Ausgabe 12/2025

Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 12/2025:

Arbeitsrecht

Baurecht

Familien- und Erbrecht

Mietrecht und WEG

Verbraucherrecht

Verkehrsrecht

Steuerrecht

Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht

Abschließende Hinweise

Zum Anfang



Arbeitsrecht

Impfverweigerung: Entfernung aus dem Dienst bei schwerer Treuepflichtverletzung eines Soldaten

| Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat die Berufung eines Hauptfeldwebels zurückgewiesen. Der Soldat hatte im Dezember 2021 einen Befehl zur Wahrnehmung eines Impftermins gegen COVID-19 verweigert und wurde wegen Gehorsamsverweigerung strafrechtlich verurteilt. In einem Personalgespräch im Oktober 2022 mit dem Kommandeur seines Bataillons erklärte er sinngemäß, dass sein Vertrauen in den Staat und die militärische Führung derart gestört sei, dass er sich an seinen Treueeid nicht mehr gebunden fühle und auch einem etwaigen Marschbefehl im Rahmen einer NATO-Verpflichtung nicht Folge leisten würde. Infolgedessen wurde der Hauptfeldwebel vorläufig vom Dienst suspendiert. Im Disziplinarverfahren ordnete das Truppendienstgericht seine Entfernung aus dem Dienst an. |

Bundesverwaltungsgericht bestätigt Truppendienstgericht

Das BVerwG hat die Entscheidung des Truppendienstgerichts bestätigt. Die aus Überzeugung erklärte Loslösung vom Treueeid und die glaubhafte Ankündigung der Gehorsamsverweigerung im Einsatzfall sind derart schwerwiegende Verletzungen gegen die Grundpflicht des Soldaten nach dem Soldatengesetz (hier: § 7 SG), der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen, dass im Regelfall die disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme geboten ist.

Personalgespräch durfte verwertet werden

Das BVerwG gelangte nach Vernehmung des Bataillonskommandeurs als Zeugen zu der Überzeugung, dass die erstmals im Berufungsverfahren ausdrücklich bestrittenen Äußerungen tatsächlich gefallen sind. Auch das von den Verteidigern des Soldaten angeführte Verbot der Verwertung von Verhören, die ohne ordnungsgemäße Belehrung durchgeführt worden sind, greift nicht ein. Denn das vom Hauptfeldwebel erbetene Personalgespräch war keine disziplinarrechtliche Vernehmung.

Das BVerwG sah auch keine ausreichenden Gründe, hier von der regelmäßig gebotenen Höchstmaßnahme abzusehen. Insbesondere lag bei dem Gespräch keine persönlichkeitsfremde Augenblickstat des Soldaten vor. Vielmehr lassen die übrigen in dem 80-minütigen Gespräch getätigten Aussagen des Hauptfeldwebels darauf schließen, dass der Widerruf des Treueeides und die Ankündigung der Gehorsamsverweigerung im Einsatzfall auf einer verfestigten inneren Haltung beruhten. Das Verhalten hatte auch erhebliche nachteilige Auswirkungen auf den Dienstbetrieb, weil der Hauptfeldwebel nicht mehr in dem Bataillon verbleiben konnte, das für die Very High Readiness Joint Task Force (VJFT) der NATO, d.h. für die schnelle Eingreiftruppe des nordatlantischen Bündnisses, eingeplant war.

Angesichts der Schwere dieser Dienstpflichtverletzung kam es nicht mehr entscheidend darauf an, inwieweit der Hauptfeldwebel durch die Verweigerung der COVID-19-Impfung noch eine weitere Pflichtverletzung begangen hat.

Quelle | BVerwG, Urteil vom 1.10.2025, 2 WD 30.24, PM 72/25

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Amtsärztliche Untersuchung: Täuschende Lehrerin wird nicht verbeamtet

| Das Land Nordrhein-Westfalen durfte einer Lehrerin die Verbeamtung versagen, weil sie bei der erforderlichen amtsärztlichen Überprüfung über ihren Gesundheitszustand getäuscht hat. Der Versagungsbescheid der Bezirksregierung Düsseldorf wegen berechtigter Zweifel an der charakterlichen Eignung der Lehrerin ist rechtmäßig. Dies hat das Verwaltungsgericht (VG) Gelsenkirchen entschieden. |

Lehrerin wollte Beamtin werden …

Die Klägerin war angestellte Lehrerin. Sie wollte verbeamtet werden. Im Zuge der hierfür notwendigen amtsärztlichen Untersuchung erklärte sie der zuständigen Amtsärztin, sie sei vor Kurzem zur Abklärung einer Bauchraumverhärtung operiert worden. Daraufhin forderte die Amtsärztin von der Klägerin weitere Unterlagen und wies sie darauf hin, sie könne ihre Erklärung über die Schweigepflichtentbindung auch widerrufen.

… verschwieg aber eine Operation

Dies tat die Lehrerin, vereinbarte aber sogleich einen neuen Termin bei demselben Gesundheitsamt für eine neue amtsärztliche Untersuchung. Diese fand bei einer anderen Amtsärztin statt. Ihr verschwieg die Klägerin die Operation sowie die Verhärtung, sodass die Amtsärztin ihr die für die Verbeamtung notwendige gesundheitliche Eignung attestieren wollte.

Täuschung fiel auf

Bevor es zur Verbeamtung kam, fiel die doppelte Untersuchung auf. Die zuständige Bezirksregierung Düsseldorf lehnte die Bewerbung der Klägerin unter Verweis auf ihre mangelnde charakterliche Eignung als Lehrerin ab.

Verhalten mit dem Leitbild einer Lehrerin nicht zu vereinbaren

Die Ablehnung erfolgte zurecht, wie das VG entschieden hat. Es sieht es als erwiesen an, dass die Lehrerin zu ihren Gunsten getäuscht hat, um die Bauchraumverhärtung zu verschweigen und so täuschungsbedingt ihre gesundheitliche Eignung zu erschleichen.

Dies ist mit dem Leitbild eines Lehrers, wie es die Bezirksregierung zulässigerweise formuliert, nicht zu vereinbaren. Lehrer stellen gerade auch in Ausübung ihrer Erziehungsfunktion ein Vorbild für aufrichtiges und regelkonformes Verhalten dar. Die Bezirksregierung hat dieses Leitbild zu Recht durch das Täuschungsmanöver der Klägerin als nachhaltig beschädigt angesehen.

Ihr Vortrag, sie erachte die Verhärtung für medizinisch irrelevant, ist nicht durchschlagend. Bereits die Ausführungen der ersten Amtsärztin mussten der Klägerin deutlich gemacht haben, dass die Verbeamtung auch von der Abklärung der Bauchraumverhärtung abhängen wird. Das VG sah in dem Verhalten eine arglistige Täuschung, die selbst bei erfolgter Verbeamtung den Tatbestand der notwendigen Rücknahme einer Ernennung erfüllt hätte.

Quelle | VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17.9.2025, 1 K 5204/24, PM vom 17.9.2025

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Bundesarbeitsgericht: Dank und Wünsche sind kein integraler Bestandteil von Arbeitszeugnissen

| Um Arbeitszeugnisse wird vor Gericht häufig gestritten. Zum Teil sind sich die Gerichte dabei uneinig. So auch in einem Fall, in dem das Bundesarbeitsgericht (BAG) ein „Machtwort“ gesprochen hat. |

Das war geschehen

Ein Arbeitnehmer, dem in seinem Arbeitszeugnis ein einwandfreies Verhalten und leicht überdurchschnittliche Leistungen attestiert wurden, meinte, auch einen Rechtsanspruch auf den Ausspruch von Dank und guten Wünschen für die Zukunft zu haben. Da der Arbeitgeber dem nicht folgte, klagte der Arbeitnehmer.

So entschied das Landesarbeitsgericht

Das Landesarbeitsgericht (LAG) hatte in der Vorinstanz entschieden, der Arbeitnehmer habe Recht, soweit dem nicht im Einzelfall berechtigte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen. Das folge aus dem sog. Rücksichtnahmegebot des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 241 Abs. 2 BGB). Dieses konkretisiere die Leistungspflicht zur Zeugniserteilung.

So sah es das Bundesarbeitsgericht

Das BAG lehnte diese Sichtweise ab. Der Arbeitnehmer habe keinen Anspruch auf die Aufnahme einer persönlichen Schlussformel in einem Arbeitszeugnis. Denn die Meinungs- und Unternehmerfreiheit des Arbeitgebers wiege schwerer als die Berufsausübungsfreiheit des Arbeitnehmers.

Wäre eine Dankes- und Wunschformel ein notwendiger Bestandteil eines qualifizierten Arbeitszeugnisses, müssten Arbeitgeber innere Gedanken und Gefühle äußern, die den aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidenden Arbeitnehmer betreffen. Aufgrund der verfassungsrechtlich garantierten negativen Meinungsfreiheit könnten Arbeitgeber aber nach Auffassung des BAG nicht gezwungen werden, Dank und gute Wünsche zu äußern, wenn sie hierzu lieber schweigen wollten.

Quelle | BAG, Urteil vom 25.1.2022, 9 AZR 146/21, Abruf-Nr. 229365 unter www.iww.de

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Zeugniswahrheit: Arbeitszeugnis: Streit um das Ausstellungsdatum

| Ein Arbeitszeugnis muss das Datum tragen, das dem Tag der tatsächlichen Ausfertigung entspricht und darf das auch. So entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln. |

Arbeitszeugnis rückdatiert

In einem gerichtlichen Vergleich einigten sich die Parteien auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 28.2.23 und auf die Erteilung eines Arbeitszeugnisses mit der Note „gut“. Der Arbeitgeber erteilte das Zeugnis, das aber ein Datum aus April 2023 trug. Dagegen klagte der Arbeitnehmer. Er begehrte die Erteilung eines Zeugnisses mit Datum vom 28.2.2023, denn zu diesem Zeitpunkt sei das Arbeitsverhältnis beendet worden.

Landesarbeitsgericht: Grundsatz der Zeugniswahrheit gewahrt

Das LAG: Das Datum des Zeugnisses entspreche dem Grundsatz der Zeugniswahrheit. Insbesondere hätten sich die Parteien im Vergleich nicht auf ein Zeugnisdatum geeinigt oder gar auf eine bestimmte Formulierung. Der Abstand von höchstens acht Wochen zwischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Erteilung des Zeugnisses lasse nicht den Schluss zu, dass eine gerichtliche Auseinandersetzung der Grund für eine verzögerte Ausstellung gewesen sein müsse.

Das LAG Köln weiter: Das zusätzlich vorgebrachte Argument, der Zeitpunkt für die Beurteilung der Leistung und des Verhaltens des Arbeitnehmers sei der letzte Arbeitstag, überzeuge nicht. Das Verhalten an diesem letzten Arbeitstag könne noch Gegenstand der Beurteilung sein. Die Fälligkeit des Zeugnisanspruchs tritt erst ein, wenn der Arbeitnehmer sein Wahlrecht einfaches oder qualifiziertes Zeugnis ausgeübt habe. Hier hatte er nicht einmal vorgetragen, wann er die Erteilung eines Zeugnisses erstmals erbeten habe.

Quelle | LAG Köln, Urteil vom 5.12.2024, 6 SLa 25/24, Abruf-Nr. 246510 unter www.iww.de

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Baurecht

Architektenhonorar: Anrechenbare Kosten ergeben sich nicht bereits bei Auftragserteilung

| Anrechenbare Kosten, die im Rahmen eines Verfahrens nach der Vergabeverordnung (VgV-Verfahren) festgesetzt sind und dort als Kostenschätzung bezeichnet wurden, darf der Auftraggeber später nicht der Honorarberechnung zugrunde legen. Denn die definitiven anrechenbaren Kosten ergeben sich erst in der Kostenberechnung in der Leistungsphase 3. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln klargestellt. |

Darum ging es

Anlässlich der Abrechnung eines Generalplanungsauftrags für die Leistungsphasen 1 bis 3 meinte der Auftraggeber, dass die im VgV-Verfahren genannte Honorarsumme (= seine „Kostenschätzung“) bindend war und damit praktisch ein Pauschalhonorarvertrag vorlag. Der Planer dagegen behauptete, dass sich die anrechenbaren Kosten nach Vertrag (und der als Vertragsbestandteil genannten HOAI) erst aus der Kostenschätzung bzw. Kostenberechnung ergeben.

Kostenschätzung maßgeblich

Das OLG Köln gab dem Planer Recht. Die Parteien hätten im Planungsvertrag vereinbart, dass die Regeln der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) die Abrechnungsgrundlage für die Honorare bilden.

Nach HOAI werden die anrechenbaren Kosten tatsächlich erst nach Auftragserteilung durch die Kostenschätzung (vorläufige anrechenbare Kosten) bzw. die Kostenberechnung (endgültige anrechenbare Kosten) gebildet. Daran ändere sich auch nichts, wenn im Auftragsschreiben eine feste Honorarsumme angegeben worden sei oder der öffentliche Auftraggeber von Anfang an eindeutig darauf hingewiesen habe, dass für ihn diese Kosten die endgültige Bemessungsgrundlage für das Honorar darstellen sollen.

Quelle | OLG Köln, Urteil vom 9.7.2025, 11 U 59/24, Abruf-Nr. 249139 unter www.iww.de

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Kündigungsvergütung: Auf Architektenhonorar für nicht erbrachte Leistungen fallen Verzugszinsen an

| Das Landgericht (LG) Koblenz hat entschieden: Architekten können für den Honorarteil, der auf nicht mehr erbrachte Leistungen entfällt, Verzugszinsen beanspruchen. |

Das war geschehen

Im konkreten Fall war ein Architekturbüro mit Generalplanungsleistungen beauftragt worden. Im Zuge der Vertragsdurchführung kam es zum Streit zwischen den Parteien aufgrund angepasster Bauzeitenpläne. Der Auftraggeber kündigte den Vertrag.

Das Architekturbüro ging vor Gericht. Es verlangte nicht nur Honorar für erbrachte und nicht mehr erbrachte Leistungen, sondern machte auch Verzugszinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz geltend, auch bezogen auf den Honoraranteil für nicht erbrachte Leistungen.

Landgericht architektenfreundlich

Das LG sprach dem Büro die Verzugszinsen zu. Es kam zum Ergebnis, dass die Kündigungsvergütung für nicht erbrachte Leistungen als Entgelt i. S. d. Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 288 Abs. 2 BGB) anzusehen sei. Dies ergebe sich aus einer systematischen Auslegung der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Dort hatte der EuGH die Kündigungsvergütung für nicht erbrachte Leistungen als Entgelt und damit als umsatzsteuerpflichtig qualifiziert.

Quelle | LG Koblenz, Urteil vom 11.7.2025, 8 O 119/23, Abruf-Nr. 249277 unter www.iww.de

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Vergütungsanspruch: Bauhandwerkersicherung: Auch Zeithonorar-Vertrag ist absicherbar

| Zur schlüssigen Darlegung eines nach Zeitaufwand abzurechnenden Vergütungsanspruchs bedarf es grundsätzlich nur der Angabe der für die Vertragsleistung aufgewendeten Stunden. Das Verlangen auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 650f BGB) ist nicht schon deshalb unwirksam, weil die tatsächlich abgerechneten Stunden etwa doppelt so hoch waren wie die zunächst geschätzten. Das hat das Landgericht (LG) Frankfurt entschieden. |

Alle Leistungen sollte mit Zeithonorar vergütet werden

Im Fall des LG war ein Architekt u. a. mit der Erbringung von Innenarchitektenleistungen beauftragt worden. Alle Leistungen sollten im Zeithonorar vergütet werden. Die zu erwartenden Stunden waren vor Vertragsschluss auf 371,5 Stunden beziffert worden.

Nach einem halben Jahr kam es zum Streit. Der Architekt kündigte aus wichtigem Grund und stellte die Schlussrechnung. Die belief sich auf 85.000 Euro netto und umfasste nicht die vertraglich angenommenen 371 Stunden, sondern 708 Stunden zu je 120 Euro netto.

Der Auftraggeber zahlte nicht. Also stellte der Architekt einen Antrag auf Stellung einer Bauhandwerkersicherung nach § 650f BGB in Höhe des streitigen Betrags. Auch die verweigerte der Auftraggeber. Es ging vor Gericht.

Landgericht architektenfreundlich

Das LG entschied zugunsten des Architekten. Zur schlüssigen Darlegung eines nach Zeitaufwand abzurechnenden Vergütungsanspruchs bedarf es grundsätzlich lediglich der Angabe der aufgewendeten Stunden. Es bedarf regelmäßig nicht der Vorlage von Stundennachweisen oder der Differenzierung, welche Zeit für welche Leistung aufgewendet wurde.

Und: Ein Sicherheitsverlangen ist nicht schon deshalb unwirksam, weil die tatsächlich abgerechneten Stunden etwa doppelt so hoch sind wie die zunächst geschätzten.

Quelle | LG Frankfurt a. M., Urteil vom 31.10.2024, 2-32 O 13/24

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Familien- und Erbrecht

Anerkennung: Ehe von syrischem Scharia-Gericht festgestellt: Gültigkeit auch in Deutschland

| Ein syrisches Scharia-Gericht hatte festgestellt, dass eine Ehe geschlossen worden war. Dies ist, so das Berliner Kammergericht (KG), auch in Deutschland anzuerkennen. |

Das war geschehen

Ein syrisches Paar, das heute in Deutschland lebt, versprach sich, als es noch auf dem Weg nach Deutschland war, in der Türkei vor einem Imam die Ehe. Einige Jahre später suchten sie den türkischen Imam erneut auf und heirateten offiziell.

Später bestätigte das Scharia-Gericht in Damaskus die Eheschließung. Das Paar wurde als Ehepaar ins syrische Heiratsregister eingetragen.

Das sagten Amts- und Kammergericht

In Deutschland wurde ihre Ehe jedoch vom Amtsgericht (AG) zunächst nicht anerkannt. Das KG vertrat in zweiter Instanz allerdings eine andere Ansicht: Nach dem syrischen Familienrecht sei diese Feststellung des Scharia-Gerichts bindend. Damit lägen alle Voraussetzungen einer Eheschließung vor.

Die Ehe sei nämlich nicht aus einer bloßen privaten Zeremonie hervorgegangen, bei der staatliche Stellen nur mitgewirkt hätten. Vielmehr stellten im syrischen System der Familiengerichtsbarkeit erstinstanzlich Scharia-Gerichte das Bestehen einer Ehe verbindlich fest.

Kein Widerspruch zu deutschem Recht

Nach syrischem Recht genüge es, wenn die Heiratswilligen nur einen Ehevertrag schließen. Weder der Staat noch Geistliche müssten daran mitwirken. Die Ehe widerspreche auch nicht deutschem Recht: Das Scharia-Gericht habe alle Voraussetzungen der Eheschließung rechtlich geprüft. Auch, dass die Ehefrau zurzeit der Eheschließung minderjährig war, stehe dem nicht entgegen. Die Ehe sei zwar aufhebbar, aber nicht unwirksam. Die Ehefrau sei heute noch immer mit ihrem Mann verheiratet und wolle dies auch fortsetzen. Daher sprächen Gründe des Minderjährigenschutzes nicht dafür, die Ehe aufzuheben.

Quelle | KG, Beschluss vom 22.7.2025, 1 VA 36/24

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Auskunftsersuchen: Ungekürztes deutsches Kindergeld bei fehlender Mitwirkung der ausländischen Verbindungsstelle

| Die Familienkasse muss das Kindergeld für ein in Deutschland lebendes Kind in voller Höhe auszahlen, wenn sie keine Auskunft der ausländischen Verbindungsstelle darüber erhält, ob für das Kind Ansprüche auf Familienleistungen nach ausländischem Recht bestehen. So entschied es das Finanzgericht (FG) Köln. |

Auskunftsersuchen blieb ohne Antwort

Die Klägerin, eine deutsche Staatsangehörige, beantragte bei der Familienkasse Kindergeld für das bei ihr lebende Kind, das ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Vater des Kindes ist ein Angehöriger der britischen Armee. Die Familienkasse zahlte lediglich einen Unterschiedsbetrag zum britischen Kindergeld („Child benefit“) aus, da sie davon ausging, dass für den Kindsvater ein vorrangiger Anspruch auf britische Familienleistungen bestehe. Auskunftsersuchen der Familienkasse an die britische Verbindungsstelle blieben für die von der Klage erfassten Kindergeldmonate unbeantwortet.

Klage war erfolgreich

Die auf Zahlung des vollen Kindergelds gerichtete Klage hatte Erfolg. Das FG entschied, dass von der Klägerin nicht verlangt werden könne, weitere Auskunftsersuchen abzuwarten und damit eine faktisch endgültige Kürzung der Familienleistungen hinzunehmen.

Die Anspruchsvoraussetzungen nach nationalem Recht lägen unstreitig vor. Die nach Europarecht nachrangig zuständige Familienkasse müsse Kindergeld nach nationalen Vorschriften in voller Höhe zahlen, wenn aufgrund fehlender Mitwirkung des ausländischen Trägers nicht zweifelsfrei geklärt werden könne, ob ein den deutschen Kindergeldanspruch ausschließender Anspruch auf ausländische Familienleistungen bestehe.

Quelle | FG Köln, Urteil vom 23.5.2025, 14 K 950/22, PM vom 27.10.2025

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Todesdrohungen: Häusliche Gewalt kann alleiniges Sorgerecht der Mutter rechtfertigen

| Das Oberlandesgericht (OLG) OLG Frankfurt a. M. hat entschieden: Häusliche Gewalt, Nachstellungen und Bedrohungen des Vaters gegen die Mutter können die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf die Mutter rechtfertigen. |

Mutter hatte das alleinige Sorgerecht

Die geschiedenen Eltern haben zwei neun und fünf Jahre alte Kinder. Diese leben seit der Trennung der Eltern bei der Mutter. Gegen den Vater bestanden Näherungs- und Kontaktverbote. Auf Antrag der Mutter wurde ihr die alleinige elterliche Sorge übertragen. Hiergegen richtete sich eine erfolglose Beschwerde des Vaters.

Es sind alle für und gegen die gemeinsame Sorge sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen: Hier gibt es zwischen den Eltern keine tragfähige soziale Beziehung. Der Vater hat die Mutter körperlich angegriffen und verletzt und sie wiederholt mit dem Tode bedroht. Der Mutter ist es unzumutbar, sich mit dem Vater regelmäßig in sorgerechtlichen Fragen abzustimmen.

Kindeswille zu beachten

Der Wille der Kinder, die sich auch für das alleinige Sorgerecht der Mutter ausgesprochen haben, ist zu beachten. Mildere, gleich effektive Mittel, als eine Übertragung der elterlichen Sorge allein auf die Mutter, gibt es hier nicht.

Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 10.9.2024, 6 UF 144/24, Abruf-Nr. 244079 unter www.iww.de

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Formerfordernis: Testament: Eine Kopie ist kein Original

| Das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken hat entschieden, dass die Kopie eines Testaments nicht als wirksame letztwillige Verfügung angesehen werden kann, wenn Zweifel an der wirksamen Errichtung des „Original-Testaments“ verbleiben. |

Erbschein mit Testamentskopie verlangt

Die ehemalige Lebensgefährtin des Verstorbenen wollte einen Erbschein erteilt bekommen, der sie als Alleinerbin ausweist. Zur Begründung ihres Anliegens berief sie sich auf ein handschriftlich erstelltes und unterzeichnetes Testament des Verstorbenen. Allerdings lag dieses Testament lediglich als Kopie vor.

Zeugen angehört

Das Amtsgericht (AG) hörte zum Zustandekommen, zur Errichtung und zum Inhalt dieses Testaments zwei Zeuginnen an. Diese gaben an, dabei gewesen zu sein, als der Verstorbene das „Original-Testament“ geschrieben habe. Trotz dieser Aussagen wies das AG den Antrag der ehemaligen Lebensgefährtin zurück und erteilte ihr keinen Erbschein, der sie als Alleinerbin auswies.

Oberlandesgericht: Original vorzulegen

Das OLG hat die Entscheidung des AG bestätigt und u. a. ausgeführt, dass zum Nachweis eines testamentarischen Erbrechts grundsätzlich das Testament im Original vorzulegen sei, auf das das Erbrecht gestützt werde. Ist das Original des Testaments jedoch ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden, verloren gegangen oder sonst nicht auffindbar, könne ausnahmsweise auch eine Kopie des Testaments zum Nachweis des Erbrechts ausreichen. Hierfür gelten jedoch, so das OLG, hohe Anforderungen. Der Nachweis setze voraus, dass die Wirksamkeit des „Original-Testaments“ bewiesen werden könne. Die Errichtung, die Form und der Inhalt des Testaments müssen so sicher nachgewiesen werden, als hätte die entsprechende Urkunde dem Gericht tatsächlich im Original vorgelegen. Im konkret zu entscheidenden Fall seien auch nach Anhörung der Zeugen einige Zweifel an der Wirksamkeit des „Original-Testaments“ verblieben. Deshalb könne aus der Kopie des Testaments das Erbrecht der ehemaligen Lebensgefährtin nicht abgeleitet werden.

Zeugenaussagen problematisch

Dem OLG erschien es bereits ungewöhnlich, dass der Verstorbene seine Bekannten zum Essen zu sich nach Hause eingeladen habe und ohne Ankündigung und Begründung plötzlich sein Testament in deren Gegenwart errichtet habe. Zudem hätten die Zeuginnen bereits die genauen Umstände der Testamentserrichtung unterschiedlich geschildert. Sie seien sich zwar darin einig gewesen, dass das Testament während eines gemeinsamen Abendessens vom Verstorbenen innerhalb einer halben Stunde in ihrer Anwesenheit geschrieben und laut vorgelesen worden sei. Während eine Zeugin jedoch berichtet habe, dass die ehemalige Lebensgefährtin währenddessen in der Küche gekocht habe, habe die andere Zeugin dagegen geschildert, dass die Anfertigung des Testaments erst nach dem Essen stattgefunden habe.

Weiter spreche der Inhalt des Testaments gegen die von den beiden Zeuginnen geschilderten Umstände des Zustandekommens. Das Testament sei mehrere Seiten lang, beinhalte mehrere Begünstigte, konkrete Daten mehrerer Rentenversicherungen und verschiedene Kontonummern. In dieser Situation seien die Aussagen, dass der Verstorbene das Testament ohne Zuhilfenahme von Vertragsunterlagen oder Ähnlichem geschrieben habe, wenig plausibel.

Schließlich habe auch keine der beiden Zeuginnen geschildert, gesehen zu haben, dass der Verstorbene das beim Abendessen errichtete Schriftstück auch eigenhändig unterschrieben habe. Dies wäre aber erforderlich, um zur Überzeugung der Errichtung eines formwirksamen Testaments gelangen zu können.

Alle diese Umstände würden dazu führen, dass das OLG nicht sicher überzeugt gewesen sei, dass das beim Abendessen verfasste Schriftstück mit der für ein Testament erforderlichen Endgültigkeit und die Rechtsverbindlichkeit vom Verstorbenen abgefasst worden sei.

Quelle | OLG Zweibrücken, Beschluss vom 7.8.2025, 8 W 66/24, PM vom 17.9.2025

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Mietrecht und WEG

WEG-Recht: Kappen einer Scheinzypresse ohne Beschluss

| Auch Anpflanzungen sind bauliche Anlagen im Sinne des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG.) Jede Veränderung bedarf eines Beschlusses. Fehlt dieser, kann jeder Eigentümer bei eigenmächtigem Vorgehen Wiederherstellung bzw. Wiederanpflanzung verlangen. So hat es das LG Hamburg entschieden. |

Eigentümer entastete Pflanze

Ein Wohnungseigentümer hatte während der Urlaubsabwesenheit des Miteigentümers eine im Eingangsbereich stehende Scheinzypresse vollständig entastet. Weder lag ein Beschluss noch eine Berechtigung aus der Teilungserklärung vor.

Das AG wies die Klage auf Wiederherstellung mit der Begründung ab, der Baum sei krank gewesen. Das LG Hamburg bejahte nach Beweisaufnahme den Anspruch. Die Entastung habe Sichtschutz und Gesamteindruck der Anlage wesentlich verändert und stelle eine bauliche Veränderung dar.

Das müssen Eigentümer wissen

Gärtnerische Maßnahmen, z. B. Setzen, Rückschnitt oder Entfernen von Pflanzen, fallen nicht eindeutig unter Gebrauch oder Erhaltung. Maßgeblich ist, ob das äußere Erscheinungsbild der Anlage betroffen ist. Das Fällen oder Kappen eines prägenden Baums stellt regelmäßig eine bauliche Veränderung dar. Nur wenn die Maßnahme zur Schadensvermeidung erforderlich ist, liegt Erhaltung vor. Eigenmächtige Eingriffe ohne Beschluss sind unzulässig und können Wiederherstellungsansprüche auslösen.

Quelle | LG Hamburg, Urteil vom 14.3.2025, 318 S 39/23

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Kurbeitragssatzung: Pflicht von Vermietern zur Ausgabe einer elektronischen Gästekarte an Kurgäste rechtswidrig

| Die Regelung in Kurbeitragssatzungen, dass Beherbergungsbetriebe an ihre Gäste eine elektronische Kurkarte auszugeben haben, ist mangels gesetzlicher Grundlage rechtswidrig. Das hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) mit zwei Urteilen vom 30.6. und 3.7.2025 entschieden. |

Keine Rechtsgrundlage für Regelungen?

Die Antragstellerin vermietet jeweils Ferienwohnungen an Kurgäste. Mit ihren Normenkontrollanträgen wendet sie sich gegen die in den Kurbeitragssatzungen dieser Gemeinden enthaltenen Regelungen, wonach die örtlichen Beherbergungsbetriebe an ihre Gäste eine elektronische Gästekarte ausgeben und freischalten sollen. Die Antragstellerin macht geltend, hierfür gebe es keine Rechtsgrundlage; dieser Mangel führe jeweils zur Unwirksamkeit der gesamten Satzung.

Erschwernis im Betriebsablauf

Der BayVGH hat nun entschieden, dass die Regelungen zur Ausgabe einer elektronischen Gästekarte rechtswidrig und damit unwirksam sind. Aus den angegriffenen Regelungen ergebe sich eine rechtliche Verpflichtung der Beherbergungsbetriebe, die nicht lediglich freiwillig in das Ausgabeverfahren einbezogen würden. Insbesondere für Betriebe ohne ortsansässige Niederlassung, wie im Fall der Antragstellerin, stelle die Pflicht zur Ausgabe der Karte eine Erschwernis im Betriebsablauf dar. Für diesen Eingriff fehle es an der erforderlichen Rechtsgrundlage im Kommunalabgabengesetz.

Kurkarte ist eigenständige Leistung

Die Ausstellung einer elektronischen Gästekarte sei nicht nur der Nachweis für eine Beherbergung und auch keine bloße „Quittung“ für die Kurbeitragserhebung. Die Ausstellung der Karte stelle vielmehr eine eigenständige Leistung dar, die Zugang zu einer Reihe von Preisvorteilen für Freizeitangebote in der Region verschaffe.

Die Unwirksamkeit der Verpflichtung zur Ausstellung einer solchen Gästekarte durch die Beherbergungsbetriebe führe aber nicht zur Unwirksamkeit der gesamten Satzung und stehe daher nicht der Erhebung eines Kurbeitrags entgegen. Der Erhalt der Karte liege primär im Interesse der Kurgäste. Die Gemeinden seien nicht gehindert, die elektronische Gästekarte zur Angebotsnutzung auf andere Weise auszustellen.

Quelle | BayVGH, Urteil vom 30.6.2025, 4 N 23.1974; BayVGH, Urteil vom 3.7.2025, 4 N 23.1980, PM vom 8.7.2025

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Räumungsklage: Kein Widerrufsrecht bei in der Wohnung geschlossenem Mietaufhebungsvertrag

| Das Landgericht (LG) Berlin hat jetzt entschieden: Ein in der Wohnung geschlossener Mietaufhebungsvertrag ist nicht widerruflich, wenn der Mieter darin nur zur Rückgabe der Wohnung verpflichtet wird. Die Pflicht zur Räumung stellt keine Zahlungspflicht dar und begründet kein Widerrufsrecht. |

Mieterin verlangte Rückgabe der Wohnung, Vermieter bestand auf Räumung

Ein in der Wohnung geschlossener Mietaufhebungsvertrag sah die Rückgabe der Mietsache in ordnungsgemäßem Zustand vor. Vorgesehen war eine Zahlung des Vermieters von 15.000 Euro nach vollständiger Räumung. Die Mieterin erklärte nach Übergabe der Wohnung den Widerruf nach § 355 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und verlangte deren Rückgabe. Die Rückgabe stelle eine entgeltliche Leistung dar; der Vertrag sei außerhalb von Geschäftsräumen zustande gekommen und enthalte keine Widerrufsbelehrung. Der Vermieter erhob erfolgreich Räumungsklage.

Landgericht: Pflicht zur Wohnungsrückgabe keine entgeltliche Leistung

Das LG: Ein Widerrufsrecht nach § 355 BGB bestand nicht. Der Aufhebungsvertrag begründete keine Zahlungspflicht im Sinne des § 312 Abs. 1 BGB. Die Pflicht zur Rückgabe der Wohnung stellt keine entgeltliche Leistung dar.

Auch die Zahlung eines Betrags durch den Vermieter ändere daran nichts, so das LG. Sie sei nicht Gegenleistung für eine entgeltliche Leistung des Mieters, sondern Teil der einvernehmlichen Vertragsbeendigung. Der Aufhebungsvertrag sei daher kein Verbrauchervertrag im Sinne des § 312 BGB. Ein außerhalb von Geschäftsräumen geschlossener Aufhebungsvertrag unterfalle nur den Widerrufsvorschriften, wenn der Verbraucher zu einer Zahlung eines Preises verpflichtet werde. Das sei hier nicht der Fall. Der Mietaufhebungsvertrag sei daher wirksam.

Quelle | LG Berlin II, Urteil vom 19.2.2025, 67 S 213/24

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Verbraucherrecht

Gegen Elternwillen: „Progress-Pride“-Flagge darf im Grundschulhort hängen

| Die „Progress-Pride“-Flagge darf im Hort einer Grundschule hängen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin entschieden. |

Eltern verlangten, Fahne zu entfernen

Kläger sind die Eltern und ihre Tochter, eine Schülerin einer Berliner Grundschule, die auch den Schulhort besucht. In einem der Horträume hängt an der Wand eine selbstgemalte „Progress-Pride“-Flagge in etwa der Größe DIN A3, wobei sich auf der linken Seite der Flagge ein Keil in den Farben rosa, hellblau, weiß, schwarz und braun sowie ein gelbes Dreieck mit lila Kreis befindet. Diese Flagge wird allgemein als „Progress-Pride“-Flagge in der interinklusiven Version bezeichnet. Die Kläger hatten die Schule dazu aufgefordert, die Flagge aus dem Hort zu entfernen, was diese abgelehnt hat. Dagegen richtete sich u.a. die Klage der Eltern, die geltend machten, das staatliche Neutralitätsgebot sei verletzt. Die „Progress-Pride“-Flagge beeinflusse die Kinder in unzulässiger Weise.

Flagge als Symbol für Recht zur freien Identitätsbildung

Das VG hat die Klage abgewiesen. Die Flagge dürfe im Hort hängen.

Das staatliche Neutralitätsgebot verlange nicht, dass im erzieherischen Bereich auf die Darstellung wertender Inhalte verzichtet werde. Die Grenze zur unzulässigen politischen Indoktrinierung sei im vorliegenden Kontext nicht überschritten. Soweit die streitgegenständliche Flagge das Selbstverständnis bestimmter Gruppen und deren Recht zur freien Identitätsbildung symbolisiere, sei sie mit verfassungsrechtlichen und auch schulgesetzlichen Vorgaben vereinbar. Insbesondere sei die Entscheidung, mit der Flagge ein Schutzsymbol für betroffene Personen im Hort zu setzen, nicht zu beanstanden.

Soweit die Kläger darüber hinaus beanstandet hatten, dass im Hort Ausmalbilder u.a. mit sog. Drag-Queens ausgelegt worden waren, hat das VG die Klage ebenfalls abgewiesen. Die Schule habe bereits darauf hingewirkt, dass die Ausmalbilder nicht mehr im Hort ausgelegt würden, und es bestehe keine hinreichende Wiederholungsgefahr.

Quelle | VG Berlin, Urteil vom 25.6.2025, VG 3 K 668/24, PM 33/25

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Therapiehund: Hundehalterin muss die vorübergehende Wegnahme ihrer misshandelten Hündin dulden

| Das Verwaltungsgericht (VG) Mainz hat den Eilantrag einer Hundehalterin gegen die Anordnung des Veterinäramts des Antragsgegners, die vorübergehende Wegnahme sowie tierärztliche Untersuchung und Versorgung ihrer Golden-Retriever-Hündin (weiterhin) zu dulden, abgelehnt. |

Therapeutisch-pädagogischer Begleithund wurde misshandelt

Die Antragstellerin war in einer Kindertagesstätte als Erzieherin beschäftigt und brachte ihre Hündin als therapeutisch-pädagogisch ausgebildeten Begleithund regelmäßig zu ihrer Arbeit mit.

Hintergrund des tierschutzrechtlichen Einschreitens des Antragsgegners war ein Vorfall im Juni 2025: An dem betreffenden Tag befand sich die Antragstellerin mit ihrer Hündin vormittags in der Kindertagesstätte. Anschließend brachte sie die Hündin nach Hause, wo sie mit ihrem Lebensgefährten wohnt. Nachmittags kehrte die Antragstellerin ohne die Hündin in den Kindergarten zurück. Als sie wieder nach Hause kam, bemerkte sie Auffälligkeiten bei ihrer Hündin. Nachdem die Hündin die Antragstellerin sodann nachts weckte und insbesondere keinen Urin absetzen konnte, fuhr sie in eine Tierklinik. Dort wurde eine ca. 7 cm lange und 1,5 cm breite Möhre im Vaginaltrakt der Hündin festgestellt und entfernt. In der Folge entwickelte die Hündin eine behandlungsbedürftige Blasenentzündung.

Veterinäramt nahm Hündin weg

Der Antragsgegner nahm der Antragstellerin die Hündin weg und ordnete mit der streitgegenständlichen Verfügung an, dass diese die vorübergehende Wegnahme, die tierärztliche Untersuchung und die tierärztlich notwendige Versorgung der Hündin zu dulden habe. Zur Begründung nahm er insbesondere auf ein amtstierärztliches Gutachten Bezug, wonach das Einführen des vaginalen Fremdkörpers nicht ohne Gegenwehr und mit Rohheit erfolgt sein müsse und bei dem Hund zu erheblichem Leiden und zu Schmerzen geführt habe. Eine Hündin setze ca. vier bis fünf Mal täglich Urin ab. Wäre es am Vormittag zu dem Vorfall gekommen, müsse die Hündin bereits am Nachmittag ein auffälliges Verhalten gezeigt haben.

Verwaltungsgericht bestätigte Veterinäramt

Hiergegen wandte sich die Antragstellerin mit ihrem Eilantrag. Sie machte geltend, dass in ihrer Wohnung für die Hündin keine (Wiederholungs-)Gefahr bestehe, da der Vorfall in der Kindertagesstätte geschehen sei. Dorthin würde die Antragstellerin die Hündin nicht mehr mitnehmen, zumal sie ohnehin ihre Arbeitsstätte gewechselt habe. Ihr Lebensgefährte sei aus dem Kreis der Verdächtigen auszuschließen. Das VG lehnte den Antrag ab.

Lebensgefährte war polizeibekannt

Es überwiege das öffentliche Interesse an der Vollziehung. Ob die Prognose des Antragsgegners auf zutreffender Tatsachengrundlage erfolgt sei und für die Hündin bei einem Verbleib bei der Antragstellerin die Gefahr der erneuten schwerwiegenden Misshandlung bestehe, sodass sie dort vorerst nicht untergebracht werden dürfe, lasse sich im Eilverfahren nicht mit hinreichender Sicherheit aufklären. Die deshalb vorzunehmende Interessenabwägung gehe zulasten der Antragstellerin aus. Es könne nicht hinreichend ausgeschlossen werden, dass der Hündin im Fall der Rückkehr zur Antragstellerin neue Gefahren drohten.

Es lägen in Gestalt der Stellungnahmen fachkundiger Tierärzte einige Anhaltspunkte dafür vor, dass der Vorfall nicht am Vormittag passiert sein könne und es bestünden weiterhin Verdachtsmomente in Bezug auf den mehrfach polizeilich in Erscheinung getretenen Lebensgefährten der Antragstellerin, die von ihr bisher nicht hinreichend ausgeräumt worden seien.

Der Umstand, dass die derzeitige Situation für die Antragstellerin eine emotionale, psychische und praktische Belastung und Herausforderung darstelle und sie täglich weite Fahrtwege in Kauf nehme, um ihren Arbeitsalltag sowie die Versorgung der derzeit bei einer Familienangehörigen untergebrachten Hündin zu bewältigen, führe vor dem Hintergrund der gravierenden Misshandlung der Hündin nicht zum Überwiegen des Aussetzungsinteresses.

Quelle | VG Mainz, Beschluss vom 15.8.2025, 1 L 438/25.MZ, PM 8/25

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Eilantrag: Schulausschluss auf Zeit wegen Waffenverkaufs rechtmäßig

| Ein 16-jähriger Schüler ist zu Recht auf Zeit von seiner Schule ausgeschlossen worden. Das entschied das Verwaltungsgericht (VG) Koblenz und lehnte den hiergegen erhobenen Eilantrag ab. |

Schüler verkaufte auf dem Schulhof Schlagringe und Springmesser

Der Antragsteller hatte teilweise durch einen „Mittelsmann“ Schlagringe und Springmesser an minderjährige Mitschüler auf dem Schulgelände verkauft. Als dies bekannt wurde, beschloss die Gesamtkonferenz der Schule, ihn bis zum Ende des Schuljahrs von der Schule auszuschließen. Gegen den für sofort vollziehbar erklärten Bescheid der Schulleiterin erhob der Antragsteller Widerspruch und beantragte beim VG die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung. Zur Begründung führte er aus, der Schulausschluss sei unverhältnismäßig. Er habe sich reumütig gezeigt und die Schule habe keine nachvollziehbare Gefährdungsprognose angestellt. Es bestehe für ihn ohnehin nur eine geringe Restschulzeit.

Eilantrag ohne Erfolg

Der Eilantrag hatte keinen Erfolg. Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug des Schulausschlusses auf Zeit überwiege das Interesse des Antragstellers, seine bisherige Schule weiter besuchen zu dürfen. Denn der Schulausschluss erweise sich als rechtmäßig, so das VG.

Große Gefahr begründet

Der Antragsteller habe über einen längeren Zeitraum hinweg verbotene Waffen verkauft. Hierdurch habe er die Gefahr begründet, dass diese noch auf dem Schulgelände gegen andere Schüler zum Einsatz kommen könnten. Er habe durch die Abgabe der Waffen jegliche Kontrolle über deren Verwendung verloren, zumal er einen „Mittelsmann“ eingesetzt habe.

Gerichtlich nicht zu beanstanden sei außerdem, dass die Gesamtkonferenz den Schulausschluss auch damit begründet habe, bei einem Verbleib des Schülers an der Schule werde der Schulfrieden beeinträchtigt und ein geordneter Schulbetrieb sei nicht mehr gewährleistet. Mit Blick auf Amokläufe an Schulen in jüngerer Zeit sei die Erwägung nachvollziehbar, Schüler könnten befürchten, Ähnliches könne durch die vom Antragsteller mit Waffen versorgten Schüler geschehen.

Besonders schweres Fehverhalten

Die Gesamtkonferenz sei auch nicht verpflichtet gewesen, zunächst erzieherisch auf den Antragsteller einzuwirken oder auf mildere Ordnungsmaßnahmen zurückzugreifen. Zwar solle Fehlverhalten von Schülern grundsätzlich nicht sofort mit einem Schulausschluss begegnet werden. Anders sei dies aber bei besonders schwerem Fehlverhalten, wie es dem Antragsteller hier vorzuwerfen sei, und vor allem dann, wenn es um den Schutz anderer Schüler gehe.

Quelle | VG Koblenz, Beschluss vom 23.6.2025, 4 L 535/25.KO, PM 16/25

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Vertragsirrtum: Trotz „Klick“ kein Vertrag

| Ein Kieferorthopäde kann keine Honorarforderung geltend machen, wenn der Vertrag mit ihm irrtümlich durch eine Freundin der Patientin in Brasilien abgeschlossen wurde. Diese interessante Konstellation entschied nun das Amtsgericht (AG) München. |

Das war geschehen

Eine Frau stellte sich am 20.10.2022 in einer Zahnklinik vor, um eine kieferorthopädische Behandlung in Anspruch zu nehmen. Die Behandlung sollte mittels elastischer Klarsichtschienen (sog. „Aligner“) durchgeführt werden, die nach der Erfassung des Zahnstatus eigens für den Patienten angefertigt werden. Auf Grundlage dieses Termins sandte die Zahnklinik am 25.10.2022 der Frau eine E-Mail mit einem Link zu, über den sie auf ihren personalisierten Behandlungsplan und das Angebot zugreifen konnte.

Vor Abschluss des Vertrags schickte die Frau die E-Mail jedoch an eine befreundete brasilianische Zahnärztin, um deren Meinung einzuholen. Am selben Tag erhielt sie eine Bestätigungs- E-Mail über den Beginn der Behandlung und am Folgetag eine Rechnung über 1.790 Euro. Unmittelbar darauf wandte die Frau sich an die Zahnklinik und teilte mit, dass sie keinen Vertrag wollte. Die Zahnklinik gab an, dass auf den Link in der E-Mail geklickt worden sei und auf einem weiteren Fenster auf „Jetzt zahlungspflichtig bestellen“ geklickt wurde. Sie gingen daher davon aus, dass der Vertrag zustande gekommen war.

Da die Frau die Zahlung weiterhin verweigerte, verklagte sie ein Abrechnungsunternehmen, an das die Forderung zwischenzeitlich abgetreten worden war, vor dem AG auf Zahlung. Das AG wies die Klage jedoch ab.

So argumentierte das Amtsgericht

Den Abschluss eines Behandlungsvertrags mit der Frau hat der Kläger nicht hinreichend dargetan. Auch nach einem gerichtlichen Hinweis hat der Kläger zu der substanziiert bestrittenen Behauptung, dass die Frau diejenige gewesen sei, die den Button zum Abschluss eines Behandlungsvertrags betätigt habe, nicht weiter vorgetragen.

Die bekannte Zahnärztin der Frau in Brasilien handelte auch nicht als Stellvertreterin im Namen der Frau. Zwar wurde der Link in der E-Mail, der den Behandlungsprozess bei Aktivierung in Gang setzen soll, betätigt. Die Bekannte handelte jedoch ohne Vollmacht. Zwar kann der Frau entgegengehalten werden, dass sie eine E-Mail mit einem Link zu einer Bestellung an jemanden weitergeleitet hat, der die deutsche Sprache nicht versteht. Allerdings war aus der E-Mail mit der Überschrift „Hier ist dein Behandlungsplan“ selbst noch nicht ersichtlich, dass man durch die Betätigung des Links auf eine Website gelangt, auf der eine kostenpflichtige Behandlung beauftragt werden kann. In der Weiterleitung ist daher auch für einen objektiven Empfänger keine Vollmachtserteilung erkennbar.

Bekannte wollte sich nur Simulation anschauen

Ferner handelte die Bekannte in Brasilien hinsichtlich der Bestellung ohne Willen, für die Frau eine rechtlich bindende Erklärung abgeben zu wollen, da sie sich gerade nur die Simulation anschauen und sich Informationen über die Behandlung verschaffen wollte.

Vertrag war schon aufgrund der Anfechtung nichtig

Selbst, wenn man davon ausginge, dass die Weiterleitung der E-Mail der Frau an die Bekannte eine Vollmachtserteilung darstellt, hätte diese jedenfalls mit der E-Mail etwas über zwei Stunden nach Erhalt der Bestätigungs-E-Mail zum Ausdruck gebracht, dass sie von dem Vertrag Abstand nehmen möchte, weswegen der Vertrag infolge der Anfechtung nichtig wäre.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Quelle | AG München, Urteil vom 23.10.2024, 231 C 18392/24, PM 21/25

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Verkehrsrecht

Kettenauffahrunfall: Wenn die Polizei den falschen Verursacher identifiziert

| Bei komplizierten Sachverhalten kommt es schon einmal vor, dass die Polizei unzutreffend eine Person als Unfallverursacher identifiziert. Wer in einem solchen Fall die Kosten trägt, hat nun das Landgericht (LG) Ulm klargestellt. |

Es ging um einen Kettenauffahrunfall

Bei einem Kettenauffahrunfall hat die unfallaufnehmende Polizei in der amtlichen Ermittlungsakte eine falsche Person als den Unfallverursacher identifiziert. Die wurde verklagt, am Ende aber erfolglos, da das gerichtlich eingeholte Gutachten ergeben hat, dass der Schaden von einem anderen Beteiligten verursacht wurde. Der nicht rechtsschutzversicherte Geschädigte war dadurch mit über 8.000 Euro Verfahrenskosten belastet. Die wurden nun gegenüber dem eigentlichen Schädiger geltend gemacht. Das LG Ulm hielt das für richtig.

Das sind die ersatzfähigen Schäden

Mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen sagt es: Die Ersatzpflicht für einen Schaden dürfte grundsätzlich unabhängig davon bestehen, ob das schädigende Verhalten den Schaden unmittelbar oder erst wegen des Hinzutretens anderer Umstände (mittelbar) herbeigeführt hat. Ersatzfähige Kosten seien in diesem Zusammenhang auch Rechtsverfolgungskosten und damit auch Kosten eines erfolglosen Vorprozesses gegen einen vermeintlichen Schädiger, sofern der Geschädigte davon ausgehen durfte, er habe den wahren Schädiger verklagt.

Stehe der Schaden zwar mit der Handlung des Schädigers in einem kausalen Zusammenhang, sei dieser Schaden jedoch entscheidend durch ein völlig ungewöhnliches und unsachgemäßes Verhalten einer anderen Person ausgelöst worden, könne die Grenze überschritten sein, bis zu der dem Erstschädiger das Fehlverhalten dieses Dritten und die Auswirkungen als haftungsausfüllender Folgeschaden seines Verhaltens zugerechnet werden könne. Aufgrund der polizeilichen Feststellung spreche einiges dafür, dass der Kläger davon ausgehen durfte, der Beklagte im Vorverfahren sei der zutreffende Schädiger. Die Zurechnung sei daher zu bejahen.

Quelle | LG Ulm 11.7.2025, 2 O 162/25, Abruf-Nr. 249386 unter www.iww.de

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Touristenfahrt: Nürburgring: Crash auf der Nordschleife

| Wie wirkt sich die von einem jeden Fahrzeug ausgehende Betriebsgefahr im Rahmen eines Unfalls bei sog. „Touristenfahrten“ auf dem Nürburgring aus? Diese Frage hat das Landgericht (LG) Koblenz entschieden. |

Unfall bei Touristenfahrt

Die Parteien streiten um einen Schadenersatzanspruch des Klägers aus einem Verkehrsunfallereignis. Der Kläger befuhr am 2.6.2019 die Nordschleife des Nürburgrings. Im Bereich des Streckenabschnitts zwischen Schwalbenschwanz und Galgenkopf war das Krad, welches bei der Beklagten haftpflichtversichert ist, gestürzt. Zur Hilfeleistung hatte eine Dritte Person ihr KFZ zum Stand gebracht und wollte dem verunfallten Krad-Fahrer zur Hilfe eilen. Auf der Strecke lag das Krad des verunfallten Krad-Fahrers mitten auf der Straße. Vor dem klägerischen Fahrzeug fuhr zudem ein PKW BMW M4. In der Folge fuhr das klägerische Fahrzeug auf das Heck des vorausfahrenden BMW auf, wobei weitere Einzelheiten zwischen den Parteien umstritten sind. Der Kläger behauptet, dass sowohl der Grünstreifen rechts von der Fahrbahn als auch die Fahrbahn durch zwei KFZ und das Krad blockiert gewesen seien, sodass er binnen Sekundenbruchteilen und um Personenschäden zu vermeiden eine Notbremsung einleitete und mit seinem Fahrzeug gerade auf das Heck des BMW auffuhr.

Der Kläger beantragt Ersatz des ihm durch den Verkehrsunfall entstandenen Schadens und seiner Auslagen. Die Beklagte beantragt hingegen, die Klage abzuweisen.

Sie trägt vor, dass der vor dem klägerischen PKW fahrende BMW kontrolliert zum Stehen gekommen sei und der Kläger zu spät auf das Bremsmanöver des vor ihm fahrenden Fahrzeuges reagiert habe. Bei ausreichendem Abstand, angepasster Geschwindigkeit und angemessener Reaktion hätte der Kläger sein Fahrzeug ohne Weiteres unbeschadet hinter dem vorausfahrenden BMW zum Stillstand bringen können.

So entschied das Landgericht

Das LG hat der Klage nur in einem Umfang von 20 % stattgegeben, diese im Übrigen jedoch abgewiesen. Der Kläger hat gegen die Beklagte aus dem Verkehrsunfall einen Anspruch auf Schadenersatz.

Unzweifelhaft hat sich der Unfall beim Betrieb der beteiligten Kraftfahrzeuge ereignet. Ein sog. unabwendbares Ereignis könnte nicht festgestellt werden. Unabwendbar ist ein Ereignis, das durch äußerste mögliche Sorgfalt nicht abgewendet werden kann. Abzustellen ist insoweit auf das Verhalten des sogenannten „Idealfahrers“. Für das klägerische Fahrzeug ergibt sich die Vermeidbarkeit in Anbetracht der ermittelten Ausgangsgeschwindigkeit von rund 135 km/h durch einen deutlich zu geringen Abstand zum vorausfahrenden BMW, als dieser aufgrund des auf der Fahrbahn liegenden Krads voll abgebremst wurde. Aber auch dem Fahrer des bei der Beklagten versicherten Krads ist vorliegend nicht der Nachweis gelungen, dass das Unfallereignis für ihn unvermeidbar gewesen sei.

Zu geringe Abstandhaltung bei hoher Geschwindigkeit

Unstreitig ist zwischen den Parteien nämlich, dass der Fahrer mit seinem Krad gestürzt ist und das Krad in der Folge auf der Fahrbahn gelegen hat. Nach dem Straßenverkehrsgesetz (hier: § 17 Abs. 1 und Abs. 2 StVG) hängt der Umfang des zu leistenden Schadenersatzes daher von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Unfallbeteiligten verursacht worden ist. Vorliegend ist dabei zulasten des Klägers zu berücksichtigen, dass dieser unstreitig auf den vorausfahrenden BMW aufgefahren ist. Gegen den Kläger spricht dabei, dass er zu dem vorausfahrenden Fahrzeug einen zu geringen Abstand aufgewiesen hat. Demnach stand fest, dass der Kläger aufgrund eines zu geringen Abstandes zum vorausfahrenden PKW mit diesem kollidiert ist.

„Rennmodus“: Generell erhöhte Betriebsgefahr

Aufseiten der Beklagten verbleibt es allerdings bei der einzustellenden Betriebsgefahr, welche die Kammer vorliegend mit 20 % in Ansatz bringt. Nach der Rechtsprechung des OLG ist bei sog. Touristenfahrten, wie hier, bei denen bei zu zügigem (sportlichen) Fahren ein Kontrollverlust über das Fahrzeug droht, hingegen beim langsamen (vorsichtigen) Fahren die Gefahr besteht, dass es zu Auffahrunfällen mit sich von hinten „im Rennmodus“ nähernden Fahrzeugen kommt, die Betriebsgefahr eines die Nordschleife des Nürburgrings befahrenden Fahrzeugs aufgrund der gefahrenträchtigen Örtlichkeit sowie der gefahrträchtigen Verkehrssituation als generell erhöht anzusehen.

Die Betriebsgefahr des bei der Beklagten versicherten Krad hat sich auch kausal auf das Unfallereignis ausgewirkt. Das LG folgt insoweit den glaubhaften Angaben des Klägers, dass dieser eine Ausweichbewegung nach links vornehmen wollte, dies allerdings im Hinblick auf den sich auf der Strecke befindlichen Fahrer des Krads zur Vermeidung von Personenschäden unterlassen hat. Demnach hat sich hier die Betriebsgefahr des bei der Beklagten versicherten Krad kausal auf das vorliegende Verkehrsunfallereignis ausgewirkt, gleichwohl es keine direkte Berührung zwischen dem klägerischen PKW und dem bei der Beklagten versicherten Krad gegeben hat. Ausreichend ist nämlich, dass der Betrieb eines Kraftfahrzeugs zu einem schädigenden Ereignis über seine bloße Anwesenheit an der Unfallstelle hinaus durch seine Fahrweise oder sonstige Verkehrsbeeinflussung zu der Entstehung des Schadens beigetragen hat. Dies ist vorliegend der Fall und führt zu einer (anteiligen) Haftung der Beklagten in Höhe von 20 %.

Quelle | LG Koblenz, Urteil vom 16.9.2025, 5 O 123/20, PM des LG

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Straßenverkehrsordnung: Beim Anfahren an der Ampel darf wegen einer Taube gebremst werden

| Das Bremsen für eine Taube unmittelbar nach dem Anfahren an einer Ampel erfolgt nicht ohne zwingenden Grund und stellt keinen Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung (hier: § 4 Abs. 1 S. 2 StVO) dar. So entschied es das Amtsgericht (AG) Dortmund in einer Unfallsache. |

Taube saß auf Fahrbahn

Zwei Fahrzeuge hatten vor einer Ampel gewartet. Als diese auf „Grün“ umschlug, fuhr der erste Wagen los. Nach wenigen Metern bremste der Fahrer jedoch wieder ab, weil eine Taube auf der Fahrbahn saß. Der nachfolgende Wagen fuhr auf. Der Auffahrende verlangte von dem anderen Fahrer seinen Schaden ersetzt.

Auffahrender verlangte Schadenersatz

Mit dieser Forderung hatte er vor dem AG keinen Erfolg. Das Gericht verwies auf den Beweis des ersten Anscheins, nach dem der Auffahrende den Unfall schuldhaft verursacht habe. So spricht die Lebenserfahrung dafür, dass der Kraftfahrer, der auf ein vor ihm fahrendes oder stehendes Fahrzeug auffährt, entweder zu schnell, mit unzureichendem Sicherheitsabstand oder unaufmerksam gefahren ist. Es müsse ein solcher Abstand eingehalten werden, dass angehalten werden kann, wenn der Vordermann plötzlich bremst.

Beweis des ersten Anscheins

Dieser Beweis des ersten Anscheins kann jedoch erschüttert bzw. ausgeräumt werden, wenn der Auffahrende einen anderen ernsthaften, typischen Geschehnisablauf darlegt und beweist. Das konnte der Auffahrende hier aber nicht. Der Anscheinsbeweis ist nicht dadurch erschüttert, dass der andere Fahrer für eine Taube stark gebremst hat.

Das Bremsen für eine Taube war nicht ohne zwingenden Grund. Es war in dieser konkreten Situation kein Verstoß gegen § 4 Abs. 1, S. 2 StVO. Eine Abwägung der gefährdeten Rechtsgüter ergibt, dass hier gebremst werden durfte. Die damit einhergehende Gefahr von Sachschäden an dem eigenen wie an dem fremden Kraftfahrzeug hat keinen Vorrang vor dem Tierwohl.

Vielmehr ist hier zu beachten, dass der Unfall bei sehr geringer Geschwindigkeit im Anfahrvorgang geschah. Aufgrund der geringen Geschwindigkeit waren auch keine Personenschäden zu erwarten. Allein, weil es sich bei einer Taube um ein Kleintier handelt, kann nicht verlangt werden, dass das Tier hätte überfahren werden müssen. Das Töten eines Wirbeltiers ist nach dem Tierschutzgesetz grundsätzlich eine Ordnungswidrigkeit. Das war dem Autofahrer nicht zuzumuten. Diese Vorschrift ist auch Folge des im Jahr 2002 in Art. 20a Grundgesetz (GG) aufgenommen Tierschutz als Staatszielbestimmung der Bundesrepublik Deutschlands.

Quelle | AG Dortmund, Urteil vom 10.7.2018, 425 C 2383/18

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Steuerrecht

Kein Auskunftsanspruch: Inhalte anonymer Anzeigen muss das Finanzamt nicht offenlegen

| Ein Steuerpflichtiger hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Preisgabe einer anonym beim Finanzamt eingegangenen Anzeige, die ihm steuerliches Fehlverhalten vorwirft. Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch vermittelt insoweit keine weitergehenden Rechte. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden. |

Das war geschehen

Das Finanzamt nahm eine anonyme Anzeige zum Anlass, um bei einem Gastronomiebetrieb (Klägerin) eine Kassen-Nachschau durchzuführen. Ein steuerstrafrechtliches Fehlverhalten wurde hierbei nicht festgestellt.

Im Nachgang beantragte die Klägerin Einsicht in die für sie geführten Steuerakten. Zudem begehrte sie Auskunft über die Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten nach der Datenschutz-Grundverordnung (hier: Art. 15 DSGVO). Damit wollte die Klägerin Kenntnis vom Inhalt der Anzeige erhalten, um auf diese Weise Rückschlüsse auf die Person des Anzeigeerstatters ziehen zu können.

Einigkeit aller Instanzen

Das Finanzamt lehnte die Anträge ab und auch die Klage beim Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg sowie die Revision beim BFH blieben erfolglos.

Identitätsschutz des Anzeigeerstatters versus Offenbarungsinteresse des Betroffenen

Der BFH führte aus, dass einem Steuerpflichtigen keine Einsicht in eine in den Steuerakten befindliche anonyme Anzeige zu gewähren ist, wenn das Geheimhaltungsinteresse des Anzeigeerstatters und der Finanzbehörde höher zu gewichten sind als das Offenbarungsinteresse des von der Anzeige Betroffenen. Hiervon ist im Regelfall auszugehen, es sei denn, der Steuerpflichtige würde (was im Streitfall nicht in Betracht zu ziehen war) infolge der Anzeige einer unberechtigten strafrechtlichen Verfolgung ausgesetzt.

Dem von der Klägerin verfolgten Anspruch auf Auskunft über den Inhalt der anonymen Anzeige nach Art. 15 DSGVO erteilte der BFH ebenfalls eine Absage.

Beachten Sie | Zwar beinhaltet eine solche Anzeige regelmäßig personenbezogene Daten, über die die Behörde grundsätzlich Auskunft erteilen muss. Allerdings wird der Anspruch nach der Abgabenordnung (hier: § 32c Abs. 1 Nr. 1 AO) beschränkt, da durch die Preisgabe des Inhalts der Anzeige die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Finanzbehörde (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) gefährdet werden könnte. Darüber hinaus verbietet der Identitätsschutz des Anzeigeerstatters eine Auskunftserteilung.

Quelle | BFH, Urteil vom 15.7.2025, IX R 25/24, Abruf-Nr. 250347 unter www.iww.de; PM Nr. 58/25 vom 25.9.2025

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Schockanruf: Keine außergewöhnlichen Belastungen: Vermögensverlust wegen Trickbetrugs

| Das Finanzgericht (FG) Münster hat entschieden, dass Vermögensverluste aus einem Trickbetrug, bei dem die Täter einem älteren Menschen am Telefon die Notlage eines nahen Angehörigen vortäuschen, nicht als außergewöhnliche Belastungen abzugsfähig sind. |

Das war geschehen

Eine 77 Jahre alte Rentnerin erhielt von einem vermeintlichen Rechtsanwalt einen Telefonanruf. Dieser gab an, ihre Tochter habe einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht. Die drohende Untersuchungshaft könne durch Zahlung einer Kaution von 50.000 Euro vermieden werden. Daraufhin hob die Rentnerin den Betrag von ihrer Bank ab und übergab ihn einem Boten. Nachdem sie den Betrug durchschaut hatte, erstattete sie Strafanzeige. Das Verfahren wurde jedoch eingestellt, weil die Täter nicht ermittelt werden konnten.

Den Vermögensverlust machte die Rentnerin in ihrer Steuererklärung als außergewöhnliche Belastungen geltend jedoch ohne Erfolg.

Finanzgericht: Aufwendungen weder außergewöhnlich…

Nach Ansicht des FG sind die Aufwendungen nicht außergewöhnlich. Die Rentnerin ist Opfer einer Betrugsmasche geworden, die potenziell jeden treffen kann.

… noch zwangsläufig

Zudem fehlt es an der Zwangsläufigkeit, die nach Ansicht des FG wie folgt zweistufig zu prüfen ist: Eine Zwangsläufigkeit scheidet von vornherein aus, wenn sich das Opfer durch strafbares oder sozialwidriges Verhalten selbst erpressbar gemacht hat. Das lag im Streitfall nicht vor.

Rentnerin hätte Tochter oder Polizei kontaktieren müssen

Der zweite Schritt betrifft die Frage, ob zumutbare Handlungsalternativen vorlagen, die den Erpressungsversuch mit einiger Sicherheit wirkungslos gemacht hätten. Das FG entschied, dass es der Rentnerin objektiv zumutbar gewesen wäre, zunächst zu ihrer Tochter oder zur Polizei Kontakt aufzunehmen. Selbst wenn die behauptete Verhaftung der Tochter gedroht hätte, wäre es zumutbar gewesen, den Betrag nicht zu zahlen, da eine den rechtsstaatlichen Vorschriften entsprechende Anordnung der Untersuchungshaft in Deutschland keine Gefahr für Leib und Leben darstellt.

Die Revision wurde zugelassen, da die steuerliche Behandlung von Betrugsopfern bei Schockanrufen viele Steuerpflichtige betrifft und höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.

Quelle | FG Münster, Urteil vom 2.9.2025, 1 K 360/25 E, Abruf-Nr. 250144 unter www.iww.de

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Viertes Bürokratieentlastungsgesetz: Digitale Steuerbescheide ab 2026

| Durch das vierte Bürokratieentlastungsgesetz (BGBl I 2024, Nr. 323) wurde § 122a der Abgabenordnung (AO) mit Wirkung ab 2026 geändert. Dadurch werden elektronische Bescheide zur Regel Papier zur Ausnahme. Der Deutsche Steuerberaterverband e. V. (DStV) hat die Änderungen jüngst zusammengefasst. |

Die Neufassung des § 122a AO erlaubt den Finanzbehörden, Verwaltungsakte durch die Bereitstellung zum Datenabruf bekannt zu geben. Steuerbescheide, die Finanzbehörden auf Grundlage elektronisch eingereichter Steuererklärungen erlassen, sollen grundsätzlich elektronisch zum Abruf bereitgestellt werden. Im Unterschied zur bisherigen Regelung ist hierfür keine Einwilligung mehr erforderlich.

Beachten Sie | Die Papierform ist auch weiterhin möglich. Denn der elektronischen Bekanntgabe kann widersprochen und eine einmalige oder dauerhafte Zusendung von Bescheiden per Post verlangt werden. Der Antrag ist formlos und ohne Begründung möglich. Wichtig ist jedoch: Er gilt nur für die Zukunft.

Ein zum Abruf bereitgestellter elektronischer Bescheid gilt am vierten Tag nach der Bereitstellung als bekannt gegeben. Damit beginnt auch die Einspruchsfrist. Liegt der Bescheid zum Abruf bereit, versendet die Finanzverwaltung eine Benachrichtigung. Im Gegensatz zur noch geltenden Rechtslage erfüllt diese Benachrichtigung nur noch eine Hinweisfunktion. Für die Bestimmung des Zeitpunkts der Bekanntgabe des Bescheids ist sie grundsätzlich irrelevant.

Quelle | DStV, Mitteilung vom 13.10.2025

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Mietwohnungsneubau: Keine Sonderabschreibung für Vermieter bei Abriss und Neubau

| Die Sonderabschreibung für Mietwohnungsneubau nach dem Einkommensteuergesetz (hier: § 7b EStG) ist nicht zu gewähren, wenn ein Einfamilienhaus abgerissen und durch einen Neubau ersetzt wird. Die Steuerförderung setzt voraus, dass durch die Baumaßnahme bisher nicht vorhandene Wohnungen geschaffen werden. Dies erfordert, so der Bundesfinanzhof (BFH), eine Vermehrung des Wohnungsbestands. |

Sonderabschreibung möglich

Zum Hintergrund: Unter den Voraussetzungen des § 7b EStG gewährt der Fiskus eine Sonderabschreibung, die bis zu 5 % im Jahr der Anschaffung oder Herstellung und in den folgenden drei Jahren beträgt. Insgesamt können in den ersten vier Jahren somit bis zu 20 % zusätzlich zur regulären Abschreibung abgeschrieben werden.

Das war geschehen

Einer Steuerpflichtigen gehörte ein vermietetes Einfamilienhaus. Nachdem sie sich zum Abriss des sanierungsbedürftigen, aber noch funktionsfähigen Hauses entschlossen hatte, stellte sie im Jahr 2019 einen Bauantrag für ein neues Einfamilienhaus. Im Juni 2020 ließ sie das alte Haus abreißen. Ab Juli 2020 wurde der Neubau errichtet, den die Steuerpflichtige ebenfalls vermietete. Das Finanzamt gewährte die Sonderabschreibung nicht. Die hiergegen gerichtete Klage und Revision waren erfolglos.

Anreize für zusätzlichen Wohnraum

Der Zweck der Sonderabschreibung liegt darin, Anreize für die zeitnahe Schaffung zusätzlichen Wohnraums zu bieten und damit die Wohnraumknappheit zu bekämpfen. Der Abriss und anschließende Neubau einer Immobilie ohne Schaffung eines zusätzlichen Bestands an Wohnungen erfüllt dieses Ziel nicht.

Etwas anderes kann nur gelten, wenn der Neubau in keinem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem vorherigen Abriss steht. Ein solcher Ausnahmefall lag im Streitfall aber nicht vor. Denn die Steuerpflichtige hatte von Anfang an geplant, das abgerissene Einfamilienhaus durch ein neues zu ersetzen, und die Bauarbeiten folgten zeitlich unmittelbar aufeinander.

Quelle | BFH, Urteil vom 12.8.2025, IX R 24/24, Abruf-Nr. 250809 unter www.iww.de; PM Nr. 68/25 vom 23.10.2025

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Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht

Energieversorgung: Pressemitteilung über Lieferverbot und Namen des betroffenen Unternehmens

| Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden: Die Bundesnetzagentur durfte die Öffentlichkeit darüber informieren, sie habe der betroffenen Energielieferantin die Tätigkeit zum Schutz der Haushaltskunden untersagt. Die Pressemitteilung durfte auch den Hinweis enthalten, die Betroffene halte nach Auffassung der Bundesnetzagentur die gesetzlichen Regeln nicht ein, die einer sicheren und verbraucherfreundlichen Energieversorgung dienen. |

Das war geschehen

Die Betroffene war in der Vergangenheit als Gaslieferantin tätig. Ende 2021 erklärte sie gegenüber etwa 370.000 Kunden die sofortige Kündigung der bestehenden Gaslieferverträge und zeigte gegenüber der Bundesnetzagentur die Beendigung ihrer Tätigkeit als Energielieferantin von Haushaltskunden an.

Das von einer personenidentischen Geschäftsführung geleitete und als Stromlieferantin tätige Schwesterunternehmen der Betroffenen sprach ebenfalls Kündigungen der bestehenden Stromlieferverträge gegenüber Haushaltskunden aus. Insgesamt erfolgten seinerzeit etwa 1,2 Millionen solcher Kündigungen, was erhebliche Folgen für die betroffenen Kunden und die für diese zuständigen Grundversorger hatte. Die Geschehnisse waren auch Anlass für eine kritische Berichterstattung in der Presse.

Im März 2023 zeigte die Betroffene die (Wieder-)Aufnahme ihrer Tätigkeit an. Die Bundesnetzagentur leitete im April 2023 ein Verfahren zur Überprüfung der Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit ein und informierte hierüber die Öffentlichkeit unter namentlicher Nennung der Betroffenen.

Mit Beschluss vom 29.6.2023 untersagte die Bundesnetzagentur der Betroffenen, die Tätigkeit als Energielieferantin von Haushaltskunden auszuüben. Am 7.7.2023 informierte die Bundesnetzagentur die Öffentlichkeit mit einer Pressemitteilung erneut unter Nennung der Betroffenen über den Ausgang des Verfahrens. Der Aufforderung der Betroffenen, die Pressemitteilung von ihrer Internetseite zu entfernen, kam die Bundesnetzagentur nicht nach.

Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat das Beschwerdegericht den Untersagungsbeschluss der Bundesnetzagentur vom 29.6.2023 aufgehoben. Das Beschwerdegericht hielt die Untersagung zum Untersagungszeitpunkt allerdings weiterhin materiell für gerechtfertigt. Zwischenzeitlich hat die Bundesnetzagentur der Betroffenen die Tätigkeit als Energielieferantin von Haushaltskunden unter Auflagen wieder gestattet.

So sah es der Bundesgerichtshof

Der BGH hat klargestellt: Der Betroffenen steht gegen die Bundesnetzagentur kein Anspruch auf Unterlassung der in der o. g. Pressemitteilung enthaltenen Aussagen zu. Die Bundesnetzagentur durfte die Veröffentlichung auf der Grundlage des Energiewirtschaftsgesetzes (hier: § 74 S. 2 EnWG a. F.) vornehmen.

Die Regelung soll nach ihrem Sinn und Zweck die Transparenz behördlichen Handelns erhöhen und eine frühzeitige Information der Öffentlichkeit ermöglichen. Sie ermächtigt deshalb grundsätzlich auch zur Veröffentlichung einer ergangenen, aber noch nicht bestandskräftigen Untersagungsverfügung unter Nennung des betroffenen Unternehmens durch eine Pressemitteilung.

Ob und in welcher Weise die Veröffentlichung im Einzelfall erfolgt, steht im Ermessen der Bundesnetzagentur. Von diesem Ermessen hat die Bundesnetzagentur rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. Sie durfte unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dem öffentlichen Informationsinteresse den Vorrang gegenüber den Interessen der Betroffenen einräumen.

Quelle | BGH, Beschluss vom 17.6.2025, EnVR 10/24, PM vom 17.6.2025

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Umsatzsteuer: Zur Besteuerung der Übertragung von Einzweck-Gutscheinen

| Ob ein Gutschein als Einzweck-Gutschein oder als Mehrzweck-Gutschein anzusehen ist, beurteilt sich nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins. Es kommt bei dieser Beurteilung nicht darauf an, ob ein Gutschein nach seiner Ausgabe zwischen Steuerpflichtigen übertragen werden kann, die im eigenen Namen handeln und in anderen Mitgliedstaaten als demjenigen ansässig sind, in dem der Leistungsort liegt. So lautet ein aktueller Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH). |

Hintergrund: Seit 2019 richtet sich die Besteuerung von Gutscheinen nach den Grundsätzen des § 3 Abs. 13 bis 15 Umsatzsteuergesetz (UStG). Es wird zwischen Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen unterschieden:

Einzweck-Gutschein

Ein Einzweck-Gutschein liegt vor, wenn bei der Ausstellung des Gutscheins zum einen der Ort der Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, und zum anderen die für die Leistung geschuldete Umsatzsteuer feststehen.

Die Ausgabe und die Übertragung eines Einzweck-Gutscheins werden als die Lieferung des Gegenstands oder die Erbringung der sonstigen Leistung, auf die sich der Gutschein bezieht, angesehen. Die Umsatzsteuer ist daher bereits zu diesem Zeitpunkt an das Finanzamt zu entrichten.

Mehrzweck-Gutschein

Gutscheine, die keine Einzweck-Gutscheine sind, sind Mehrzweck-Gutscheine.

Bei den Mehrzweck-Gutscheinen fällt die Umsatzsteuer erst bei der Einlösung des Gutscheins an. Jede vorangegangene Übertragung des Gutscheins unterliegt nicht der Umsatzsteuer.

Das war geschehen

Im Streitfall vertrieb die Klägerin über ihren Internetshop Gutscheincodes zum Aufladen von Nutzerkonten für das X Netzwerk (ein elektronisches Portal mit digitalen Inhalten) an Endverbraucher mit einem deutschen Nutzerkonto (Länderkennung DE). Die Endverbraucher konnten im X Netzwerk verschiedene elektronische Dienstleistungen in Anspruch nehmen. Zuvor hatte die Klägerin die Codes von Zwischenhändlern aus anderen Mitgliedstaaten der EU erworben.

X war bei Ausgabe der Codes davon ausgegangen, dass es sich um Einzweck-Gutscheine handelt. Die Klägerin erfasste die Umsätze in ihren Umsatzsteuererklärungen nicht und brachte vor, dass es sich bei den Codes um Mehrzweck-Gutscheine handele, weil der Erwerb über Zwischenhändler im EU-Ausland zulässig sei.

Das Finanzamt und das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein teilten diese Einschätzung nicht. Sie waren der Ansicht, die Codes stellten Einzweck-Gutscheine dar, sodass die Übertragung der Codes an die Endverbraucher der Umsatzsteuer zu unterwerfen sei. Entscheidend sei, dass aufgrund der deutschen Länderkennung der Ort der Leistung an die Endverbraucher in Deutschland feststehe.

Der BFH rief den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an. Dieser entschied, dass nur der Ort der Leistung an die Endverbraucher zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins feststehen muss. Ob der Gutschein über Zwischenhändler übertragen wird, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, ist unerheblich. Mit seinem Beschluss hat der BFH die EuGH-Vorgaben umgesetzt. Weil, so das FG, nur eine Einlösung von in Deutschland ansässigen Endverbrauchern in Betracht kommt, steht der Ort der Leistung in Deutschland fest. Da nur digitale Inhalte, die dem Regelsteuersatz von 19 % unterliegen, abrufbar waren, handelte es sich bei den Gutscheincodes um Einzweck-Gutscheine. Ihre Übertragung unterliegt der Umsatzsteuer.

Die Einstufung, die X bei der erstmaligen Ausgabe der Gutscheincodes vorgenommen hatte, erwies sich daher als zutreffend. Die Besteuerung von Gutscheinen hängt nicht vom Vertriebsweg ab. Der Erwerb direkt beim ausgebenden Unternehmer wird genauso besteuert wie der Erwerb über einen oder mehrere Zwischenhändler.

Quelle | BFH, Beschluss vom 25.6.2025, XI R 14/24 (XI R 21/21), Abruf-Nr. 250891 unter www.iww.de; PM Nr. 73/25 vom 30.10.2025; EuGH, Urteil vom 18.4.2024, C-68/23, Rs. „Finanzamt O“

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Kassenumsätze: Diskothek: Ist die Richtsatzsammlung eine geeignete Schätzungsmethode?

| Bei einer Diskothek wurden die Kassen für die Getränkeumsätze nicht ordnungsgemäß geführt. Deshalb erfolgten Hinzuschätzungen, wobei auf die Rohgewinnaufschlagsätze der amtlichen Richtsatzsammlung des Bundesfinanzministeriums für Gastronomiebetriebe zurückgegriffen wurde. Diese Handhabung wurde nun vom Bundesfinanzhof (BFH) kritisiert. |

Eine Diskothek ist kein Restaurant, und da sich eine Diskothek keiner der in der amtlichen Richtsatzsammlung aufgeführten Gewerbeklassen zuordnen lässt, war diese für die Hinzuschätzung nicht geeignet.

Die Entscheidung ist aber auch aus anderen Gründen interessant: Danach ist der innere Betriebsvergleich, der an die Daten und Verhältnisse des geprüften Betriebs selbst anknüpft, im Verhältnis zum äußeren Betriebsvergleich, der sich auf statistische Durchschnittswerte der betreffenden Branchen stützt, grundsätzlich als die zuverlässigere Schätzungsmethode anzusehen. Dies müssen das Finanzamt und das Finanzgericht (FG) bei der Ausübung ihres Ermessens berücksichtigen, auch wenn sie bei der Wahl der Schätzungsmethoden grundsätzlich frei sind.

Beachten Sie | Zudem hat sich der BFH mit den Mindestanforderungen befasst, die Datensammlungen oder Datenbanken der Finanzverwaltung erfüllen müssen, wenn sie in einem Gerichtsverfahren berücksichtigt werden sollen. Und hier haben die Richter erhebliche Zweifel daran geäußert, dass sich die amtliche Richtsatzsammlung in ihrer bisherigen Form als Grundlage für eine Schätzung eignet.

Begründet wird dies mit der fehlenden statistischen Repräsentativität der zur Ermittlung der Richtsätze herangezogenen Daten einerseits und dem kategorischen Ausschluss bestimmter Gruppen von Betrieben bei der Ermittlung der Richtsatzwerte andererseits.

Quelle | BFH, Urteil vom 18.6.2025, X R 19/21, Abruf-Nr. 250345 unter www.iww.de; PM Nr. 60/25 vom 25.9.2025

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Abschließende Hinweise

Berechnung der Verzugszinsen

| Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten. |

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Juli 2025 bis zum 31. Dezember 2025 beträgt 1,27 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

  • für Verbraucher (§ 288 Abs. 1 BGB): 6,27 Prozent
  • für den unternehmerischen Geschäftsverkehr (§ 288 Abs. 2 BGB): 10,27 Prozent*

* für Schuldverhältnisse, die vor dem 29.7.2014 entstanden sind: 9,27 Prozent.

Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).

Übersicht / Basiszinssätze

Zeitraum

Zinssatz

01.01.2025 bis 30.06.2025

2,27 Prozent

01.07.2024 bis 31.12.2024

3,37 Prozent

01.01.2024 bis 30.06.2024

3,62 Prozent

01.07.2023 bis 31.12.2023

3,12 Prozent

01.01.2023 bis 30.06.2023

1,62 Prozent

01.07.2022 bis 31.12.2022

-0,88 Prozent

01.01.2022 bis 30.06.2022

-0,88 Prozent

01.07.2021 bis 31.12.2021

-0,88 Prozent

01.01.2021 bis 30.06.2021

-0,88 Prozent

01.07.2020 bis 31.12.2020

-0,88 Prozent

01.01.2020 bis 30.06.2020

-0,88 Prozent

01.07.2019 bis 31.12.2019

-0,88 Prozent

01.01.2019 bis 30.06.2019

-0,88 Prozent

01.07.2018 bis 31.12.2018

-0,88 Prozent

01.01.2018 bis 30.06.2018

-0,88 Prozent

01.07.2017 bis 31.12.2017

-0,88 Prozent

01.01.2017 bis 30.06.2017

-0,88 Prozent

01.07.2016 bis 31.12.2016

-0,88 Prozent

01.01.2016 bis 30.06.2016

-0,83 Prozent

01.07.2015 bis 31.12.2015

-0,83 Prozent

01.01.2015 bis 30.06.2015

-0,83 Prozent

01.07.2014 bis 31.12.2014

-0,73 Prozent

01.01.2014 bis 30.06.2014

-0,63 Prozent

01.07.2013 bis 31.12.2013

-0,38 Prozent

01.01.2013 bis 30.06.2013

-0,13 Prozent

01.07.2012 bis 31.12.2012

0,12 Prozent

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Steuern und Beiträge Sozialversicherung: Fälligkeitstermine in 12/2025

| Im Monat Dezember 2025 sollten Sie insbesondere folgende Fälligkeitstermine beachten: |

Steuertermine (Fälligkeit):

  • Umsatzsteuer (Monatszahler): 10.12.2025
  • Lohnsteuer (Monatszahler): 10.12.2025
  • Einkommensteuer (vierteljährlich): 10.12.2025
  • Kirchensteuer (vierteljährlich): 10.12.2025
  • Körperschaftsteuer (vierteljährlich): 10.12.2025

Bei einer Scheckzahlung muss der Scheck dem Finanzamt spätestens drei Tage vor dem Fälligkeitstermin vorliegen.

Beachten Sie | Die für alle Steuern geltende dreitägige Zahlungsschonfrist bei einer verspäteten Zahlung durch Überweisung endet am 15.12.2025. Es wird an dieser Stelle nochmals darauf hingewiesen, dass diese Zahlungsschonfrist ausdrücklich nicht für Zahlung per Scheck gilt.

Beiträge Sozialversicherung (Fälligkeit):

Sozialversicherungsbeiträge sind spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des laufenden Monats fällig, für den Beitragsmonat Dezember 2025 am 29.12.2025.

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