ARBEITSRECHT IN DER CORONAKRISE

Die Coronakrise ist derzeit allgegenwärtig und beeinträchtigt so gut wie alle Bereiche des privaten und beruflichen Zusammenlebens. Aus arbeitsrechtlicher Sicht bedeutet dies neue Herausforderungen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Die Zahl der Infizierten steigt. Bildungseinrichtungen und Kitas werden geschlossen. Arbeitnehmer und Selbstständige fragen sich, wer ihren Lohn- und Verdienstausfall bei Krankschreibung und Quarantäne übernimmt. Arbeitgeber und Unternehmen haben mit Einnahmeausfällen in erheblichem Umfang zu kämpfen, worauf reagiert werden muss.

Hieraus ergeben sich zahlreiche juristische Fragestellungen.

I.

Allgemein

Die derzeitige Krise dürfte rechtlich als ein Ereignis der höheren Gewalt zu definieren sein. Die höhere Gewalt wird beschrieben als „ein von außen einwirkendes und objektiv unvorhersehbares unabwendbares Ereignis“. In den Motiven zu den einzelnen Gesetzen, insbesondere zum Reiserecht, hat der Gesetzgeber hier ausdrücklich „Epidemien“ genannt.

Zur Beurteilung der Rechtslage in einzelnen arbeitsrechtlichen Vertragsverhältnissen muss selbstverständlich auch weiterhin der Einzelfall und die konkrete vertragliche Regelung herangezogen werden. Die folgenden Fragen und ihre Antworten können daher lediglich einen allgemeinen Leitfaden bieten, ersetzen aber keine einzelfallbezogene rechtsanwaltliche Beratung.

II.

Worauf müssen Arbeitgeber und Unternehmen in der Coronakrise achten?

Der Arbeitgeber ist zuständig für den Gesundheitsschutz seiner Mitarbeiter. Diese grundsätzliche und weit gefasste Verpflichtung dürfte in den meisten Fällen weniger ein juristisches Problem darstellen, sondern ein Gebot des gesunden Menschenverstandes. So sollte der Arbeitgeber darauf achten, grundsätzlich den Anweisungen des Robert Koch Institutes Folge zu leisten, den direkten Kontakt mit und unter Mitarbeitern so gering wie möglich zu halten, die Mitarbeiter im Großraumbüro möglichst weit auseinanderzusetzen und – da wo möglich – die Möglichkeiten des Home-Office auszuschöpfen.

1.)        Lohnfortzahlung

Wenn der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer wegen einer bestehenden Ansteckungsgefahr oder des Verdachts einer Infektion suspendiert, greift die Lohnfortzahlung. Obwohl es in Bezug auf den Umgang mit Corona diesbezüglich aktualitätsbedingt noch keine gesicherte Rechtsprechung gibt, ist davon auszugehen, dass die Lohnfortzahlung wie im regulären Krankheitsfall auch bis zu sechs Wochen andauern kann.

2.)        Informationsgewinnung

Ein grundsätzliches Fragerecht gegenüber einem Arbeitnehmer in Bezug auf den Gesundheitszustand steht dem Arbeitgeber nicht zur Seite. Ausnahmen gelten im Gesundheitswesen oder in anderen besonderen sensiblen Betrieben. Die Anordnung einer betriebsärztlichen Untersuchung setzt konkrete Anhaltspunkte oder die Rückkehr aus einem Risikogebiet voraus. Dementsprechend erstreckt sich das Fragerecht auch nur auf den Umstand, ob sich der Arbeitnehmer in einem Risikogebiet aufgehalten hat.

3.)        Arbeitszeit

Wenn Kunden und Aufträge ausbleiben, stellt sich für den Unternehmer die Frage, ob er seine Mitarbeiter in unbezahlten Urlaub schicken kann. Dies ist nur auf Verlangen oder mit Zustimmung des Arbeitnehmers möglich. Ein einseitiges diesbezügliches Anordnungsrecht besteht aufgrund des arbeitnehmerseitigen Beschäftigungsanspruchs nicht. Hier gilt es also, individuell und einzelfallbezogen in Kommunikation mit dem Arbeitnehmer eine für beide Seiten tragbare Lösung zu finden. Kurzarbeit, bei der der Arbeitnehmer dann für den Lohn- bzw. Gehaltsausfall Kurzarbeitergeld bekommt, stellt sich diesbezüglich oftmals als die praktikablere Lösung dar.

4.)        Kurzarbeit

Kurzarbeit ist die vorrübergehende, betrieblich bedingte Verringerung der regelmäßigen Arbeitszeit in einem Betrieb, die auf einem unabwendbaren Ereignis beruht. Die Coronakrise kann im Rahmen einer einzelfallbezogenen Prüfung ein solches unabwendbares Ereignis darstellen. Die Arbeitszeit kann in diesem Fall bis auf 0 reduziert werden, wobei der Arbeitnehmer für das auszuzahlende Entgelt Kurzarbeitergeld zwischen 60 und 67 % des monatlichen Nettoentgelts erhält. Für den Fall, dass der Arbeitnehmer der Kurzarbeit nicht zustimmt, ist die Möglichkeit vorgesehen, eine betriebsbedingte Kündigung auszusprechen. Die Bundesregierung hat kurzfristig auf Grund der Coronakrise die Voraussetzungen für die rechtmäßige Anordnung von Kurzarbeit deutlich gelockert.

5.)        Home-Office

Eine grundsätzliche Pflicht des Arbeitgebers, Arbeitsmittel für das Home-Office zur Verfügung zu stellen und seine Unternehmenssoftware entsprechend einzurichten, besteht nicht. Dennoch handelt es sich hier in vielen Fällen um die praktikabelste Lösung zur Aufrechterhaltung der operativen Tätigkeit.

6.)        Kinderbetreuung

Es besteht keine Pflicht des Arbeitgebers, die Kinderbetreuung für seine Mitarbeiter zu gewährleisten. Kann der Arbeitnehmer nicht arbeiten, liegt das zunächst in seinem eigenen Verantwortungsbereich. Er hat dann Überstunden abzubauen, Urlaub zu nehmen oder im Extremfall auf Entgelt zu verzichten.

7.)        Quarantäne

Die zuständige Gesundheitsbehörde kann eine Quarantäne für den Betrieb anordnen, wenn dies als Schutzmaßnahme erforderlich ist. Diese Maßnahme kann ggf. sogar zwangsweise durchgesetzt werden. Der Vergütungsanspruch der Mitarbeiter entfällt durch eine Quarantäneanordnung nicht. Allerdings sieht das Infektionsschutzgesetz einen Erstattungsanspruch zu Gunsten des Arbeitgebers vor.

8.)        Staatliche Hilfen

Ein Rettungsschirm ist derzeit durch die Bundesregierung in Aussicht gestellt worden. An einer konkreten Regelung fehlt es jedoch noch. Steuerstundungen werden jedoch bereits praktiziert. Es ist insofern auf die allgemeinen Instrumente wie das bereits angesprochene Kurzarbeitergeld zurückzugreifen.

III.

Worauf müssen Arbeitnehmer in der Coronakrise achten?

1.)        Ansteckungsgefahr

Die bloße Befürchtung, sich bei Verlassen des Eigenheims möglicherweise mit dem Coronavirus anzustecken, genügt nicht, damit der Arbeitnehmer der Arbeit fernbleiben darf. Eine potentielle Ansteckungsgefahr gehört zum allgemeinen Lebensrisiko, die der Arbeitnehmer selbst trägt. Bittet der Arbeitnehmer den Arbeitgeber darum, zu Hause bleiben zu dürfen, besteht rechtlich insofern nur die Möglichkeit, Urlaub zu nehmen oder auf die Lohnfortzahlung zu verzichten (wenn keine andere Vereinbarung getroffen wird).

2.)        Arbeitsweg

Der Arbeitnehmer, der auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, wird bei entsprechenden Ausfällen nicht von seiner Arbeitspflicht befreit. Das sog. Wegerisiko liegt beim Arbeitnehmer, welcher also verpflichtet ist, sich so zu organisieren, dass er pünktlich bei der Arbeit erscheint.

3.)        Krankschreibung

Für den Fall der Infektion besteht auch bei Corona (wie für jede andere Krankheit auch) die Möglichkeit, sich als Arbeitnehmer wegen Arbeitsunfähigkeit krankschreiben zu lassen. Der Arbeitnehmer hat einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Dauer von sechs Wochen.

Die kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat die Ärzte derzeit angewiesen, Krankschreibungen auch ohne Arztbesuch zu erteilen, wenn der Arbeitnehmer eine leichte Erkrankung der oberen Atemwege aufweist, keine schweren Symptome hat und die Kriterien für einen Coronavirusverdachtsfall nicht vorliegen.

4.)        Erkrankung eines Angehörigen

Wenn z. B. das Kind eines Arbeitnehmers erkrankt ist oder gepflegt werden muss, sieht § 616 BGB bei einer vorübergehenden Verhinderung eine Entgeltfortzahlung vor. (Die Anwendung der Norm kann vertraglich ausgeschlossen werden). Der Begriff „vorübergehend“ ist nicht gesetzlich definiert. Das Bundesarbeitsgericht geht hier üblicherweise von einem Zeitraum bis zu 5 Tagen aus.

5.)        Home-Office

Es gibt weder ein generelles Recht auf Home-Office, noch die Pflicht, auf Bitten des Arbeitgebers ein Home-Office einzurichten.

6.)        Kinderbetreuung

Da Schulen und Kindergärten geschlossen sind, ist für viele Arbeitnehmer die Kinderbetreuung nicht gewährleistet. Sie sind daher gezwungen zu Hause zu bleiben. Für einen vorübergehenden Zeitraum gilt das o. g. zu § 616 BGB. Für einen längeren Zeitraum müssen die betroffenen Mitarbeiter Urlaub oder ein bestehenden Zeitguthaben in Anspruch nehmen.

7.)        Quarantäne

Im Falle einer behördlichen Quarantäneanordnung besteht der Lohnanspruch gegenüber dem Arbeitgeber für den Arbeitnehmer weiter. Der Arbeitgeber ist in diesem Fall jedoch nicht schutzlos gestellt. Gem. Infektionsschutzgesetz besteht die Möglichkeit, dass der Arbeitgeber die ausgezahlten Beträge von der zuständigen Behörde erstattet bekommt. Im Übrigen gelten die Grundsätze der Lohnfortzahlung für sechs Wochen. Wie bei einer normalen Erkrankung erhält der Arbeitnehmer ab der 7. Woche der Erkrankung/Quarantäne sodann Krankengeld von der Krankenkasse.

Selbstverständlich steht Ihnen die Anwaltssozietät Ludwig & Callies auch in dieser außergewöhnlichen Zeit für die Beantwortung Ihrer Fragen und das gemeinsame Erarbeiten von Lösungen zur Verfügung. Aus arbeitsrechtlicher Perspektive gibt es nicht nur zahlreiche Fragestellungen, die die Coronakrise mit sich gebracht hat, sondern genauso viele Stellschrauben, mit denen auf auftretende Probleme reagiert werden kann. Zögern Sie also nicht, sich frühzeitig mit uns in Verbindung zu setzen.

Stand: 24.03.2020

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Diese allgemeinen Informationen ersetzen keine individuelle und einzelfallbezogene Rechtsberatung.