MwStSystRL schafft erstmals eine EU-einheitliche Definition für Reihengeschäfte. Die Zuordnung der Warenbewegung wurde indes nur für die Fälle getroffen, in denen der mittlere Unternehmer (Zwischenhändler) befördert oder versendet. Im Ergebnis entspricht die Regelung der deutschen Vermutungsregelung, nach der die Warenbewegung grundsätzlich der Lieferung an den Zwischenhändler zuzuordnen ist. Damit ist diese Lieferung die bewegte und potenziell steuerbefreite. Abweichend hiervon gilt als bewegte Lieferung die Lieferung des Zwischenhändlers, wenn er mit der USt-IdNr. des Abgangsmitgliedstaats auftritt.
Nicht ausdrücklich geregelt sind die Fälle, in denen der erste oder der letzte Unternehmer die Gegenstände befördert. Nach dem UStG gilt Folgendes:
- Wird der Gegenstand der Lieferung durch den ersten Unternehmer in der Reihe befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung seiner Lieferung zuzuordnen.
- Wird der Gegenstand der Lieferung durch den letzten Abnehmer befördert oder versendet, ist die Beförderung oder Versendung der Lieferung an ihn zuzuordnen.
Fazit | Die Quick Fixes sind zu begrüßen, da die Vereinheitlichung für Rechtssicherheit sorgt. Allerdings wird der Nutzen, z. B. bei der Neuregelung für Konsignationslager, durch die Aufzeichnungspflichten geschmälert. Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen bedeuten die verschärften Anforderungen Handlungsbedarf für betroffene Unternehmen. In Sachverhaltskonstellationen mit Drittstaaten (z. B. Schweiz) entfalten die Quick Fixes keine Wirkung; insoweit verbleibt es bei den bisher geltenden Regelungen.
Quelle | Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Referentenentwurf des BMF, Stand: 8.5.2019); BFH, Urteil vom 20.10.2016, V R 31/15; BFH, Urteil vom 16.11.2016, V R 1/16; BMF, Schreiben vom 10.10.2017, III C 3 – S 7103-a/15/10001
Wettbewerbsrecht: Autokauf im Internet: Werbung mit unklarem Preis ist wettbewerbswidrig
| Ein Kfz-Händler darf ein Auto nicht mit einem Preis bewerben, der davon abhängig ist, dass der Käufer sein altes Fahrzeug in Zahlung gibt, wenn dies für den Verbraucher nicht auf den ersten Blick erkenntlich ist. |
Das hat das OLG Köln entschieden und, anders als noch das LG, der Klage einer Wettbewerbszentrale gegen den Kfz-Händler stattgegeben. Der beklagte Kfz-Händler bot auf einer Online-Plattform einen PKW als „Limousine, Neufahrzeug“ zum Preis von 12.490 EUR an. Die Werbung für das angebotene Fahrzeug erstreckte sich über mehrere, durch Herunterscrollen erreichbare Bildschirmseiten. Erst unter dem Punkt „Weiteres“ am Ende der Werbung war aufgeführt, dass der Preis nur gelten solle, wenn der Kunde ein zugelassenes Gebrauchtfahrzeug in Zahlung gebe. Darüber hinaus war dort notiert, dass der Preis unter der Bedingung einer Tageszulassung im Folgemonat stand.
Die Richter am OLG entschieden, dass die Preisangabe irreführend und daher unzulässig sei. Die Anzeige erwecke den Eindruck, das Fahrzeug könne von jedermann zum Preis von 12.490 EUR gekauft werden. Tatsächlich gelte der Preis aber nur für Käufer, die ein zugelassenes Fahrzeug in Zahlung geben könnten und wollten. Dies stelle eine sog. „dreiste Lüge“ dar, die auch durch einen erläuternden Zusatz nicht richtig gestellt werden könne. Preisangaben sollten Klarheit über die Preise gewährleisten und verhindern, dass die Verbraucher ihre Preisvorstellungen anhand nicht vergleichbarer Preise gewinnen müssen. Bei dem Inserat sei der Wert eines vom Käufer später in Zahlung zu gebenden Fahrzeugs naturgemäß noch völlig unklar. Für den Verbraucher sei die Preisangabe letztlich wertlos. Er könne das Angebot nicht sinnvoll mit den Angeboten anderer Händler vergleichen.
Die Angaben unter dem Punkt „Weiteres“ ändern nach Auffassung des OLG nichts an der Täuschung des Verbrauchers. Blickfang der Werbung sei die Abbildung des Fahrzeugs mit seiner Bezeichnung und der Preisangabe. Zwischen diesen Angaben und der Erläuterung unter dem Punkt „Weiteres“ lagen mehrere Seiten umfangreichen Texts. Es sei davon auszugehen, dass sich ein Verbraucher bei der Suche nach einem Neufahrzeug bereits mit dem Wagentyp und seinen technischen Details beschäftigt habe. Er benötige zur Bewertung eines Angebots daher regelmäßig nur den Kaufpreis und wenige weitere Informationen. Eine nicht unerhebliche Anzahl von Verbrauchern werde sich für oder gegen eine nähere Beschäftigung mit dem Angebot entscheiden und ggf. den Händler kontaktieren, ohne die Werbung vollständig gelesen zu haben.
Darüber hinaus bewerteten die Richter die Werbung auch deshalb als irreführend, weil das Fahrzeug im Blickfang als „Neufahrzeug“ bezeichnet und erst unter „Weiteres“ die Bedingung einer Tageszulassung enthalten war. Der Verbraucher erwarte bei der Angabe „Neufahrzeug“ ein Fahrzeug ohne Tageszulassung, zumal die Suchfunktion der Plattform zwischen „Neufahrzeug“ und „Tageszulassung“ unterscheide.
Quelle | OLG Köln, Urteil vom 5.4.2019, 6 U 179/18, Abruf-Nr. 208595 unter www.iww.de.
Abschließende Hinweise
Berechnung der Verzugszinsen
| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten. |
Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Januar 2019 bis zum 30. Juni 2019 beträgt -0,88 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:
- für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 4,12 Prozent
- für einen grundpfandrechtlich gesicherten Verbraucherdarlehensvertrag (§ 497 Abs. 1 BGB): 1,12 Prozent
- für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 8,12 Prozent
Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).
Übersicht / Basiszinssätze | |
Zeitraum |
Zinssatz |
01.07.2018 bis 31.12.2018 |
-0,88 Prozent |
01.01.2018 bis 30.06.2018 |
-0,88 Prozent |
01.07.2017 bis 31.12.2017 |
-0,88 Prozent |
01.01.2017 bis 30.06.2017 |
-0,88 Prozent |
01.07.2016 bis 31.12.2016 |
-0,88 Prozent |
01.01.2016 bis 30.06.2016 |
-0,83 Prozent |
01.07.2015 bis 31.12.2015 |
-0,83 Prozent |
01.01.2015 bis 30.06.2015 |
-0,83 Prozent |
01.07.2014 bis 31.12.2014 |
-0,73 Prozent |
01.01.2014 bis 30.06.2014 |
-0,63 Prozent |
01.07.2013 bis 31.12.2013 |
-0,38 Prozent |
01.01.2013 bis 30.06.2013 |
-0,13 Prozent |
01.07.2012 bis 31.12.2012 |
0,12 Prozent |
01.01.2012 bis 30.06.2012 |
0,12 Prozent |
01.07.2011 bis 31.12.2011 |
0,37 Prozent |
01.01.2011 bis 30.06.2011 |
0,12 Prozent |
01.07 2010 bis 31.12.2010 |
0,12 Prozent |
01.01.2010 bis 30.06.2010 |
0,12 Prozent |
01.07 2009 bis 31.12.2009 |
0,12 Prozent |
01.01.2009 bis 30.06.2009 |
1,62 Prozent |
01.07.2008 bis 31.12.2008 |
3,19 Prozent |
01.01.2008 bis 30.06.2008 |
3,32 Prozent |
01.07.2007 bis 31.12.2007 |
3,19 Prozent |
01.01.2007 bis 30.06.2007 |
2,70 Prozent |
01.07.2006 bis 31.12.2006 |
1,95 Prozent |
01.01.2006 bis 30.06.2006 |
1,37 Prozent |
01.07.2005 bis 31.12.2005 |
1,17 Prozent |
Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 07/2019
| Im Monat Juli 2019 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |
Steuertermine (Fälligkeit):
- Umsatzsteuer (Monatszahler): 10.7.2019
- Lohnsteuer (Monatszahler): 10.7.2019
Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.
Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 15.7.2019. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.
Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):
Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig, für den Beitragsmonat Juli 2019 am 29.7.2019.