Ausgabe 11/2020

Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 11/2020:

Arbeitsrecht

Baurecht

Familien- und Erbrecht

Mietrecht und WEG

Verbraucherrecht

Verkehrsrecht

Steuerrecht

Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht

Abschließende Hinweise

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Arbeitsrecht

Pflichtverletzung: Rechnungen besser genau prüfen

| Das Landesarbeitsgericht (LAG) Mecklenburg-Vorpommern hat jetzt verdeutlicht: Ein Arbeitnehmer, der eine Rechnung als sachlich und rechnerisch richtig zeichnet, ohne dies geprüft zu haben bzw. in dem Wissen, dass dieses nicht zutrifft, haftet für einen Schaden, der durch die Begleichung der Rechnungssumme entsteht. |

Im Streitfall ging es um eine aufaddierte Rechnungssumme von über 260.000 Euro im Baugewerbe, die trotz eines sog. Vier-Augen-Prinzips im betrieblichen Ablauf beglichen wurde, ohne dass entsprechende Leistungen erbracht wurden. Das Arbeitsgericht (AG) Stralsund als Vorinstanz erkannte eine Schadenersatzsumme von rund 170.000 Euro an.

Im vorliegenden Fall erfülle das Verhalten des Arbeitnehmers zumindest die Voraussetzungen der groben Fahrlässigkeit, die regelmäßig eine volle Haftung bewirke, so das LAG Mecklenburg-Vorpommern.

Quelle | LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 12.5.2020, 2 Sa 180/19, Abruf-Nr. 217873 unter www.iww.de

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Ungleichbehandlung: Aufforderung zur Angabe der Konfession in Stellenanzeige

| Wird der Bewerber in einer Stellenanzeige dazu aufgefordert, seine Konfession anzugeben, kann dies ein ausreichendes Indiz für einen Verstoß (unterschiedliche Behandlung wegen der Religion) nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sein. So hat es nun das Arbeitsgericht (ArbG) Karlsruhe entschieden. |

Es ging um die Stellenanzeige in Bezug auf eine Sekretariatsstelle im Büro einer geschäftsleitenden Oberkirchenrätin. Die Klägerin hatte angegeben, konfessionslos zu sein. Sie war bei der Besetzung der Stelle nicht berücksichtigt worden.

Die Klägerin wurde, so das ArbG, wegen ihrer Religion benachteiligt. Eine berufliche Anforderung hier: Angehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft wäre nur gerechtfertigt gewesen, wenn sie angesichts des Ethos der Kirche und der Art der Tätigkeit oder der Umstände ihrer Erbringung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt. Die Beweislast hierfür trägt der Arbeitgeber.

Hier ging es jedoch (lediglich) um eine Mitarbeit im Sekretariat. Die Klägerin hätte die Beklagte also nicht in ihren Glaubensgrundsätzen und in Fragen der Verkündigung oder des Selbstverständnisses der Kirche vertreten (sog. verkündungsferne Tätigkeit). Am Ende musste die Beklagte der Klägerin über 5.000 EUR als Entschädigung zahlen.

Quelle | ArbG Karlsruhe, Urteil vom 18.9.2020, 1 Ca 171/19, Abruf-Nr. 218344 unter www.iww.de

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Krankengeld: Ein-Wochen-Frist bei der Krankmeldung: Das ist zu beachten

| Regelmäßig zahlt die Krankenkasse kein Krankengeld, wenn ihr die Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung (AU) nicht rechtzeitig vorlag. Der Arbeitnehmer trägt aber keine Schuld, wenn sein Arzt kurzfristig einen Termin verschiebt und die Bescheinigung deshalb verspätet zugeht. Das hat das Sozialgericht (SG) München entschieden. |

Der Arbeitnehmer (Kläger) war arbeitsunfähig geschrieben und erhielt Krankengeld. Er suchte seinen behandelnden Klinikarzt auf, um eine weitere AU-Bescheinigung zu erhalten. Dessen Termine hatten sich jedoch an diesem Tag verschoben, sodass der Kläger erst um 17 Uhr statt wie vorgesehen um 16 Uhr mit dem Arzt sprechen konnte. Zu diesem Zeitpunkt waren die Schreibkräfte nicht mehr anwesend. Daher stellte der Arzt die AU-Bescheinigung nicht am selben Tag aus. Der Kläger erhielt die Bescheinigung vielmehr erst fünf Tage später per Post zugeschickt. Er leitete die Bescheinigung sofort an seine Krankenkasse (Beklagte) weiter. Diese zahlte kein Krankengeld, da die Bescheinigung nicht innerhalb einer Woche bei ihr eingegangen sei. Das SG hat den Anspruch auf Krankengeld bestätigt. Der Kläger habe die Frist eingehalten.

Eine Krankenkasse kann sich nicht auf einen verspäteten Zugang der AU-Bescheinigung berufen, wenn dieser auf von ihr zu vertretenden Organisationsmängeln beruht und der Versicherte hiervon weder wusste noch wissen musste. Hier hatte die Beklagte diese Bescheinigung nicht am Tag der Untersuchung, sondern erst mit fünftägiger Verspätung erhalten. Dies könne jedoch nicht dem Kläger angelastet werden. Krankenkassen müssten sicherstellen, dass Ärzte als Leistungserbringer AU-Bescheinigungen unverzüglich aushändigen, so das SG.

Gegenüber dem Leistungserbringer habe die Krankenkasse zudem Einfluss- und Steuerungsmöglichkeiten, die ein Versicherter nicht habe. Keinesfalls darf die Krankenkasse die Ein-Wochen-Frist „kürzen“, indem sie auf den Tag der Untersuchung abstellt und nicht auf den Tag, an dem die AU-Bescheinigung dem Versicherten auch ausgehändigt wird bzw. zugeht.

Quelle | SG München, Urteil vom 17.6.2020, S 7 KR 1719/19, Abruf-Nr. 216664 unter www.iww.de

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Beweispflicht: Arbeitnehmer: Entschädigungsanspruch bei Mobbing

| Ein Anspruch auf eine „billige Entschädigung in Geld“ wegen einer Gesundheitsbeschädigung aufgrund von Mobbing setzt voraus, dass der betroffene Arbeitnehmer konkret darlegt, wann welcher Arzt welche Erkrankung bei ihm diagnostiziert haben will. Allein der Umstand, dass sich der Kläger in ärztlicher Behandlung befindet, genügt nicht. Das hat jetzt das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln entschieden. |

Die Richter machten deutlich: Der betroffene Arbeitnehmer muss zudem beweisen, aufgrund welcher Umstände gesundheitlich neutrale Maßnahmen (z. B. Abmahnung, Kündigung oder arbeitsrechtliche Weisungen) konkret geeignet sein sollen, eine Gesundheitsbeschädigung hervorzurufen.

Im vorliegenden Fall standen 14 Abmahnungen in acht Jahren, eine verhaltensbedingte Kündigung, zwei erfolglose Anhörungsverfahren beim Integrationsamt wegen des mittlerweile einem Schwerbehinderten gleichgestellten Klägers, ein Entgeltrechtsstreit und mehr im Raum. Nach Ansicht des LAG stelle dies aber weder einzeln noch in der Gesamtschau eine schwere Persönlichkeitsrechtsverletzung dar, wenn es jeweils wie vorliegend einen konkreten sachlichen Anlass für die Maßnahmen des Arbeitgebers gab. Hier kam hinzu, dass der Kläger gegen nahezu sämtliche Handlungen des Arbeitgebers gerichtlich vorgegangen war und hierbei überwiegend obsiegt hatte.

Quelle | LAG Köln, Urteil vom 10.7.2020, 4 Sa 118/20, Abruf-Nr. 217857 unter www.iww.de

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Verbeamtete Lehrerin: Spirituelle Lebensberaterin ohne Nebentätigkeitsgenehmigung

| Das Verwaltungsgericht (VG) Berlin hat entschieden: Eine Lehrerin darf ohne Nebentätigkeitsgenehmigung nicht entgeltlich als spirituelle Lebensberaterin tätig sein. Eine Genehmigung für die Vergangenheit muss sie hierfür allerdings nachträglich nicht mehr beantragen. Sie hat ihrem Dienstherrn auch Auskunft über Art und Umfang ihrer schriftstellerischen Tätigkeiten zu geben. |

Im vorliegenden Fall ist die Klägerin verbeamtete Lehrerin eines Berliner Gymnasiums. Gegen sie wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet wegen des Verdachts, dass sie ohne Nebentätigkeitsgenehmigung auf verschiedenen Internetplattformen, die unter anderem eine „seriöse und professionelle Zukunftsdeutung“ anbieten, entgeltlich spirituelle Beratungen offerierte. Die Senatsverwaltung forderte die Klägerin mit zwei Bescheiden auf, diese Beratertätigkeit einzustellen und für die Vergangenheit noch eine Genehmigung zu beantragen sowie Auskunft über Art und Umfang ihrer schriftstellerischen Tätigkeiten zu erteilen.

Dies wollte die Klägerin nicht hinnehmen. Sie bestritt die ihr vorgeworfene Beratungstätigkeit. Allenfalls zeitweilig habe sie als Beraterin gewirkt, aktuell jedoch nicht mehr. Sie bestätigte, zwei Bücher publizieren zu wollen, was sie jedoch nicht als Nebentätigkeit ansah, sondern als eine bloße Tätigkeit im Rahmen allgemeiner Kommunikation „teilweise außerhalb des logischen Systems“.

Die Weisungen seien im Wesentlichen nicht zu beanstanden, so das VG Berlin. Es gebe keine ernsthaften Zweifel daran, dass die Klägerin Beratungsleistungen im Internet gegen Entgelt auch heute noch erbringt. Eine solche Tätigkeit sei genehmigungspflichtig. Ohne eine Genehmigung dürfe der Dienstherr der Klägerin die Tätigkeit untersagen. Auch die Weisung, Art und Umfang ihrer schriftstellerischen Tätigkeiten offenzulegen, sei rechtmäßig. Schriftstellerische Tätigkeiten seien zwar nicht genehmigungs-, aber anzeigepflichtig, falls hierfür ein Entgelt oder geldwerter Vorteil geleistet werde. Vorliegend habe es für die Senatsverwaltung einen begründeten Anlass gegeben, die Anzeigepflicht dieser Tätigkeit zu prüfen. Lediglich die Weisung, für die Vergangenheit eine Genehmigung zu beantragen, sei rechtswidrig.

Gegen das Urteil ist bereits Antrag auf Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg gestellt worden.

Quelle | VG Berlin, Urteil vom 22.7.2020, VG 5 K 95.17, Abruf-Nr. 218345 unter www.iww.de; PM vom 18.8.2020

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Baurecht

Corona-Pandemie: Baukindergeld: Förderzeitraum soll bis 31.3.2021 verlängert werden

| Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat sieht vor, den Förderzeitraum für die Gewährung des Baukindergelds um drei Monate zu verlängern. |

Hintergrund der angedachten Verlängerung ist die Corona-Pandemie, weshalb viele Antragsteller die Fristen nicht einhalten können.

Dies bedeutet für die Baugenehmigung bzw. den notariellen Kaufvertrag:

  • Neubauten sind begünstigt, wenn die Baugenehmigung zwischen dem 1.1.2018 und dem 31.3.2021 (bisher: 31.12.2020) erteilt wurde.
  • Beim Erwerb von Neu- oder Bestandsbauten muss der notarielle Kaufvertrag zwischen dem 1.1.2018 und dem 31.3.2021 (bisher: 31.12.2020) unterzeichnet worden sein.

Weitere Informationen zum Baukindergeld erhalten Sie unter www.iww.de/s4121.

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Brandschutz: Anforderungen können nachträglich durchgesetzt werden

| Erfüllt ein Gebäude nachbarschützende Brandschutzvorschriften nicht, muss dessen Eigentümer die vom Nachbarn beanstandete, fehlende Brandwand nachträglich einziehen. Er darf dies nicht mit dem Hinweis verweigern, der dafür erforderliche finanzielle Aufwand stehe in einem groben Missverhältnis zum Leistungsinteresse des Nachbarn. So hat es jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. |

Was war geschehen? Der Beklagte betrieb eine Diskothek. Die auf der Grundstücksgrenze stehende Wand der Diskothek erfüllte die Anforderungen an eine Brandwand nicht. Folglich verlangte der Nachbar von dem Diskothekenbetreiber, diesen bauordnungsrechtlich unzulässigen Zustand zu beseitigen. Der BGH hat dem zugestimmt.

Er hat klargestellt: Der Schutz von Leib und Leben geht vor. Die Nachrüstpflicht bestehe auch, wenn sich das Gebäude nicht in einem gefahrenträchtigen Zustand befinde.

Der BGH hat sich auch dazu geäußert, wann ein solches grobes Missverhältnis zwischen Aufwand und Nutzen vorliegt, das eine Leistungsverweigerung rechtfertigt. Dies bemisst sich „nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und dem, was diesem unter Würdigung anderer öffentlicher oder privater Belange zuzumuten ist“.

Wichtig | Beim Bauen im Bestand wirkt sich dieses Urteil für alle Planungsbüros aus. Denn im Zweifel muss sich ein Planer grundlegende Kenntnis darüber verschaffen, ob er eine Brandwand auf dem Grundstück seines Auftraggebers bauen muss oder ob der bauordnungswidrige Zustand im Einvernehmen mit dem Nachbarn geklärt werden kann.

Quelle | BGH, Urteil vom 13.12.2019, V ZR 152/18, Abruf-Nr. 217394 unter www.iww.de

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Weiterfresserschaden: Wann beginnt die Verjährung?

| Das Landgericht (LG) Flensburg hat jetzt entschieden: Beim Entstehen eines Schadens kommt es für den Beginn der Verjährung auf die Abnahme der Werkleistung an. Das gilt auch bei einem sog. Weiterfresserschaden. |

Das Ziel beim weiterfressenden Schaden (hier: behaupteter mangelhafter Aufbau der Ölheizungsanlage mit späterem Ölschaden) sei es nämlich, die Verjährungsfrist zu verlängern. Daraus darf aber nicht der Schluss gezogen werden, dass für den Beginn der Verjährungsfrist bei mangelhafter Werkleistung auf den Eintritt des Folgeschadens abzustellen ist. Vielmehr ist auf die Werkleistung an sich abzustellen.

Quelle | LG Flensburg, Urteil vom 28.8.2020, 2 O 148/19, Abruf-Nr. 218346 unter www.iww.de

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Nachbarschaftsstreit: Nachbar pocht auf Einhalten von Abstandsflächen, verstößt aber seinerseits dagegen: So geht es nicht

| Ein Grundstückseigentümer hatte sich auf einen tatsächlich vorliegenden abstandsrechtlichen Verstoß des Nachbarn berufen. Seine Klage hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen jedoch abgewiesen. Grund: Er hatte seinerseits gegen das Abstandsflächenverbot verstoßen. |

In einem solchen Fall stellt das Geltendmachen von Abwehrmaßnahmen eine sog. „unzulässige Rechtsausübung“ dar. Maßgeblich ist nach dem OVG, ob der Nachbar fordert, was er selbst nicht einhält. Das allgemeine Rechtsverständnis billigt es einem Grundstückseigentümer nicht zu, rechtliche Abwehrmaßnahmen gegen eine durch einen Nachbarn hervorgerufene Beeinträchtigung zu ergreifen und zugleich diesem Nachbarn quasi spiegelbildlich dieselbe Beeinträchtigung zuzumuten. Denn der öffentlich-rechtliche Nachbarschutz, so das OVG, beruht auf einem Verhältnis wechselseitiger Abhängigkeit, das maßgeblich durch die objektiven Grundstücksverhältnisse geprägt ist. Erst aus der Störung des nachbarlichen Gleichgewichts und nicht schon aus der Abweichung von öffentlich-rechtlichen Normen ergibt sich deshalb der Abwehranspruch des Nachbarn.

Quelle | OVG Nordrhein-Westfalen, 18.6.2020, 7 A 1510/18, Abruf-Nr. 218347 unter www.iww.de

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Familien- und Erbrecht

Gesetzentwurf: Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts

| Das Bundeskabinett hat am 23.9.20 den von der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegten Entwurf für ein Gesetz zur Reform des Vormundschafts- und Betreuungsrechts beschlossen. Der Entwurf sieht umfassende Änderungen vor, die die Rechte und Position betreuter Personen stärken. Der Entwurf geht nun in den Bundestag. |

Unter anderem finden sich im Entwurf zahlreiche Verbesserungen für betreute Personen:

  • Es soll klarer geregelt sein, dass die Betreuung zunächst der Unterstützung des Betreuten dient, seine Angelegenheiten stets selbstbestimmt zu erledigen. Eine Stellvertretung soll nur eingesetzt werden, wenn es notwendig ist.
  • Zudem sollen Betreute in allen Abschnitten des Betreuungsverfahrens intensiver eingebunden werden.
  • Ferner soll ein Registrierungsverfahren mit persönlichen und fachlichen Mindesteignungsvoraussetzungen für berufliche Betreuer eingeführt werden.

Die einzelnen Punkte des Reformpakets werden vom Bundesjustizministerium zusammengefasst und sind hier abrufbar: www.iww.de/s4098.

Der Sozialverband VdK Deutschland fordert angesichts des Gesetzentwurfs weitere Verbesserungen, zum Beispiel eine niederschwellige, barrierefreie und für die Betreuten gut erreichbare Beschwerdestelle, und hat zum Entwurf umfassend Stellung genommen.

Hier können Sie die Stellungnahme des VdK abrufen: www.iww.de/s4099.

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Erbstreitigkeiten: Nachlasspfleger für „unbekannten“ Erben

| Die Erblasserin hinterließ zwei Testamente mit unterschiedlichen Erbeinsetzungen. Das erste handschriftliche Testament begünstigte ihre Enkelin, das zweite notarielle Testament ihren Sohn. Die Enkelin war nun der Auffassung, die Erblasserin sei zum Zeitpunkt der Errichtung des zweiten Testaments testierunfähig gewesen. Daraufhin hat das Nachlassgericht die Nachlasspflegschaft für die „unbekannten Erben“ der Erblasserin angeordnet und einen Nachlasspfleger bestellt. Zu Recht? Ja, sagt das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg. |

Der Sohn wehrte sich zwar dagegen. Denn er sah keinen Grund für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft. Aufgrund des notariellen Testaments stehe fest, dass er Alleinerbe geworden sei. Der Erbe sei somit nicht unbekannt, sondern vielmehr bekannt. Er habe die Erbschaft auch angenommen. Damit biss er beim OLG aber „auf Granit“.

Denn das Nachlassgericht kann dem unbekannten Erben einen Nachlasspfleger bestellen, soweit hierfür ein Bedürfnis besteht. Dabei sei die Frage, ob der Erbe „unbekannt” ist und ob ein Sicherungsbedürfnis bestehe, vom Standpunkt des Nachlassgerichts aus zu beurteilen. Es sei allgemein anerkannt, dass der Erbe auch dann unbekannt ist, wenn mehrere Erben in Betracht kommen und sich der Tatrichter nicht ohne weitere Ermittlungen davon überzeugen kann, wer Erbe ist. Dies gelte insbesondere, wenn Streit über die Testierfähigkeit des Erblassers und damit über die Gültigkeit einer letztwilligen Verfügung bestehe so wie hier.

Quelle | OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.2.2020, 3 W 137/19, Abruf-Nr. 217971 unter www.iww.de

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Ehescheidung: Kein Versorgungsausgleich wegen Verletzung verfahrensrechtlicher Mitwirkungspflichten

| Es kommt immer wieder vor, dass in familienrechtlichen Verfahren ein Ehegatte nicht „mitspielt“. Das kann für ihn extrem negative Auswirkungen haben, wie ein aktueller Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Brandenburg zeigt. |

Im Fall des OLG hatte sich ein Ehegatte seit fast sechs Jahren der Aufklärung seiner in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte entzogen. Dies geschah, obwohl das Gericht einige Anordnungen getroffen und Zwangsmaßnahmen angeordnet hatte. Es hatte zudem etliche Anhörungstermine anberaumt. So wollte das Gericht das Versorgungsausgleichsverfahren fördern und abschließen vergebens.

Das OLG hat den Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Es stellte klar: Ein Versorgungsausgleich findet ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies sei der Fall, wenn im Einzelfall unter Abwägung aller Umstände die rein schematische Durchführung des Ausgleichs dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanrechten zu gewährleisten, in unerträglicher Weise widersprechen würde, weil ein Ehegatte die verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten grob verletzt hat.

Quelle | OLG Brandenburg, Urteil vom 2.4.2020, 9 UF 181/19, Abruf-Nr. 218359 unter www.iww.de

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Testamentseröffnung: Auch Enterbte dürfen eine Testamentsabschrift einsehen

| Mit dem Tod entfällt das Interesse des Erblassers an der Geheimhaltung seines letzten Willens den gesetzlichen Erben gegenüber insoweit, als der letzte Wille diese betrifft. Denn um sicherzustellen, dass der letzte Wille auch tatsächlich verwirklicht wird, müssen insbesondere über die Erbeinsetzung der testamentarischen Erben und die damit verbundene Enterbung der gesetzlichen Erben auch Letztere informiert werden. Das hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt. |

Das war passiert: Der spätere Kläger erfuhr aufgrund einer Testamentseröffnung davon, dass er enterbt worden war. Er bemühte sich zunächst erfolglos bei dem Notar um Einsichtnahme in die Abschrift des Testaments. Die Notarkammer wies den Kläger auf die notarielle Verschwiegenheitspflicht hin. Daher beantragte er, den Notar von seiner Verschwiegenheitspflicht zu entbinden erneut erfolglos. Grund: Es sei nicht erkennbar, dass dies im mutmaßlichen Willen des Erblassers gelegen haben könnte. Der Kläger verfolgte sein Ziel jedoch weiter.

Das Oberlandesgericht (OLG) hatte die Klage noch abgewiesen. Doch der BGH gab ihm letztinstanzlich Recht. Der Notar war von seiner Verschwiegenheitspflicht hinsichtlich des Inhalts der den Kläger betreffenden letztwilligen Verfügung zu befreien. Das Interesse der verstorbenen Beteiligten an der Geheimhaltung des den Kläger betreffenden Inhalts der Verfügung von Todes wegen sei nicht nur in Bezug auf das zum Nachlassgericht gegebene Original des Testaments weggefallen, sondern auch in Bezug auf die beim Notar verbliebene Abschrift.

Quelle | BGH, Urteil vom 20.7.2020, NotZ (Brfg) 1/19, Abruf-Nr. 217729 unter www.iww.de

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Persönlichkeitsrecht: Tonbandaufnahmen in Gewaltschutzverfahren verwertbar?

| Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg sagt: „Nein, aber ….“. Es hält zunächst fest, dass Privatgespräche ohne Einwilligung des Gesprächspartners weder auf einem Datenträger aufgezeichnet noch durch Abspielen der Aufzeichnung anderen zugänglich gemacht werden dürfen. Eine Zuwiderhandlung verletze zum einen das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen. Zum anderen stelle sie auch eine Straftat dar. Das Verbot gelte grundsätzlich auch im familiengerichtlichen Verfahren. Folge sei, dass das Gericht eine ohne Einwilligung des Betroffenen angefertigte Audioaufnahme nicht als Beweismittel verwerten dürfe. Doch dann schränkt das OLG diesen Grundsatz ein und erlaubte die Verwertung im konkreten Fall. |

Der Schutz des gesprochenen Wortes gelte nämlich nicht schrankenlos. Insbesondere, wenn das aufgenommene Gespräch wie im Fall des OLG nicht der unantastbaren Intimsphäre zuzuordnen ist, sondern in Konflikt zu dem ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrecht eines anderen tritt, zu dessen Durchsetzung die Audioaufnahme verhelfen soll, könne sich das Selbstbestimmungsrecht über das eigene Wort nicht über dessen schutzwürdige Belange schlechthin hinwegsetzen. Ein so absolutes Verwertungsverbot nicht gestatteter Tonaufnahmen sei unannehmbar.

Daraus folgert das OLG: Zur Glaubhaftmachung im Gewaltschutzverfahren kann auch eine Tonbandaufnahme von Äußerungen des Antragsgegners herangezogen werden. Dies erschien dem OLG in seinem Fall als vertretbar, da das Gespräch im öffentlichen Straßenraum aufgenommen worden war. Außerdem hatte die Antragstellerin den Antragsgegner zuvor darauf hingewiesen, dass sie Gespräche mit ihm aufnehmen werde.

Quelle | OLG Brandenburg, Beschluss vom 5.8.2020, 15 UF 126/20, Abruf-Nr. 218358 unter www.iww.de

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Mietrecht und WEG

Mieterpflichten: Das muss der Mieter nach einer Mängelanzeige hinnehmen

| Nach einer Mängelanzeige des Mieters ist der Vermieter verpflichtet, dem Mangel nachzugehen und hierzu den Mangel zu besichtigen. Er ist auch berechtigt, nach Beseitigung des Mangels durch einen Handwerker die durchgeführten Arbeiten als solche abzunehmen. Entsprechendes gilt, wenn der Mieter im Wege der Ersatzvornahme den Mangel selbst beseitigt, insbesondere dann, wenn der Mieter die Kosten hierfür mit der Miete verrechnet oder dem Vermieter in Rechnung stellt. Die darin liegende Abnahme solcher Arbeiten ist notwendiger Bestandteil der Instandhaltungspflicht und der damit einhergehenden Duldungspflicht des Mieters. Der Vermieter kann auch fachkundige Personen hinzuziehen oder im Termin ein Diktiergerät verwenden, ja sogar Fotos anfertigen, soweit er keine Personen fotografiert und es einen nachvollziehbaren Grund für die Fotos gibt. |

In einem Fall des Amtsgerichts (AG) Hamburg behauptete der Mieter, der vom Vermieter hinzugezogene Architekt hätte sich besonders beleidigend und herabwürdigend ihm gegenüber verhalten. Das war aber streitig. Das AG stellt dazu klar: Im Einzelfall können schwerwiegende und in besonderer Weise herabwürdigende Beleidigungen dazu führen, dass bestimmte Rechte wie hier die Besichtigung bzw. Abnahme durch den Vermieter nicht in Gegenwart des die Beleidigung Äußernden wahrzunehmen sind. Hier sah das AG allerdings keine Veranlassung dazu, dass der Mieter die Besichtigung verweigerte.

Quelle | AG Hamburg, Urteil vom 2.9.2020, 49 C 173/20, Abruf-Nr. 218141 unter www.iww.de

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Wohnraummodernisierung: Vermieter aufgepasst: Nicht zu früh Modernisierungen ankündigen

| Vermieter müssen Modernisierungsmaßnahmen ankündigen. Es gibt zwar keine gesetzlich geregelte Höchstfrist, nach deren Überschreiten der Vermieter seine Ansprüche aus einer Modernisierungsankündigung verliert, wenn er nicht mit der angekündigten Modernisierungsmaßnahme beginnt. Allerdings ist ein auf eine weit vor dem beabsichtigten Beginn der Modernisierungsmaßnahme ausgesprochene Ankündigung gestützter Duldungsanspruch nicht durchsetzbar. Er verstößt gegen Treu und Glauben. |

Das Landgericht (LG) Berlin hat eine ca. 17 Monate angekündigte Maßnahme als zu früh angesehen. Grund: Sie benachteilige den Mieter in bestimmten Rechten, die an den Zugang der Duldungsankündigung geknüpft sind. Gleichzeitig beschränke der Vermieter damit unzulässig zulasten des Mieters dessen Möglichkeit, Härtegründe gegenüber der Duldungspflicht geltend zu machen.

Quelle | LG Berlin, Urteil vom 1.9.2020, 67 S 108/20, Abruf-Nr. 218140 unter www.iww.de

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Gewerberaummiete: Schulnähe als Mangel einer gemieteten Spielhalle

| Wird in einem Mietvertrag als Nutzungszweck der Betrieb einer Spielhalle vereinbart und werden die landesrechtlich geregelten Mindestabstände zwischen Spielhalle und geschützten Einrichtungen (hier: Schule) unterschritten, begründet die behördliche Nutzungsuntersagung der Spielhalle einen Mangel der Mietsache. Das hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Dresden entschieden. |

Sogenannte öffentlich-rechtliche Gebrauchsbeschränkungen oder -hindernisse können Mängel des Mietobjekts sein. Sie müssen dann aber auf der konkreten Beschaffenheit oder Lage des Mietobjekts beruhen. Sie dürfen ihre Ursache nicht in den persönlichen und betrieblichen Umständen des Mieters haben.

Im Fall des OLG hatte sich nachträglich eine gesetzliche Regelung („Glückspielstaatsvertrag“) geändert, nach der der Abstand einer Spielhalle zu einer weiteren Spielhalle oder zu einer allgemeinbildenden Schule 250 Meter Luftlinie nicht unterschreiten soll. Hier belief sich der Abstand aber auf nur 138 Meter. Zwar hatten die Parteien vertraglich u. a. geregelt, dass der Vermieter keine Gewähr dafür leisten sollte, „dass die gemieteten Räume den in Frage kommenden technischen Anforderungen sowie den behördlichen und anderen Vorschriften entsprechen“. Die hier in Rede stehende Gebrauchstauglichkeit der Mietsache sah das OLG jedoch nicht als auf den Mieter abgewälzt an. Die o. g. Konstellation falle unter das Vermieterrisiko.

Quelle | OLG Dresden, Urteil vom 24.6.2020, 5 U 653/20, Abruf-Nr. 218137 unter www.iww.de

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Corona-Pandemie: WEG: Eigentümerversammlung darf nicht beschränkt werden

| Die Einladung zu einer Eigentümerversammlung darf den Teilnehmerkreis nicht einschränken auch nicht, um Vorgaben aufgrund der Corona-Pandemie zu erfüllen. Geschieht dies doch, sind die in der Versammlung gefassten Beschlüsse wegen Eingriffs in den Kernbereich des Wohnungseigentumsrechts nichtig. |

Eine Einladung hatte folgenden Wortlaut: „Aufgrund der Größe der Sitzungsräume muss die Anzahl der anwesenden Eigentümer bei dieser Versammlung beschränkt werden (10 Personen inkl. Verwalter). Erteilen Sie deshalb möglichst dem Verwaltungsbeirat oder der Verwaltung die Vollmacht für die Teilnahme an der Versammlung. […] Der Verwalter behält sich vor, die Versammlung nicht durchzuführen, sofern die Höchstzahl der Anwesenden überschritten wird und keine einvernehmliche Regelung am Versammlungstag dazu getroffen werden kann.“

Hierin sah das Amtsgericht (AG) Kassel einen unzulässigen Eingriff in den Kernbereich des Wohnungseigentums. Teilnahmerecht und Stimmrecht eines Wohnungseigentümers dürften nur ausnahmsweise eingeschränkt werden. Eine solche Ausnahme sei aber nicht gegeben, wenn nach den geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften das Durchführen der Versammlung nicht schlechterdings untersagt ist und die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorgaben sichergestellt werden könne, indem ein geeigneter großer Raum gemietet würde.

Quelle | AG Kassel, Urteil vom 27.8.2020, 800 C 2563/20, Abruf-Nr. 218139 unter www.iww.de

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Verbraucherrecht

Corona-Pandemie: Pflegeheim darf nicht ohne Behörde handeln

| Eine Pflegeheimbewohnerin hat sich erfolgreich gegen eine Isolationsanordnung gewehrt. Das Verwaltungsgericht (VG) Minden sah die landesrechtliche Allgemeinverfügung in Nordrhein-Westfalen als rechtswidrig an, da bei der Entscheidung über eine Isolation bei möglicher Corona-Infektion eine Behörde einzuschalten ist. Die NRW-Regelung überlässt die Entscheidung aber direkt den Pflegeeinrichtungen. Dies sei unzulässig. |

Das VG vertrat die Ansicht, dass das private Interesse der Heimbewohnerin, von einer Vollziehung der Allgemeinverfügung zunächst verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse am Vollzug überwiege. Es gab daher ihrem Eilantrag statt. Grundlage war die nordrhein-westfälische Allgemeinverfügung der CoronaAVPflegeundBesuche, die bei einem konkreten Anlass eine isolierte Pflege und Betreuung betroffener Heimbewohner vorsieht. Das VG sah für eine angeordnete Isolierung keine gesetzliche Grundlage. Das NRW-Ministerium könne sich insoweit auch nicht auf die Generalermächtigung des Infektionsschutzgesetzes beziehen. Denn diese enthalte spezialgesetzliche Regelungen, sodass ein Rückgriff auf die Generalklausel ausgeschlossen sei. Darüber hinaus dürfe die Entscheidung über eine Isolation nicht allein von der Pflegeeinrichtung getroffen werden. Einzubeziehen ist hierbei die zuständige Behörde, die gemäß den Regelungen des Infektionsschutzgesetzes selbst prüfen muss, ob die Voraussetzungen für eine Isolierung vorliegen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Quelle | VG Minden, Beschluss vom 14.10.2020, 7 L 729/20, Abruf-Nr. 218362 unter www.iww.de; PM vom 14.10.2020

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Gehweg-Unfall: Vergesslichkeit schützt vor Schaden nicht

| Stolpert ein Fußgänger über ein gut sichtbares Hindernis auf dem Gehweg, das er zuerst wahrgenommen, aber anschließend vergessen hat, hat er keinen Anspruch auf Schmerzensgeld. Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG Köln) hingewiesen. |

Was war geschehen? Auf einem Teil des Gehwegs war eine ca. 100 x 150 cm große Sperrholzplatte abgestellt. Sie sollte verhindern, dass tropfendes Wasser aus einer defekten Regenrinne in das Haus lief. Eine Seniorin hatte die Platte zunächst bemerkt und an der engen Stelle eine andere Passantin vorgelassen. Dann unterhielt sie sich kurz mit der Passantin. Dabei vergaß sie das Hindernis. Beim Weitergehen stolperte sie über die Platte. Beim Sturz brach sie sich den Arm. Sie verlangte ein Schmerzensgeld von mindestens 9.500 EUR.

Das Landgericht (LG) Aachen wies ihre Klage in erster Instanz ab. Das OLG Köln wies auf die fehlenden Erfolgsaussichten einer Berufung hin. Daraufhin nahm die Seniorin die Klage zurück. Das OLG stellte klar: Die Platte sei zwar ein Hindernis. Der Hauseigentümer muss auch dadurch entstehende Schäden bei anderen verhindern. Hier seien aber keine weiteren Schutzmaßnahmen erforderlich gewesen. Die Seniorin hatte die gut sichtbare Platte als Hindernis sofort erkannt. Gerade wegen des Hindernisses hatte sie zunächst die andere Passantin vorbeigelassen. Dass sie die Platte während der wenigen Minuten ihrer Unterhaltung mit der Passantin vergessen hatte, ist ein gänzlich unwahrscheinlicher Geschehensablauf.

Es ist nicht ersichtlich, was der Hauseigentümer noch hätte unternehmen können, um diesen Unfall zu verhindern. Eine weitere Absicherung hätte allenfalls dazu dienen können, das bereits sehr gut sichtbare Hindernis noch besser erkennbar zu machen. Dies hätte im vorliegenden Fall allerdings nichts genutzt, da die Seniorin es auch so erkannt hatte. Schließlich hat es auch einen nachvollziehbaren sachlichen Grund gegeben, die Platte jedenfalls kurzfristig auf dem Bürgersteig aufzustellen. Die Seniorin hat zwar ein „Unglück“ erlitten, kann jedoch dem Hauseigentümer kein „Unrecht“ vorhalten.

Quelle | OLG Köln, Beschluss vom 4.2.220, 7 U 285/19, Abruf-Nr. 217995 unter www.iww.de

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Krankenkassenstreit: E-Roller ist kein Rollstuhlersatz

| Das LSG Celle-Bremen hat entschieden: Ein Elektroroller ist kein Hilfsmittel der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). |

Geklagt hatte ein 80-jähriger, gehbehinderter Mann. Von seiner Krankenkasse wollte er eine Beihilfe erhalten, um einen klappbaren Elektroroller mit Sattel anzuschaffen. Diese bot ihm stattdessen einen Elektrorollstuhl an, den der Mann jedoch nicht haben wollte. Ihm sei es wichtig, dass das Gerät transportabel sei. Einen Roller könne er zusammengeklappt im Pkw transportieren und auch in den Urlaub und auf Busreisen mitnehmen. Mit einem Elektrorollstuhl gehe das nicht und auch sein Auto und Carport seien für ein solch großes und schweres Hilfsmittel ungeeignet.

Das Landessozialgericht (LSG) Celle-Bremen hat die Rechtsauffassung der Krankenkasse bestätigt. Ein Elektroroller sei kein Hilfsmittel der GKV, sondern ein sog. Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens, der nicht in die Leistungspflicht der Krankenkasse fällt. Zur Abgrenzung komme es darauf an, ob ein Produkt für die speziellen Bedürfnisse von Kranken und Behinderten konzipiert sei. Dies sei bei einem Elektroroller nicht der Fall, da er in seiner Funktion nicht medizinisch geprägt sei. Bereits der Name „Eco-Fun“ zeige, dass es sich um ein Freizeitgerät handele, das nicht für Behinderte konzipiert sei. Im Übrigen könne es mit einer Geschwindigkeit von 20 km/h für den Behindertenbereich auch zu gefährlich sein.

Außerdem habe der Mann den gesetzlichen Beschaffungsweg nicht eingehalten, da er den Roller schon vor der Entscheidung der Krankenkasse bestellt habe und sie damit vor vollendete Tatsachen gestellt habe. Anders als in der Privaten Krankenversicherung (PKV) gelte in der GKV das Sachleistungsprinzip als Leistungsmaxime. Dies bedeute, dass der Mann sich grundsätzlich nicht auf ein bestimmtes Produkt festlegen könne, um danach Kostenerstattung von der Krankenkasse zu verlangen.

Quelle | LSG Celle-Bremen, Beschluss vom 28.8.2020, L 16 KR 151/20, Abruf-Nr. 218364 unter www.iww.de; PM Nr. 17/2020 vom 7.9.2020

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Existenzgründer: Broschüre mit Steuertipps

| Existenzgründer stehen vor vielfältigen organisatorischen aber auch finanziellen Herausforderungen. Das Finanzministerium Nordrhein-Westfalen hat seine Broschüre mit Steuertipps für Existenzgründer aktualisiert. |

Neben wichtigen steuerlichen Aspekten bei der Existenzgründung enthält die rund 70 Seiten umfassende Broschüre des Finanzministeriums darüber hinaus auch Informationen zum Gründungszuschuss und zeigt, wie eine ordnungsgemäße (umsatzsteuerliche) Rechnung aussehen muss.

Die Broschüre (Stand: Februar 2020) kann unter www.iww.de/s3054 heruntergeladen werden.

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Corona-Pandemie: Hochzeit in Eventhalle nicht gewerblich

| Die Regeln in Corona-Zeiten ändern sich mitunter schnell. Wann und in welchem Umfang private Feiern erlaubt sind, kann da schon einmal zweifelhaft sein. So waren zum Zeitpunkt, zu dem der Fall des Verwaltungsgerichts (VG) Koblenz spielte, private Feiern in Rheinland-Pfalz mit maximal 75 Personen zulässig, gewerbliche Veranstaltungen jedoch mit mehr Personen. Also könnte man auf die Idee kommen, dass es sich bei Feiern in einer Eventhalle um gewerbliche Veranstaltungen handelt, und versuchen, diese mit 250 Gästen durchzuführen. Das VG hat jetzt aber klargestellt, dass dies ein Trugschluss ist. |

So durfte eine geplante Hochzeit nicht stattfinden. Die Veranstaltung, so das VG, unterliege der 11. Corona-Bekämpfungsverordnung für Veranstaltungen nicht gewerblicher Art mit zuvor eindeutig festgelegtem Teilnehmerkreis. Daher sei die Teilnehmerzahl auch hier auf 75 Personen begrenzt.

Entscheidend für das VG: Veranstalter der Feier sei nicht der Inhaber der Eventhalle als Gewerbetreibender, sondern die die Hochzeit ausrichtenden Personen. Dies ergebe sich aus der Systematik der Corona-Verordnung.

Eine Ausnahmegenehmigung komme im Hinblick auf die Corona-Fälle in dem betroffenen Landkreis, die seit Wochen zunähmen, nicht infrage. Außerdem seien gerade auf Hochzeiten in dieser Festhalle vermutlich einige Infektionsfälle im Landkreis zurückzuführen.

Der Beschluss ist allerdings nicht rechtskräftig. Es ist die Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht möglich.

Beachten Sie | Die Personenobergrenzen im Hinblick auf private Feierlichkeiten können kurzfristigen Änderungen durch länderspezifische oder lokale Vorgaben unterliegen. Verantwortlich Ausrichtende von privaten Feiern tun gut daran, sich entsprechend auf dem Laufenden halten.

Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 25.9.2020, 3 L 849/20.KO, Abruf-Nr. 218360 unter www.iww.de

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Sparbuch-Entwertung: Gelochtes Sparbuch: Kein Auszahlungsanspruch

| Das Amtsgericht (AG) Frankfurt a. M. hat entschieden: Ein gelochtes Sparbuch begründet die Vermutung, dass es bereits wegen Auszahlung des Sparbetrags entwertet wurde und ein Zahlungsanspruch gegen die Bank nicht mehr besteht. |

Im zugrunde liegenden Verfahren eröffnete die Klägerin im Jahr 2002 bei der beklagten Privatbank zwei Sparbücher. Im Dezember 2008 besuchte sie sodann eine Bankfiliale der Beklagten, woraufhin ihr rund 775 Euro auf eines der beiden Sparbücher als „Gutschrift“ übertragen wurden. Die Klägerin legte später das andere der beiden Sparbücher in einem gelochten Zustand bei der Bank vor und begehrte Auszahlung des Sparbuchbetrags von rund 875 Euro. Die Beklagte verweigerte dies jedoch mit der Begründung, dass das gelochte Sparbuch bereits am 10.12.2008 aufgelöst und ausgezahlt worden sei. Daraufhin erhob die Klägerin Klage auf Auszahlung des angeblichen Sparbetrags und Erstattung vorgerichtlich angefallener Rechtsanwaltskosten.

Das AG Frankfurt hat die Klage abgewiesen. Es war der festen Überzeugung, dass das nun vorgelegte, gelochte Sparbuch am 10.12.2008 aufgelöst und der Auszahlungsanspruch der Klägerin bereits am gleichen Tag durch Übertragung des Guthabens auf das zweite Sparbuch vollständig erfüllt worden sei. Hierfür spreche zum einen, dass der krumme Auszahlungsbetrag dem damaligen Sparguthaben (750 Euro) addiert um die Zinsbeträge entspräche, die der Klägerin bis dahin zugestanden hätten. Zum anderen sei der zuerkannte Betrag als „Gutschrift“ und nicht etwa „Einzahlung“ im Verwendungszweck beschrieben worden.

Des Weiteren sei es gängige Praxis, dass entwertete Sparbücher gelocht würden. Es sei zu unterstellen, dass die Klägerin (der das Sparbuch aufgrund ihres Alters noch als übliches Sparmedium bekannt sei) im Rahmen ihrer Allgemeinbildung wisse, dass ein gelochtes Sparbuch keine Gültigkeit mehr habe. Ihr Einwand, das Sparbuch selbst gelocht zu haben, um es besser abheften zu können, sei deshalb als nicht glaubhaft zu beurteilen. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle | AG Frankfurt a. M., Urteil vom 23.12.2019, 29 C 4021-19 (46), Abruf-Nr. 218363 unter www.iww.de; PM 14/20 vom 30.09.2020

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Reiserecht: Reiseveranstalter haftet bei falschen Angaben des Reisebüros über geltende Einreisebestimmungen

| Gerade in Corona-Zeiten gibt es viele Streitigkeiten rund um das Buchen von Reisen. Das Oberlandesgericht (OLG) Celle musste jetzt eher „klassische“ Fragen des Reiserechts beantworten, die sich aber auch auf spezielle „Corona-Probleme“ übertragen lassen. |

Nach der Entscheidung gilt: Der Reiseveranstalter muss sich alle inhaltlich falschen Erklärungen des Personals des von ihm mit der Vermittlung von Pauschalreisen betrauten Reisebüros etwa über Einreisebestimmungen am Zielort oder an einem Zwischenziel zurechnen lassen. Das gilt auch, wenn der dem Reisenden übergebene Reiseprospekt (oder ein vergleichbares elektronisches Dokument) in einem Anhang die zutreffenden Informationen erhält. Das OLG betont: Es gilt der Grundsatz des Vorrangs des gesprochenen Wortes. Hatte sich der Reisende zum Zeitpunkt der falschen mündlichen Erklärung noch nicht für ein bestimmtes Reiseziel entschieden, gilt das ebenso.

Quelle | OLG Celle, Urteil vom 06.08.2020, 11 U 113/19, Abruf-Nr. 218361 unter www.iww.de

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Verkehrsrecht

Verkehrsunfall: Fahrzeugdesinfektionskosten sind in Corona-Zeiten zu erstatten

| Auch die Kosten für die Fahrzeugdesinfektion (hier: rund 60 EUR) sind als Schaden nach einem Verkehrsunfall zu erstatten. So hat jetzt das Amtsgericht (AG) Heinsberg entschieden. Diese sei in Zeiten der Corona-Pandemie nach einer Kfz-Reparatur notwendig, da die Reparatur ein Berühren des Fahrzeugs durch Dritte erfordere. |

Das Urteil stellt damit inhaltlich auf die Notwendigkeit der Desinfektion ab und nicht nur auf das sogenannte Werkstattrisiko, wonach der Geschädigte keinen Einfluss hat, wie die Werkstatt abrechnet.

Quelle | AG Heinsberg, Urteil vom 4.9.2020, 18 C 161/20, Abruf-Nr. 217974 unter www.iww.de

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Verkehrsunfall: Wer haftet bei Verstoß gegen die Rückschaupflicht bei Abbiegevorgang?

| Biegt ein Vorausfahrender nach links ab, ohne zu blinken, und kollidiert er dabei mit einem überholenden Pkw, haftet er voll. Das hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) München klargestellt. |

Für das OLG stand folgender Sachverhalt fest: Die Fahrerin des den Unfall verursachenden Pkw fuhr auf einer 5,4 Meter breiten Fahrbahn rechtsorientiert und ohne den Fahrtrichtungsanzeiger zu setzen plötzlich unter Verletzung der zweiten Rückschaupflicht nach links, um in ein Grundstück abzubiegen. Sie hatte daher die höchste Sorgfaltspflicht zu erfüllen, die die Straßenverkehrsordnung (StVO) kennt. Der überholende und deutlich schnellere Pkw wäre bei Wahrnehmung der Rückschaupflicht jederzeit erkennbar gewesen.

Die Fahrerin räumte selbst ein, zunächst den hinter ihr befindlichen Pkw gesehen zu haben, kurz vor dem Abbiegevorgang aber nicht mehr darauf geachtet zu haben. Soweit sie angab, ca. drei Meter vor dem Abbiegen geblinkt zu haben, wäre das nicht rechtzeitig gewesen. Denn der hinter ihr befindliche Fahrer hätte sich hierauf nicht mehr einstellen können. Für ihn war der Unfall daher unvermeidbar.

Quelle | OLG München, Urteil vom 22.7.2020, 10 U 601/20, Abruf-Nr. 218365 unter www.iww.de

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Verkehrsunfall: Versicherer muss Versicherungsnehmer das Schadensgutachten zur Verfügung stellen

| Hat der Kaskoversicherer ein Schadensgutachten erstellen lassen, ist er verpflichtet, es dem Versicherungsnehmer zur Verfügung zu stellen. Das ergibt sich aus den gegenseitigen Treuepflichten des Versicherungsvertrags. Der Versicherer muss das Gutachten nur vorlegen, wenn der Versicherungsnehmer dies verlangt. So entschied jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Schleswig. |

Außerdem muss, so das OLG, für den Versicherer das verfolgte Ziel des Versicherungsnehmers ersichtlich sein. Das ist etwa der Fall, wenn der Versicherungsnehmer den Reparaturauftrag im vom Versicherer akzeptierten Umfang, also auf der Grundlage der gutachterlichen Feststellungen, erteilen möchte, oder die Werte kennen möchte, um ein Ersatzfahrzeug zu beschaffen und das Unfallfahrzeug zu verkaufen.

Quelle | OLG Schleswig, Urteil vom 13.7.2020, 16 U 137/19, Abruf-Nr. 217708 unter www.iww.de

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Alkohol im Straßenverkehr: MPU abgelehnt? Fahrradverbot!

| Das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt an der Weinstraße hat jetzt klargestellt: Bei einer Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,6 Promille ist Radfahren nicht mehr möglich. Weigert sich der Radfahrer, sich einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) zu seiner Fahrtauglichkeit und einer möglichen Alkoholproblematik zu unterziehen, kann er mit einem generellen Fahrrad-Fahrverbot belegt werden. |

Der Kläger war betrunken Fahrrad gefahren. Der Atemalkoholtest ergab 1,73 Promille, der spätere Bluttest 2,21 Promille Blutalkohol. Der Kläger wurde wegen einer Trunkenheitsfahrt im Straßenverkehr verurteilt. Die Fahrerlaubnisbehörde forderte den Kläger daraufhin auf, eine MPU zu absolvieren. Damit sollte er seine Fahreignung nachweisen. Das tat der Kläger nicht. Daraufhin untersagte ihm die Behörde, alle fahrerlaubnisfreien Fahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen.

Das wollte der Kläger nicht akzeptieren und klagte. Er sei zum ersten Mal mit seinem Fahrrad auffällig geworden. Für eine MPU fehlten ihm die finanziellen Mittel. Außenkontakte, Arztbesuche und die Betreuung seiner Mutter machten es unerlässlich, dass er sein Fahrrad nutze.

Das VG wies die Klage ab. Begründung: Die Fahrerlaubnisbehörde habe verhältnismäßig gehandelt und sei bei 1,6 Promille befugt, eine MPU anzuordnen. Dies gelte auch für Fahrräder. Ab dieser Blutalkoholkonzentration ist die allgemeine Fahreignung insgesamt fraglich, sodass eine MPU erforderlich sein kann. Dass der Kläger kein Geld für das Gutachten habe, sei irrelevant. Zwar erkenne das VG ein starkes Interesse daran an, dass der Kläger wichtige Dinge per Fahrrad erledigen wolle. Aber: Das öffentliche Interesse an der allgemeinen Verkehrssicherheit überwiege. Betrunkene Fahrradfahrer könnten ernsthafte Schäden verursachen.

Quelle | VG Neustadt an der Weinstraße, Urteil vom 12.8.2020, 1 K 48/20.NW, Abruf-Nr. 218366 unter www.iww.de

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Fehlendes Beweismittel: Kein Geld zurück: Defektes Auto vor dem Gerichtstermin verschrottet

| Das Amtsgericht (AG) München wies die Klage einer Käuferin gegen einen Autohändler auf Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 1.400 Euro gegen Rückgabe eines Pkw Mercedes-Benz ab, da diese das Auto vor dem Gerichtstermin verschrottet hatte. |

Die Klägerin kaufte bei einem Autohändler im Januar 2017 einen 16 Jahre alten Pkw Mercedes Benz mit aktueller TÜV-Plakette und einem Kilometerstand von rund 188.000 km für einen Preis von 1.400 Euro. Laut Kaufvertrag hatte der Pkw einen Unfallschaden und einen Defekt am linken Türschloss. Nach Fahrzeugübernahme zeigten sich bereits erste Mängel: ein Fehler am Kühler und die Ölanzeige ging nicht mehr aus. Daraufhin ersetzte der Beklagte den Kühler und führte einen Ölwechsel durch. Nach weiteren Reklamationen wurden Luftfilter und Luftmengenmesser gereinigt. Anschließend fuhr die Klägerin mit dem Pkw noch über 1.000 km. Nach zwei weiteren Monaten erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte die Rückabwicklung. Der Beklagte bot daraufhin an, den Luftfilter und -mengenmesser auszutauschen. Die Klägerin stellte das Fahrzeug in einem ADAC-Prüfzentrum vor mit dem Ergebnis, dass das Fahrzeug mängelbedingt nicht verkehrssicher sei. Die Klägerin verlangte nun anwaltlich, dass der Beklagte diese Mängel beheben müsse. Der Beklagte bot zwar eine Nachbesserung an, zu einer Reparatur kam es jedoch nicht mehr. Der Ehemann der Klägerin ließ das Fahrzeug verschrotten, ehe im Januar 2018 Klage erhoben wurde.

Der Beklagte behauptet, sowohl Luftfilter als auch Luftmengenmesser erneuert zu haben. Er bestreitet, dass der Pkw nicht verkehrssicher gewesen sei, dieser habe keine schwerwiegenden Mängel gehabt. Bei einer ersten Vorführung beim TÜV Ende 2016 sei festgestellt worden, dass die Achse links durchgerostet gewesen ist. Nach deren Austausch habe der TÜV bei der erneuten Vorstellung des Fahrzeugs nicht bemängelt, dass, wie später vom Prüfzentrum des ADAC behauptet, das Bodenblech, Holme an den Schwellen, Kraftfahrzeugbehälter oder/und Tankfüllrohr angerostet seien.

Ein Sachverständiger kam zu dem Ergebnis, dass einige dieser Roststellen mit äußerster Wahrscheinlichkeit bereits zum Kaufzeitpunkt vorhanden gewesen seien. Dies stehe im Widerspruch zur Hauptuntersuchung des TÜV, da ein Durchrosten der genannten Bleche nicht in kurzen Zeiträumen von bis zu zweit Monaten erwartbar sei. Darauf kam es hier aber nicht an.

Die Klägerin hat das Fahrzeug verschrotten lassen, obwohl sie wusste, dass sie einen Rechtsstreit über die Mangelhaftigkeit des Fahrzeuges führt. Zwar wird grundsätzlich zugunsten der Klägerin vermutet, dass die Durchrostung bereits bei Fahrzeugübergabe vorhanden war. Da das Gericht allerdings begründete Zweifel hat, dass wegen des TÜV-Berichts das Fahrzeug tatsächlich mangelhaft war und die Klägerin die Beweisführung vereitelt hat, kann dies hier nicht zulasten des Beklagten gehen. Daher bleibt es ausnahmsweise dabei, dass die Klägerin nachweisen muss, dass das Fahrzeug im Zeitpunkt der Übergabe mängelbehaftet war. Diesen Nachweis sah das Gericht nicht als erbracht an.

Das Urteil ist rechtskräftig nach Zurückweisung der Berufung.

Quelle | AG München, Urteil vom 23.8.2019, 173 C 1229/18, Abruf-Nr. 217935 unter www.iww.de; PM Nr. 42 vom 18.9.2020

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Steuerrecht

Arbeitnehmer: Firmenwagen mit Eigenanteil: Kein Werbungskostenabzug für Familienheimfahrten

| Immer wieder ein strittiges Thema: Ein Abzug von Aufwendungen für wöchentliche Familienheimfahrten bei einer doppelten Haushaltsführung ist auch dann ausgeschlossen, wenn dem Arbeitnehmer für die Überlassung eines Firmenwagens tatsächlich Kosten entstehen (im Streitfall: pauschale monatliche Zuzahlung zzgl. einer kilometerabhängigen Tankkostenzuzahlung). Da gegen diese Entscheidung des Finanzgerichts (FG) Niedersachsen die Revision anhängig ist, muss nun der Bundesfinanzhof (BFH) entscheiden. |

Der BFH hat bereits entschieden, dass ein Werbungskostenabzug bei unentgeltlicher Überlassung eines Firmenwagens mangels eigenen Aufwands ausgeschlossen ist.

Das FG hat nun für die (teil-)entgeltliche Überlassung nachgelegt. Auch hier verbleibt es bei dem Werbungskostenabzugsverbot im Sinne des Einkommensteuergesetzes.

Beachten Sie | Dabei orientierte sich das Finanzgericht u. a. am Wortlaut der entsprechenden Vorschrift: Der Gesetzgeber unterscheidet nicht zwischen unentgeltlicher und teilentgeltlicher Überlassung, sodass danach unter die Vorschrift alle Arten der Überlassung fallen.

Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 8.7.2020, 9 K 78/19 Abruf-Nr. 217520 unter www.iww.de; Revision BFH, VI R 35/20, Abruf-Nr. 217520 unterwww.iww.de; BFH, Urteil vom 28.2.2013, VI R 33/11

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Einkommensteuer: Prozesskosten wegen Baumängeln am Eigenheim keine außergewöhnlichen Belastungen

| Prozesskosten, die wegen Baumängeln bei der Errichtung eines selbst genutzten Eigenheims entstanden sind, sind nicht als außergewöhnliche Belastungen steuerlich abzugsfähig. Weder der Erwerb eines Einfamilienhauses noch Baumängel sind in diesem Sinne unüblich, so die Begründung des Finanzgerichts (FG) Rheinland-Pfalz. |

Aufwendungen für das Führen eines Rechtsstreits (Prozesskosten) sind nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) vom Abzug als außergewöhnliche Belastungen ausgeschlossen es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.

Im vorliegenden Fall beauftragten Eheleute ein Bauunternehmen, ein Zweifamilienhaus mit Unterkellerung auf einem in ihrem Eigentum stehenden Grundstück zu errichten. Wegen gravierender Planungs- und Ausführungsfehler gingen die Steuerpflichtigen gegen das Unternehmen gerichtlich vor und zahlten im Streitjahr Gerichts- und Rechtsanwaltskosten von rund 13.700 EUR. In ihrer Steuererklärung machten sie die Prozesskosten als außergewöhnliche Belastungen geltend und wiesen auf ihre extrem angespannte finanzielle Situation hin letztlich aber ohne Erfolg.

Das FG Rheinland-Pfalz stellte zwar fest, dass die mit den Gerichtsverfahren verfolgten Ansprüche für die Steuerpflichtigen von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung waren. Jedoch bestand für sie zu keiner Zeit die Gefahr, die Existenzgrundlage zu verlieren oder die lebensnotwendigen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen zu können. Das Baugrundstück war nicht lebensnotwendig und hätte notfalls verkauft werden können. Außerdem waren die Aufwendungen nicht außergewöhnlich. Denn der Erwerb eines Einfamilienhauses ist steuerlich ein Vorgang der normalen Lebensführung.

Beachten Sie | Auch Baumängel sind üblich, sodass Prozesskosten wegen solcher Mängel grundsätzlich nicht als außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden können.

Quelle | FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 7.5.2020, 3 K 2036/19, Abruf-Nr. 217027 unter www.iww.de; PM vom 22.7.2020

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Sonderausgaben: Bonuszahlungen der gesetzlichen Krankenkassen: Auswirkungen auf die Einkommensbesteuerung

| Die von einer gesetzlichen Krankenkasse gewährte Geldprämie (Bonus) für gesundheitsbewusstes Verhalten stellt auch bei pauschaler Ausgestaltung keine die Sonderausgaben mindernde Beitragserstattung dar. Dies gilt nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zumindest dann, wenn durch den Bonus ein konkret der Gesundheitsmaßnahme zuzuordnender finanzieller Aufwand des Steuerpflichtigen ganz oder teilweise ausgeglichen wird. |

Im vorliegenden Fall hatte ein gesetzlich krankenversicherter Steuerpflichtiger von seiner Krankenkasse Boni für „gesundheitsbewusstes Verhalten“ i. H. von 230 Euro erhalten. Er wies gegenüber seiner Krankenkasse einen Gesundheits-Check-up, eine Zahnvorsorgeuntersuchung, die Mitgliedschaft in einem Sportverein sowie ein gesundes Körpergewicht nach.

Das Finanzamt behandelte die Boni wegen der rein pauschalen Zahlung als Erstattung von Krankenversicherungsbeiträgen und minderte den Sonderausgabenabzug. Dagegen wertete das Finanzgericht (FG) Sachsen die Zahlungen als Leistungen der Krankenkasse, die weder die Sonderausgaben beeinflussen, noch als sonstige Einkünfte eine steuerliche Belastung auslösen.

Unter Fortentwicklung seiner bisherigen Rechtsprechung zur Behandlung von Bonuszahlungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB V, § 65a) nimmt der BFH hier eine differenzierte Betrachtung vor:

Auch pauschale Boni mindern nicht die Sonderausgaben und sind zudem nicht als steuerlich relevante Leistung der Krankenkasse anzusehen. Voraussetzung ist aber, dass die Maßnahme beim Steuerpflichtigen Kosten auslöst und die realitätsgerecht ausgestaltete Pauschale geeignet ist, den eigenen Aufwand ganz oder teilweise auszugleichen.

Der eigene Aufwand fehlt z. B. bei Schutzimpfungen oder der Zahnvorsorge, da diese Maßnahmen bereits vom Basiskrankenversicherungsschutz umfasst sind. Hier liegt eine den Sonderausgabenabzug mindernde Beitragserstattung der Krankenkasse vor. Gleiches gilt für Boni, die für den Nachweis eines aufwandsunabhängigen Verhaltens oder Unterlassens (z. B. gesundes Körpergewicht, Nichtraucherstatus) gezahlt werden.

Quelle | BFH, Urteil vom 6.5.2020, X R 16/18, Abruf-Nr. 217591 unter www.iww.de; PM Nr. 36/20 vom 27.8.2020

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Außergewöhnliche Belastungen: Gemeinsame Wohnung mit Lebensgefährten: Keine Kürzung des Unterhaltshöchstbetrags

| Leistungen von Eltern für den Unterhalt ihres in Ausbildung befindlichen Kindes, für das kein Anspruch auf Kindergeld (mehr) besteht, sind im Rahmen der gesetzlichen Höchstbeträge als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd zu berücksichtigen. Lebt das Kind mit einem Lebensgefährten, der über ausreichendes Einkommen verfügt, in einem gemeinsamen Haushalt, ist der Höchstbetrag nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht zu kürzen. |

Hintergrund: Der Unterhaltshöchstbetrag für 2020 beträgt 9.408 EUR zuzüglich übernommener Basisbeiträge der Kranken- und Pflegeversicherung. Anzurechnen sind jedoch die eigenen Einkünfte oder Bezüge der unterhaltenen Person, soweit diese 624 EUR jährlich übersteigen. Zudem darf die unterhaltene Person nur ein geringes Vermögen besitzen. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist ein Vermögen von mehr als 15.500 EUR grundsätzlich schädlich. Ein angemessenes Hausgrundstück bleibt jedoch außen vor.

Im Streitfall machten Eltern Unterhaltsaufwendungen für ihre studierende Tochter, die mit ihrem Lebensgefährten in einer gemeinsamen Wohnung lebte, steuermindernd geltend. Das Finanzamt erkannte diese jedoch nur zur Hälfte an, da auch der Lebensgefährte wegen der bestehenden Haushaltsgemeinschaft zum Unterhalt der Tochter beigetragen habe allerdings zu Unrecht, wie das Finanzgericht (FG) Sachsen und letztlich auch der BFH entschieden.

Eine Aufteilung des Unterhaltshöchstbetrags auf mehrere Personen kommt nur in Betracht, wenn jeder von ihnen gegenüber dem Unterhaltsempfänger gesetzlich unterhaltsverpflichtet ist oder der Unterhaltsempfänger einer unterhaltsberechtigten Person gleichgestellt ist. Dadurch soll sichergestellt werden, dass bei einer Unterhaltsgewährung durch mehrere Steuerpflichtige kein höherer Betrag anerkannt wird als bei der Gewährung durch eine Einzelperson.

Hier lagen im konkreten Fall die Voraussetzungen für eine Aufteilung des Höchstbetrags nicht vor. Dabei stellte der BFH u. a. darauf ab, dass zwischen den Partnern keine sozialrechtliche Bedarfsgemeinschaft bestand, die eine der gesetzlichen Unterhaltspflicht gleichzusetzende konkrete Beistandsverpflichtung des Lebensgefährten für die Tochter hätte begründen können. Denn diese war wegen ihrer eigenen Einnahmen und den Unterhaltsleistungen ihrer Eltern nicht hilfsbedürftig.

Es lagen auch keine Unterhaltsleistungen des Lebensgefährten vor, die als den Unterhaltshöchstbetrag mindernde eigene Bezüge der Tochter hätten angesetzt werden können, da er an die Tochter keine Unterhaltszahlungen geleistet hat. Vielmehr haben beide die Kosten des gemeinsamen Haushalts jeweils zur Hälfte getragen. Die Tochter hatte die Miete für die gemeinsame Wohnung aus den Unterhaltsleistungen ihrer Eltern bestritten und ihr Lebensgefährte die darüber hinausgehenden Kosten aufgewandt. Unerheblich ist insoweit, dass der Lebensgefährte die gemeinsame Wohnung angemietet hatte und damit alleiniger Schuldner des Vermieters war.

Verfügen unverheiratete Lebensgefährten in einem gemeinsamen Haushalt jeweils über auskömmliche finanzielle Mittel zur Deckung des eigenen Lebensbedarfs, gewähren sie sich einander keine Leistungen zum Lebensunterhalt. Vielmehr kommt jeder für den eigenen Lebensunterhalt (durch die Übernahme der hälftigen Haushaltskosten) auf. Woraus die „eigenen“ finanziellen Mittel stammen, insbesondere, ob es sich um (steuerbare) Einkünfte, Bezüge oder Unterhaltsleistungen Dritter handelt, ist insoweit unerheblich.

Quelle | BFH, Urteil vom 28.4.2020, VI R 43/17, Abruf-Nr. 217682 unter www.iww.de; PM Nr. 37/20 vom 3.9.2020

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Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht

Internationaler Wettbewerb: Madrid oder Mailand – Hauptsache Spanien: „Product of Italy“ für spanischen Schaumwein nicht irreführend

| Schaumwein aus in Italien geernteten und zu Wein verarbeiteten Trauben darf als Produkt aus Italien beworben werden, auch wenn die zweite Gärung und damit verbundene Verarbeitung des Grundweins zu Schaumwein in Spanien erfolgt. Die in der EU geforderte Herkunftsangabe knüpft entweder an das Land an, in dem die Trauben geerntet und zu Wein verarbeitet werden, oder aber das Land, in dem die zweite Gärung zu Schaumwein erfolgt. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main wies daher die Beschwerde eines Weinherstellers zurück. |

Die Antragstellerin betreibt eine große deutsche Weinkellerei. Die Antragsgegnerin vertreibt Schaumweine, u.a. den Schaumwein „Italian Rosé“, den sie als „Product of Italy“ bezeichnet. Die Trauben dieses Schaumweins werden in Italien geerntet, wo sie auch zu Wein verarbeitet werden. In einem zweiten Schritt werden diesem „Grundwein“ Likör und Zucker sowie Hefe zugesetzt. Dieser als „zweite Gärung“ bezeichnete Schritt findet in Spanien statt. Die Antragstellerin hält die Bewerbung des Schaumweins als „Product of Italy“ für irreführend und wettbewerbswidrig.

Das Landgericht hatte im Eilverfahren Unterlassungsansprüche der Antragstellerin gegen die geschilderte Bewerbung des Schaumweins zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Die Antragstellerin könne nicht verlangen, dass die Antragsgegnerin es unterlasse, den Schaumwein mit den streitgegenständlichen Angaben als italienisches Produkt zu bewerben, denn die Herkunftsangabe sei zutreffend.

Die Angabe der Herkunft stelle eine obligatorische Pflichtangabe für in der EU vermarkteten oder für die Ausfuhr bestimmten Schaumwein dar. Diese erfolge durch die Wörter „Wein aus“, „erzeugt in“, „Erzeugnis aus“ oder entsprechende Begriffe, wobei der Name des Mitgliedstaates oder Drittlandes hinzugefügt wird, „in dem die Trauben geerntet und zu Wein verarbeitet werden“. Hier würden die Trauben in Italien geerntet und auch dort zu Wein verarbeitet. Die zweite, in Spanien erfolgende Gärung ändere nichts an der in Italien erfolgten Traubenernte und Verarbeitung zu Wein i.S.d. einschlägigen Verordnung. Mit der Wendung „zu Wein verarbeitet“ sei auch nicht bereits das Endprodukt Schaumwein gemeint. Der Ort der zweiten Gärung könne vielmehr alternativ als Herkunftsangabe gewählt werden. Es sei auch nicht die Intention des Verordnungsgebers gewesen, dass ein Schaumwein nur dann als Produkt aus Italien bezeichnet werden dürfe, wenn nicht nur die Trauben von dort stammten und dort zu Grundwein verarbeitet worden seien, sondern auch der Schaumwein dort hergestellt worden sei. Die Verordnung ermögliche vielmehr die Anknüpfung an verschiedene Herstellungsprozesse und damit verbunden unterschiedliche Herkunftsangaben.

Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 11.9.2020, 6 W 95/20, Abruf-Nr. 218368 unter www.iww.de; PM vom 21.09.2020

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Arbeitgeber: Elektronische Lohnsteuerbescheinigung: Muster für 2021 veröffentlicht

| Der Jahreswechsel naht. Das Bundesfinanzministerium (BMF) hat das Muster für den Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung für das Kalenderjahr 2021 veröffentlicht. |

Beachten Sie | Der Ausdruck der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung kann vom amtlichen Muster abweichen, wenn er sämtliche Angaben in gleicher Reihenfolge enthält und in Format und Aufbau dem bekannt gemachten Muster entspricht.

Quelle | BMF, Bekanntmachung vom 9.9.2020, IV C 5 – S 2533/19/10030 :002, Abruf-Nr. 217778 unter www.iww.de

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Gesellschafter und Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften: Der Jahresabschluss 2019 ist bis Ende 2020 offenzulegen

| Offenlegungspflichtige Gesellschaften (insbesondere AG, GmbH und GmbH & Co. KG) müssen ihre Jahresabschlüsse spätestens zwölf Monate nach Ablauf des betreffenden Geschäftsjahres beim Bundesanzeiger elektronisch einreichen. Ist das Geschäftsjahr das Kalenderjahr, muss der Jahresabschluss für 2019 somit bis zum 31.12.2020 eingereicht werden. |

Beachten Sie | Auch Gesellschaften, die aktuell keine Geschäftstätigkeit entfalten, sowie Gesellschaften in Insolvenz oder Liquidation müssen offenlegen.

Kommt das Unternehmen dieser Pflicht zur Offenlegung verspätet oder lückenhaft nach, leitet das Bundesamt für Justiz ein Ordnungsgeldverfahren ein. Das Unternehmen wird aufgefordert, innerhalb einer sechswöchigen Nachfrist den gesetzlichen Offenlegungspflichten nachzukommen. Gleichzeitig droht das Bundesamt ein Ordnungsgeld an (regelmäßig in Höhe von 2.500 Euro). Sofern das Unternehmen der Aufforderung nicht entspricht, wird das Ordnungsgeld festgesetzt.

Ordnungsgeldandrohungen und -festsetzungen können so lange wiederholt werden, bis die Veröffentlichung erfolgt ist. Die Ordnungsgelder werden dabei schrittweise erhöht. Mit der Androhung werden den Beteiligten zugleich die Verfahrenskosten auferlegt. Diese entfallen nicht dadurch, dass der Offenlegungspflicht innerhalb der gesetzten Nachfrist nachgekommen wird.

Beachten Sie | Kleinstkapitalgesellschaften müssen nur ihre Bilanz (also keinen Anhang und keine Gewinn- und Verlustrechnung) einreichen. Zudem haben sie bei der Offenlegung ein Wahlrecht: Sie können ihre Publizitätsverpflichtung durch Offenlegung oder dauerhafte Hinterlegung der Bilanz erfüllen. Hinterlegte Bilanzen sind nicht unmittelbar zugänglich; auf Antrag werden diese kostenpflichtig an Dritte übermittelt.

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Freiberufler und Gewerbetreibende: Neue Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben (Sachentnahmen) 2020

| Durch das (Erste) Corona-Steuerhilfegesetz ist für nach dem 30.6.2020 und vor dem 1.7.2021 erbrachte Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen (mit Ausnahme von Getränken) der ermäßigte Umsatzsteuersatz anzuwenden. Und das wirkt sich auch auf die für das Jahr 2020 geltenden Pauschbeträge für unentgeltliche Wertabgaben (Sachentnahmen) aus. Das Bundesfinanzministerium hat nun eine Unterteilung in zwei Halbjahre vorgenommen. |

Hintergrund: Die Pauschbeträge bieten dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, Warenentnahmen monatlich pauschal zu verbuchen. Sie entbinden ihn damit von der Aufzeichnung vieler Einzelentnahmen.

Zu- oder Abschläge zur Anpassung an die individuellen Verhältnisse sind unzulässig. Wurde der Betrieb jedoch wegen einer landesrechtlichen Verordnung, einer kommunalen Allgemeinverfügung oder einer behördlichen Anweisung vollständig wegen der Corona-Pandemie geschlossen, kann ein zeitanteiliger Ansatz der Pauschbeträge erfolgen.

Quelle | BMF-Schreiben vom 27.8.2020, IV A 4 S 1547/19/10001 :001, Abruf-Nr. 217812 unter www.iww.de

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Wettbewerb: Wiederholte irreführende Werbung: Hohe Vertragsstrafe für Möbelhaus

| Das Landgericht (LG) Flensburg sah 30.000,- EUR als angemessene Vertragsstrafe an, da ein Möbelhaus wiederholt irreführend geworben und falsche Angaben zu seinen Verkaufsprodukten gemacht hatte. |

Das Möbelhaus war „Wiederholungstäter“: Es hatte schon zweimal irreführend für seine Produkte geworben und für seine Möbel die falsche Holzart angegeben. Nun ging es um den mittlerweile dritten Verstoß. Der Verband Sozialer Wettbewerb forderte eine Vertragsstrafe in o.g. Höhe.

Zu Recht, sagte das LG Flensburg. Die Vertragsstrafe sei noch angemessen, obwohl der jetzige Verstoß nur bei einem Möbel aus dem unteren Preissegment vorgelegen habe und dessen Auswirkung auf den Wettbewerb geringfügig gewesen sei. Das LG hob hervor: Der Wettbewerbsverband vertrete das Interesse seiner Mitglieder an der Einhaltung der Wettbewerbsregeln und die Beklagte habe die Wettbewerbsregeln mehrfach verletzt. Die bisherigen Vertragsstrafen seien ohne Wirkung geblieben.

Aus diesem Grund müsse die Vertragsstrafe das Unternehmen von einer weiteren Verletzung des Wettbewerbsrechts abhalten. Deren Höhe hänge auch von der Größe des Unternehmens und den aufzuwendenden Kosten zur Vermeidung von Wettbewerbsverstößen ab. Die Beklagte hatte im vorangegangenen Geschäftsjahr in Deutschland einen Umsatz in Höhe von 1,1 Milliarden Euro vorzuweisen. Damit schien dem LG eine wesentlich geringere Vertragsstrafe zur Einwirkung hier nicht geeignet. Die verhängte Vertragsstrafe führe auch nicht zu einer unverhältnismäßigen Belastung der Beklagten, so das LG.

Quelle | LG Flensburg, Urteil vom 10.7.2020, 6 HKO 42/19, Abruf-Nr. 218367 unter www.iww.de

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Abschließende Hinweise

Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 11/2020

| Im Monat November 2020 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |

Steuertermine (Fälligkeit):

  • Umsatzsteuer (Monatszahler): 10.11.2020
  • Lohnsteuer (Monatszahler): 10.11.2020

Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.

Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 13.11.2020. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.

Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):

Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden

Monats fällig, für den Beitragsmonat November 2020 am 26.11.2020.

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Berechnung der Verzugszinsen

| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten. |

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 beträgt -0,88 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 4,12 Prozent
  • für einen grundpfandrechtlich gesicherten Verbraucherdarlehensvertrag (§ 497 Abs. 1 BGB): 1,12 Prozent
  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 8,12 Prozent

Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).

Übersicht / Basiszinssätze

Zeitraum

Zinssatz

01.01.2020 bis 30.06.2020

-0,88 Prozent

01.07.2019 bis 31.12.2019

-0,88 Prozent

01.01.2019 bis 30.06.2019

-0,88 Prozent

01.07.2018 bis 31.12.2018

-0,88 Prozent

01.01.2018 bis 30.06.2018

-0,88 Prozent

01.07.2017 bis 31.12.2017

-0,88 Prozent

01.01.2017 bis 30.06.2017

-0,88 Prozent

01.07.2016 bis 31.12.2016

-0,88 Prozent

01.01.2016 bis 30.06.2016

-0,83 Prozent

01.07.2015 bis 31.12.2015

-0,83 Prozent

01.01.2015 bis 30.06.2015

-0,83 Prozent

01.07.2014 bis 31.12.2014

-0,73 Prozent

01.01.2014 bis 30.06.2014

-0,63 Prozent

01.07.2013 bis 31.12.2013

-0,38 Prozent

01.01.2013 bis 30.06.2013

-0,13 Prozent

01.07.2012 bis 31.12.2012

0,12 Prozent

01.01.2012 bis 30.06.2012

0,12 Prozent

01.07.2011 bis 31.12.2011

0,37 Prozent

01.01.2011 bis 30.06.2011

0,12 Prozent

01.07 2010 bis 31.12.2010

0,12 Prozent

01.01.2010 bis 30.06.2010

0,12 Prozent

01.07 2009 bis 31.12.2009

0,12 Prozent

01.01.2009 bis 30.06.2009

1,62 Prozent

01.07.2008 bis 31.12.2008

3,19 Prozent

01.01.2008 bis 30.06.2008

3,32 Prozent

01.07.2007 bis 31.12.2007

3,19 Prozent

01.01.2007 bis 30.06.2007

2,70 Prozent

01.07.2006 bis 31.12.2006

1,95 Prozent

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